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Zum Tod von Otto Graf LambsdorffAuf dem Titel der „gekauften Republik“
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Lambsdorff war einer der Hauptakteure des ersten großen Spendenskandals in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Zeithistoriker nennen den Flick-Skandal heute einen wichtigen Schritt zum Erwachsenwerden der Bundesrepublik. Die Zeitgenossen sahen das freilich anders. Die „gekaufte Republik“ wurde zum Etikett der vermeintlichen Verquickung von Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik, Lambsdorff stand auf dem Titelbild.

Mitte der 70er-Jahre hatte der Flick-Konzern Aktien im Wert von rund zwei Milliarden Mark verkauft. Der Erlös musste nicht versteuert werden, weil das Geld reinvestiert wurde und das Wirtschaftsministerium diese Aktion als „volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig“ deklarierte. Später stellte sich heraus, dass Lambsdorff zur selben Zeit Spendengelder vom Flick-Konzern erhalten hatte. Der naheliegende Verdacht: Die Steuerbefreiung war gekauft worden.

Kein Beweis für Korruption


Der Skandal sog nicht nur Lambsdorff und die FDP ein, sondern – und nicht in geringerem Maße – Union und SPD. Lambsdorffs Ruf als Marktradikaler, der seinen Ausdruck im Titel „Marktgraf“ fand, machte ihn für die öffentliche Meinung noch angreifbarer als es seine nachgewiesene Verstrickung ohnehin schon tat. 1987 wurde er wegen Steuerhinterziehung zu einer Strafe von 180 000 Mark verurteilt. Dass er sich tatsächlich korrumpieren ließ, dafür fehlten die Beweise.

Die Affäre ließ Lambsdorff keineswegs ins politische Abseits geraten. Er blieb Mitglied des Bundestages, ein Jahr nach seiner Verurteilung wählte ihn die FDP zu ihrem Bundesvorsitzenden, was er bis 1993 blieb. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands bemühte er sich insbesondere um die Integration der wenigen verbliebenen DDR-Liberalen und den Aufbau von Parteistrukturen in Ostdeutschland. Nicht der Parteivorsitz nötigte ihm diese Arbeit ab, sondern der persönliche Antrieb. In Berlin und Brandenburg war Lambsdorff aufgewachsen, bis er 1944 in den Krieg ziehen musste.

Umstritten und bewundert steht Lambsdorff für den Teil deutscher Geschichte der mit „Bonner Republik“ apostrophiert wird. Vielleicht hatte er das selbst erkannt, vielleicht ahnte er, welche Zäsur dem politischen Klima bevorstand, als es mit dieser Republik zuende ging. Den Umzug von Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin machte Lambsdorff nicht mehr mit. 1998 schied er aus dem Bundestag aus.

Seine spitzen Kommentare und schnörkellosen Analysen waren auch nach dem Ende seiner politisch aktiven Zeit gefragt. Anerkennung fand er über die Parteigrenzen hinweg. Bundeskanzler Schröder machte ihn 1999 zum Bundesbeauftragten für die Verhandlungen über Art und Höhe der Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter. Umgekehrt machte auch Lambsdorffs Freigeist keinen Halt vor Parteigrenzen. Erst im vergangenen November hatte er die FDP aufgerufen, auf die Verteilung „unüberlegt in den Koalitionsvertrag hineingeschriebener Geschenke“ zu verzichten. Und warnte vor einem „Schuldenrausch statt Konsolidierung“.

Lambsdorff war ein Wirtschaftsweiser ehrenhalber. Doch sein Interesse war breiter gefächert. Den Amerika-Experten und Japan-Liebhaber trieben die Menschenrechte und deren Missachtung gleichsam um. Eines war Lambsdorff nicht. Er war kein kumpelhafter Politiker, der Männern auf die Schulter klopfte und Babys vor den Kameras küsste. Nach eigener Aussage hatte er es auf diese Art in der eigenen Partei gerade einmal auf einen Duzfreund gebracht, nämlich Hans-Dietrich Genscher. Vielleicht war es diese Art, die viele als aristokratische Attitüde missverstanden.

Am Samstag – kurz vor seinem 83. Geburtstag – starb der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff in einem Krankenhaus unweit seines Wohnortes Bad Münstereifel.

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