Kino-Koproduktion „Outside the Box“

Tilmann P. Gangloff
„Outside the box“ (ZDF / Walker&Worm) ist eine stellenweise recht grimmige Satire �ber ein Bootcamp f�r junge Unternehmensberater, das komplett aus dem Ruder ger�t: Die zuk�nftigen F�hrungskr�fte sollen sich in Extremsituationen bew�hren, aber dann eskaliert eine fingierte Geiselnahme zum Kampf auf Leben und Tod. Auch wenn zwischendurch auf brutale Weise ein paar Tiere sterben: Philip Kochs Film ist bei weitem nicht so grausam wie sein Deb�t� „Picco“, aber als Abrechnung mit den gro�m�uligen Seminarteilnehmern nicht minder konsequent. Wie gut schon das Drehbuch gewesen muss, zeigt die beinahe verschwenderisch exzellente Besetzung. Das ZDF er�ffnet mit „Outside the Box“ seine Reihe „Shooting Stars – Junges Kino im Zweiten“, weshalb der Film bedauerlicherweise erst um 23.15 Uhr l�uft; er w�rde auch als „Fernsehfilm der Woche“ montags um 20.15 Uhr funktionieren.

„Outside the box“ denken hei�t ausgetretene Pfade verlassen, ungew�hnliche L�sungen ersinnen. Das ist auch bitter n�tig, als ein Assessment-Center der etwas speziellen Art komplett aus dem Ruder l�uft. Bei dieser Art Stresstest werden die Teilnehmer, beispielsweise Bewerber f�r einen begehrten Job, in Form von Rollenspielen mit Extremsituationen konfrontiert; „Survival of the fittest“, nur die St�rksten kommen durch. Das ist auch das Ziel eines Camps in S�dtirol, an dem vier junge Mitarbeiter einer Unternehmensberatung teilnehmen. Unter Anleitung eines Drill Sergeants sollen sie in �bungen Teamgeist, Willensst�rke und Durchsetzungsf�higkeit beweisen. Teil des abgekarteten Spiels ist auch eine Geiselnahme, die allerdings einen anderen Verlauf nimmt als erwartet: Das eigens zu diesem Zweck engagierte italienische Schauspielerp�rchen macht ernst, die Munition in den Gewehren ist echt. Die beiden wollen eine Million Euro, und die Strippenzieher der Veranstaltung haben ein gewaltiges Problem: Die Veranstaltung sollte das schw�chelnde Unternehmen wieder nach vorn bringen. Damit eine Handvoll ausgew�hlter Journalisten live verfolgen kann, wie das Quartett die Herausforderungen bew�ltigt, sind auf dem Gel�nde und an der Kleidung der Teilnehmer Kameras angebracht. Verzweifelt versuchen der Personalchef & die PR-Managerin, die G�ste in dem Glauben zu lassen, alles verlaufe weiterhin nach Plan.

Foto: ZDF / Arvid Uhlig

Das Bootcamp f�r die Unternehmensberater l�uft v�llig aus dem Ruder, als die Insassen einer echten Entf�hrung zum Opfer fallen. Gersak, Krieps, Bruch, Konarske

Das ZDF zeigt „Outside the Box“ von Philip Koch im Rahmen seiner Reihe „Shooting Stars – Junges Kino im Zweiten“ und daher erst um 23.15 Uhr, was ausgesprochen schade ist; das satirische Drama w�rde vermutlich auch als „Fernsehfilm der Woche“ montags um 20.15 Uhr funktionieren. Schon allein die Besetzung ist regelrecht verschwenderisch: Samuel Finzi (Personalchef) und Lavinia Wilson (PR-Frau) spielen die Drahtzieher, Hanns Zischler verk�rpert den skrupellosen Firmenbesitzer Bickstein; in kleinen Rollen wirken zudem Frederick Lau als Techniker und Kida Khodr Ramadan als Bicksteins M�dchen f�r alles mit. Das zentrale Quartett ist mit Vicky Krieps, Volker Bruch, Stefan Konarske und Sascha Alexander Geršak nicht ganz so prominent, aber ebenfalls interessant besetzt. Die Luxemburgerin Krieps zum Beispiel ist hierzulande durch ihre Titelrolle als Fliegerin in dem ZDF-Film �ber „Elly Beinhart“ bekannt geworden und dreht mittlerweile auch in Hollywood („Der seidene Faden“), Konarske war von 2012 bis 2017 Teil des Dortmunder „Tatort“-Teams, und Volker Bruch, Hauptdarsteller der ARD/Sky-Serie „Babylon Berlin“, hat sich vor einigen Jahren mit dem Kriegsmehrteiler „Unsere M�tter, unsere V�ter“ in der ersten Liga etabliert. Er spielt als scheinbar schw�chstes Glied der Viererkette die zentrale Rolle: Frederick, seit drei Jahren in der Firma, aber immer noch der „Junior“, wird schon bei der ersten Aufgabe – ein Boot hat nur Platz f�r drei Passagiere – unbarmherzig von den anderen aussortiert, was ihn quasi automatisch zum Sympathietr�ger macht. Niemand wei�, dass er Bicksteins Sohn ist.
Die Konstellation erinnert in gewisser Weise an Kochs Deb�t, „Picco“ (2011), ein grausamer Gef�ngnisfilm, in dem ein junger H�ftling (Constantin von Jascheroff) nur eine Wahl hat: Wenn er von den Mitgefangenen nicht als Opfer betrachtet werden will, muss er zum T�ter werden. „Outside the Box“ erz�hlt zwar eine ganz andere Geschichte, aber auch hier �berlebt nur der St�rkere. Darauf stimmt schon der Prolog mit seinen Impressionen aus der Waldtierwelt ein. Er endet mit einem kleinen Schockmoment, als der Bus mit den vier Teilnehmern eine Kr�te �berf�hrt; wenn das ein Spezialeffekt war, ist er perfekt gelungen.

Kritiken zum Kinostart:
Was der deutsche Film leisten k�nnte, wenn er nur wollte, zeigt dieser mit viel Sinn f�r schwarze Situationskomik angerichtete Actionthriller mit allem, was man am amerikanischen Mitbewerber so sch�tzt, aber auch einer gesunden Portion Gesellschaftssatire. Geboten ist eine z�nftige Menschenjagd, deren besonderer Reiz hier nicht im Vergie�en von Blut (obwohl es auch das gibt), sondern in der ironischen Brechung liegt (Opfer halten T�ter f�r Mitarbeiter einer Real-Life-Show). Kann man als Genrefreund gut gucken. (Blickpunkt:Film)
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„Outside the Box“ lautet der Titel in Anspielung an einen k�chenpsychologischen Business-Anglizismus. Um ein Problem zu l�sen, muss man es „von au�en“ betrachten. Diesen Perspektivwechsel schafft der holprig inszenierte Film nicht. Er will ein Zerrspiegel der Arbeitswelt sein, aber die Figuren dieses fiktiven Spiels werden nie in ihrer tats�chlichen Verletzlichkeit glaubhaft. Sinnbild f�r dieses Defizit sind die drei weiblichen Charaktere. Eine der Frauen ist schwanger, die andere sorgt f�r menschliche Impulse und die dritte muss sich wider Willen mehrmals dem Firmenchef hingeben, dem am Ende der Dialogsatz bleibt: „Wenigstens habe ich sie zweimal gev�gelt.“ (epd film)
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Farce �ber das auf gr��tm�gliche Verwertbarkeit des „Humankapitals“ gerichtete Gebaren der neoliberalen Arbeitswelt, deren Sprache und blinde Leistungsgl�ubigkeit. Ein spielfreudiges Ensemble und der groteske Fortgang der Handlung sorgen f�r ebenso witzige wie dramatische Momente. Im letzten Drittel rutscht die Satire in Klamauk ab, was ihr einiges an Schwung nimmt. (Filmdienst)

Trailer zur Kino-Koproduktion "Outside the Box" von Philip Koch

Knapp 90 Minuten sp�ter schlie�t Koch den Kreis mit einem lakonischen Epilog, als es einem zwischenzeitlich von Frederick geretteten Entenk�ken an den Kragen geht. W�hrend dieser Schlusspunkt zur makabren Haltung des Films passt, wirkt ein anderer Moment grotesk und deplatziert: Als Bickstein die Wahrheit �ber die Ereignisse im Camp erf�hrt, zerquetscht er w�tend sein unschuldiges Scho�h�ndchen. Sohn Frederick dagegen w�chst als Filmheld �ber sich hinaus: Er kann fliehen, findet eine Waffe und dreht den Spie� um. Aber dann entgleitet ihm die Situation, und er kehrt an den Ausgangspunkt zur�ck. Es wiederholt sich der Moment der Auslese, doch diesmal ist es keine �bung: Die Entf�hrer wollen ein Zeichen setzen; die Geiseln m�ssen untereinander ausmachen, wer erschossen werden soll. In der Konfrontation mit dem drohenden Tod ist kein Platz mehr f�r Spielchen, nun lassen die bis dahin �berheblichen Teilnehmer die Maske fallen und beginnen, sich gegenseitig zu zerfleischen.

Soundtrack: Son of Dave („Shake a Bone“), Los Zafiros („He Venido”), Apollo Sunshine („We are Born when We Die”), Ernst Reijseger with Mola Sylla & Serigne C.M. Gueye („Jangelma”)

Ausgerechnet bei dieser dialogreichen Auseinandersetzung, immerhin eine Art Schl�ssel-Szene, agieren nicht alle Darsteller souver�n, aber das bleibt die einzige Ausnahme. Ansonsten ist „Outside the Box“ eine bissige Abrechnung mit einer Berufsgruppe, die sich ohne Anglizismen gar nicht mehr verst�ndigen k�nnte; Koch, der das Drehbuch gemeinsam mit Anna Katrin Schneider geschrieben hat, brauchte nicht mal zu �bertreiben, um diesen typischen Jargon zu karikieren. Ungleich grimmiger ist allerdings die Zeichnung der Figuren im Hintergrund. Gerade mit PR-Frau Vanessa treibt der Film ein perfides Spiel: Um gegen�ber den Journalisten den Schein zu wahren, muss sie ihren Chef um die geforderte Million erleichtern und daf�r gleich zweimal erotisches Interesse heucheln. Daf�r gen�gt Koch eine kurze Einstellung: hinten der Chef, strahlend wie ein Honigkuchenpferd, vorn die alles andere als gl�cklich dreinschauende Vanessa. Die Musik ist ziemlich cool, und zum Gl�ck hat Koch darauf verzichtet, die Geschichte allzu sehr im Stil von „Found Footage“-Filmen wie „Blair Witch Project“ (1999) oder „Paranormal Activity“ (2007) mit dem Material aus den �berwachungskameras zu erz�hlen. Trotzdem hat der Film aus der Redaktion des Kleinen Fernsehspiels bei der Kinoauswertung 2016 kaum Zuschauer gefunden. (Text-Stand: 2018)

Foto: ZDF / Arvid Uhlig

Wer ist der Anf�hrer: Frederik Schopner (Bruch) oder Michel Grandier (Konarske)?

Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.

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