Charkow 1943: Ein Trick machte aus dem deutschen Rückzug einen Sieg - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. Zweiter Weltkrieg
  4. Charkow 1943: Ein Trick machte aus dem deutschen Rückzug einen Sieg

Zweiter Weltkrieg Charkow 1943

Ein Trick machte aus dem deutschen Rückzug einen Sieg

Nach der Katastrophe von Stalingrad eroberte die Rote Armee auch Charkow zurück. Doch die deutschen Truppen wurden so umgruppiert, dass sie Stalins Armeen unvermutet in den Flanken angreifen konnten.
1943 – Der große Rückzug

Nach der Niederlage von Stalingrad gerät die Wehrmacht an allen Fronten in die Defensive. Die letzte Großoffensive bei Kursk scheitert, die Alliierten landen auf Sizilien, Mussolini wird gestürzt.

Quelle: WELT

Autoplay

Schön sind Erfolge immer, manchmal aber werden sie geradezu überlebenswichtig. Zwei Wochen waren Anfang März 1943 seit der propagandistisch exzellent inszenierten Rede von Josef Goebbels über den „totalen Krieg“ vergangen. Doch substanziell verbessert hatte sich nichts.

Deshalb warnte das Oberkommando der Wehrmacht in seinen nur an die engste Führung des Dritten Reiches verschickten täglichen Lageberichten am 2. März 1943: „Gerüchte über eine eventuelle mögliche Wiedereroberung Charkows entbehren jeder Grundlage.“

Nur wenige Tage nach der schweren Niederlage von Stalingrad hatte die Wehrmacht die ostukrainische Stadt Charkow räumen müssen. Aus eigener Entscheidung hatte der Waffen-SS-General Paul Hausser seinen Truppen den Abzug befohlen, entgegen den klaren Befehlen von Hitler, des Heeresgruppen-Oberbefehlshabers Erich von Manstein und seines direkten Vorgesetzten Hubert Lanz.

Die Schlacht um Stalingrad 1942/43

Der zweite Blitzfeldzug, mit dem Hitler die Sowjetunion erobern wollte, endete in der Schlacht um Stalingrad. Fast 250.000 deutsche und verbündete Soldaten wurden von der Roten Armee eingekesselt.

Quelle: WELT/Christoph Hipp

Hausser tat also das, was General Friedrich Paulus in Stalingrad nicht getan hatte: Er widersetzte sich klaren Weisungen, um seine Truppen vor der absehbaren Einkesselung zu bewahren. Hitler war wütend, setzte aber erstaunlicherweise nicht den SS-General ab, sondern Lanz, weil der sich gegenüber dem ihm unterstellten General nicht durchgesetzt hatte. Vielleicht war Hausser als populärer Panzergeneral zu wichtig? Jedenfalls brauchten Manstein und damit auch Hitler ihn, um die Truppen des SS-Panzerkorps für den Gegenangriff zu motivieren.

Zuerst bestand der Diktator bei einem Besuch in Mansteins Hauptquartier rund 300 Kilometer südwestlich von Charkow auf einem sofortigen Gegenangriff; die Stadt müsse zurückerobert werden. Manstein konnte ihn aber überzeugen abzuwarten. Entscheidend dafür war, dass sich die sowjetischen Panzerspitzen mit großem Tempo dem Hauptquartier Mansteins näherten. Am 19. Februar 1943 hatte Hitler sowjetisches Artilleriefeuer gehört und daraufhin entschieden, seinen auf fünf Tage angesetzten Besuch hinter der Front bereits nach zwei Tagen abzubrechen.

Der Diktator und sein Stratege: Hitler und Erich von Manstein im März 1943
Der Diktator und sein Stratege: Hitler und Erich von Manstein im März 1943
Quelle: Bundesarchiv

Nun konnte der Generalfeldmarschall, der als der beste deutsche Stratege galt, seinen Plan umsetzen: Er tat weiter so, als würde er sich nach Westen zurückziehen, konzentrierte dabei aber seine Truppen für einen „Schlag aus der Nachhand“. Die Wehrmachts- und SS-Einheiten setzen sich immer weiter vom Gegner ab, der mit ungeschützten Flanken nachstieß. Nicht einmal, als zwischen dem 22. und 28. Februar 1943 der deutsche Gegenschlag begann und zwei sowjetische Armeen in kurzer Zeit aufgerieben wurden, verstand Stalins Hauptquartier in Moskau, die Stawka, was geschah.

Dieser Sieg, der propagandistisch nicht groß verkündet wurde, war wahrscheinlich der Ursprung der Gerüchte über eine Wiedereroberung von Charkow. Doch selbst das Oberkommando der Wehrmacht kannte Anfang März 1943 offenbar die genauen Pläne Mansteins nicht. Dem kam das Wetter zu Hilfe. Auf eine kurze Matschperiode folgte noch einmal starker Frost, sodass sich die deutschen Panzer frei entfalten konnten. Stellenweise gewannen sie sogar eine zahlenmäßige Überlegenheit.

So waren beide Oberkommandos, das sowjetische ebenso wie das deutsche, einigermaßen überrascht, als am 6. März 1943 von Süden her deutsche Einheiten auf die zweitgrößte Stadt der Ukraine vorstießen. Die sowjetischen Stellungen wurden durchbrochen und Charkow bis zum 11. März eingekreist.

Einen Tag später trafen Panzer der Roten Armee dieselbe schwache Stelle, die sich zuvor deutsche Verbände bei ihnen zunutze gemacht hatten: die unverteidigten Flanken vorstoßender Einheiten. Beinahe wäre der Angriff daran gescheitert, obwohl deutsche Panzerspitzen bereits von Norden her den Roten Platz Charkows erreicht hatten. Doch die Katastrophe blieb aus.

Wie in Stalingrad nur mit umgekehrten Vorzeichen: deutsche Panzer umfassen Charkow
Wie in Stalingrad nur mit umgekehrten Vorzeichen: deutsche Panzer umfassen Charkow
Quelle: Bundesarchiv
Anzeige

„Der Schwerpunkt des feindlichen Widerstandes liegt im Südwesten der Stadt“, meldete das Oberkommando der Wehrmacht. Durch Feindaufklärung habe man festgestellt, dass die Rote Armee Verbände aus der Stadt gen Osten abziehe.

Tatsächlich hatte die Stawka nun erkannt, dass in Charkow eine Situation wie in Stalingrad entstehen könnte, nur umgekehrt und etwas kleiner. Deshalb wurden motorisierte Einheiten abgezogen, während Infanterieverbände blieben und die Stadt verteidigen sollten. Sie wurden eingekesselt und aufgerieben; mehrere Zehntausend Rotarmisten gingen schließlich in Gefangenschaft. Am 15. März 1943 hatte Paul Hausser Charkow mit seinem SS-Panzerkorps zurückerobert.

Schon am 10. März 1943 war Hitler persönlich erneut in Mansteins Hauptquartier gekommen, um dessen Strategie nachträglich zu billigen. Selten war der Diktator, der sich selbst für seinen besten General hielt, zu einer solchen Geste bereit.

Deutsche Truppen im zurückeroberten Charkow im März 1943
Deutsche Truppen im zurückeroberten Charkow im März 1943
Quelle: Bundesarchiv

Charkow war ähnlich zerschossen und zerbombt wie Stalingrad. Joseph Goebbels ließ die Propagandamaschine hochlaufen: Zeitungen, Illustrierte und die „Wochenschau“ brachten Berichte über den Sieg in der umkämpften Stadt, der Reichsrundfunk verkündete den Heldenmut der SS-Panzerverbände.

Bald berichtete der Sicherheitsdienst der SS in seinen „Meldungen aus dem Reich“, so etwas wie geheimen Stimmungsbildern der Bevölkerung, über die Auswirkungen: „An der Meldung von der Wiedereinnahme der Stadt Charkow und an den daran geknüpften Kommentaren, Propagandakompanie- und Frontberichten wurde durchweg lebhaft Anteil genommen, da die Volksgenossen der Hoffnung sind, dass aus diesem Raum eine neue deutsche Offensive ihren Anfang nimmt.“ Genau das war es, was Goebbels brauchte: einen sichtbaren Erfolg.

Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like.

Ohne Pferde lag die Wehrmacht am Boden

Rund 2,75 Millionen Pferde dienten während des Zweiten Weltkrieges in der Wehrmacht. Sie transportierten Nachschub und zogen Geschütze. Ohne sie wäre der motorisierte Krieg nicht zu führen gewesen

Quelle: Die Welt

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant