Eltern und Geschwister

    Lebenswelten der Kindheit

    Eltern und Geschwister

     

    Otto von Bismarcks Kindheit und Jugend waren geprägt durch die unterschiedlichen Lebenswelten seiner Eltern. Sein Vater Ferdinand von Bismarck entstammte einem altmärkischen Landadelsgeschlecht, seine Mutter Wilhelmine Luise von Bismarck hingegen war Tochter einer alten Gelehrtenfamilie im Dienst preußischer Könige. Die Spannungen zwischen abgeschiedener ländlicher Existenz und städtischer Hofnähe, zwischen ständischem Traditionsbewusstsein und aufgeklärter Bildung spiegelten sich in Bismarcks schwierigem Verhältnis zu den Eltern. Zwar fühlte er sich zeitlebens mehr dem adeligen, gutsherrschaftlichen Dasein des Vaters verbunden. Doch dessen schlichte Gutmütigkeit und passive, mitunter träge Lebensführung boten Otto von Bismarck nicht das männliche Vorbild, das er sich wünschte. Beide Elternteile verstarben bereits vor dem Beginn seiner politischen Karriere.

     Schnhausen Sammlung Duncker Band 8 1865 1866Schönhausen, Kreis Jerichow, Regierungsbezirk Magdeburg, Provinz Sachsen, erschienen in: Alexander Duncker, Die Ländlichen Wohnsitze, Schlösser Und Residenzen Der Ritterschaftlichen Grundbesitzer in Der Preussischen Monarchie, Band 8, 1865 –1866 (gemeinfrei)

     
    Ferdinand von Bismarck (1771 – 1845)

    Ferdinand von Bismarck wuchs gemeinsam mit drei älteren Brüdern auf dem Schönhauser Gut seines Vaters Karl Alexander von Bismarck auf. Der adeligen Tradition folgend, trat er schon im Schulalter in den Militärdienst ein und kämpfte im Ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich. Bereits 1795 reichte er sein Abschiedsgesuch ein und kehrte nach Schönhausen zurück. Dort half er seinem Vater auf dem Gut, das er nach dessen Tod 1797 übernahm.

    Als märkischer Gutsherr und damals noch einfacher Leutnant a. D. unterhielt er keine nennenswerten Kontakte zum Königshof. Durch die Vermittlung seines Bruders lernte er in Potsdam die Hofbeamtenfamilie Mencken kennen. Sein soziales Ansehen steigerte er enorm durch die Einheirat in diese Familie im Jahr 1806. 1816 übersiedelte er mit seiner Familie auf das günstig von einer Verwandten erworbene Gut Kniephof in Pommern und überließ die Bewirtschaftung Schönhausens einem Inspektor. Er kehrte erst kurz vor dem Tod seiner Ehefrau 1838 in die Altmark zurück.

     Ferdinand von Bismarck Otto von Bismarck StiftungFerdinand von Bismarck, Zeichnung nach einen Gemälde, erschienen in: Dr. Alfred Funke, Das Bismarck-Buch des deutschen Volkes, erster Band, Leipzig 1921 (gemeinfrei)

     
    Wilhelmine Luise von Bismarck, geb. Mencken (1789 – 1839)

    Tonangebender Elternteil in Otto von Bismarcks Kindheit und Jugend war seine Mutter. Mit erst 17 Jahren heiratete Wilhelmine Luise Mencken den mehr als doppelt so alten Landjunker Ferdinand von Bismarck – wohl auf Wunsch ihrer bürgerlichen Familie. Sie war die Tochter von Anastasius Ludwig Mencken, einem gebildeten und politisch einflussreichen Kabinettsrat unter den preußischen Königen Friedrich Wilhelm der II. und Friedrich Wilhelm III. Durch die Einheirat in den landbesitzenden Adel gelang ihr ein weiterer gesellschaftlicher Aufstieg. Anders als ihr Ehemann hatte sie eine umfassende Bildung genossen und war in kulturell anspruchsvollen und gelehrten Potsdamer Kreisen mit häufigen Kontakten zum preußischen Königshaus aufgewachsen. Entsprechend unwohl fühlte sie sich in der Abgeschiedenheit der Landgüter ihres Ehemanns und blieb der Familie oft durch Kurreisen fern.

    Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erziehung strebte sie für ihre Söhne Otto und Bernhard hohe Beamten- oder Diplomatenkarrieren an und trieb daher ehrgeizig deren Schul- und Ausbildung in Berlin voran. Otto wurde dort im Alter von sechs Jahren eingeschult und litt unter der Trennung von der vertrauten Lebenswelt auf dem Gut der Familie. Obwohl sie durch ihren Bildungsanspruch die Grundlagen für seine politische Karriere gelegt hatte, empfand er sie zeitlebens vor allem als kalt, hart und streng.

     Luise Wilhelmine von BismarckWilhelmine Luise von Bismarck, geb. Mencken, Gemälde von Frédéric Frégevize, 1823 (Reproduktion, © Otto-von-Bismarck-Stiftung)

     
    Bernhard von Bismarck (1810 – 1893)

    „Sein Tod reißt immer ein Loch in mein Leben und meine Umgebung, wenn ich auch vom Dasein meines Bruders mehr das Bewußtsein als die körperliche Wahrnehmung hatte“, schrieb Otto von Bismarck 1893 in Trauer um seinen verstorbenen fünf Jahre älteren Bruder Bernhard. Die ersten Lebensjahre hatten sie gemeinsam auf den elterlichen Gütern in Schönhausen und Kniephof in Pommern verbracht. Bernhard von Bismarck besuchte die Plamannsche Anstalt in Berlin, sein jüngerer Bruder Otto folgte ihm wenig später. Während ihrer Gymnasialzeit lebten beide zweieinhalb Jahre in der Stadtwohnung der Eltern in der Behrenstraße 53.

    Bernhard studierte von 1829 bis 1831 Rechtswissenschaften in Berlin und Leipzig. Sein Referendariat schloss er 1836 in Potsdam ab. Als die Mutter 1838 schwer erkrankte, entschieden er und sein Bruder Otto, die in Pommern gelegenen Güter Jarchlin, Külz und Kniephof gemeinsam zu bewirtschaften. Zur Regelung der Erbschaftsangelegenheiten bezog zunächst Bernhard den Familienbesitz und begann erfolgreich mit der Konsolidierung des Landwirtschaftsbetriebes. Ab 1839 verwalteten die Brüder gemeinsam die Güter bis zu deren Aufteilung 1841. In dieser Zeit war Bernhard seinem unsteten Bruder ein wichtiger „Freund und Vertrauter“ (Ernst Engelberg). Im Jahr 1840 wurde er Abgeordneter im ständischen Provinziallandtag der Provinz Pommern und Landrat des Kreises Naugard.

    Er gehörte zu den Förderern der konservativen Neuen Preußischen Zeitung („Kreuzzeitung“), an der auch Otto von Bismarck mitwirkte. 1851/52 und von 1870 bis 1888 war er Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau Friederike Fanninger, mit der er zwei Söhne hatte, heiratete er Malwine von Lettow-Vorbeck. Sie bekamen zwölf Kinder.

     Bernhard v BismarckBernhard von Bismarck, Reproduktion eines Gemäldes von E. Boltz (© Otto-von-Bismarck-Stiftung)

     

    Malwine von Arnim-Kröchlendorff, geb. von Bismarck (1827 – 1908)

    Eine enge Beziehung verband Otto von Bismarck mit seiner zwölf Jahre jüngeren Schwester Malwine. Nachdem er und sein Bruder 1841 die Pommerschen Güter unter sich aufgeteilt hatten, führte sie drei Jahre lang seinen Haushalt auf Kniephof. Im Jahr 1843 verlobte sie sich mit Otto von Bismarcks Jugendfreund Oskar von Arnim-Kröchlendorff. Nach ihrer Hochzeit 1844 bezogen sie dessen Gut Kröchlendorff in der Uckermark. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

    Otto von Bismarck und seine Schwester tauschten sich in zahlreichen Briefen über Privates und Politik aus. Beide ähnelten einander: Sie galten als klug und rational, aber auch als spöttisch und zuweilen exzentrisch. Anders als ihre Schwägerin Johanna von Bismarck legte Malwine von Arnim Wert auf ein attraktives und elegantes Auftreten in der adeligen Gesellschaft. In Kleidungsfragen empfahl Otto von Bismarck sie seiner Ehefrau als Vorbild und Ratgeberin.

     Malwine von Arnim FunkeMalwine von Armin, geborene von Bismarck, Zeichnung nach einem Gemälde von Eduard Magnus, 1848, erschienen in: Dr. Alfred Funke, Das Bismarck-Buch des deutschen Volkes, erster Band, Leipzig 1921 (gemeinfrei)