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Wie unterscheidet man Original und Fälschung?

Quelle: LKA
Beinah jedes zweite Kunstwerk ist gefälscht, behaupten Kriminalisten. Um auf diesen Missstand hinzuweisen, öffnet jetzt das Landeskriminalamt Stuttgart sein Depot und zeigt rund 200 Kunstblüten von Pablo Picasso bis Andy Warhol.

Was Besucher in Museen andächtig bestaunen oder auf dem Kunstmarkt für viel Geld erwerben, ist nicht unbedingt echt. Denn Experten gehen davon aus, dass 40 bis 60 Prozent aller Kunstwerke gefälscht sind. Sie schätzen den Schaden, der dadurch entsteht, pro Jahr auf mehrere Milliarden Euro. Besonders beliebt sind bei Fälschern Werke von Marc Chagall, Salvador Dalí, Joan Miró, Pablo Picasso und den deutschen Expressionisten wie beispielsweise Erich Heckel und Otto Dix. Aber auch die Zeitgenossen wie Sigmar Polke und der Held der Pop-Art, Andy Warhol, bleiben nicht verschont.


Diesen Riesenbetrug deckt die Ausstellung "Wa(h)re Lügen" auf, die jetzt das Graphikmuseum Pablo Picasso in Münster und anschließend die Galerie Albstadt in der Nähe des Bodensees in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt in Stuttgart zeigt. Dass die 200 aus dem Verkehr gezogenen Fälschungen aus dem Besitz des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg in der Provinz und nicht in einer deutschen Metropole gezeigt werden, ergibt Sinn. Denn auch die Fälscher suchen nicht das Scheinwerferlicht, um ihre Falsifikate abzusetzen.

Wo die gefälschten Kunstwerke verkauft werden

Sie agieren zumeist da, wo die Käufer auf große Namen abfahren, aber wenig Erfahrung haben. Das können Ferienanlagen oder Kreuzfahrtschiffe sein oder eben Verkaufsausstellungen in der Provinz. Und so ist der Spezialist in Sachen Fälschung, Kriminalhauptkommissar Ernst Schöller, auch nicht unbedingt auf den großen Messen wie der Art Basel oder der Art Cologne auf der Pirsch nach gefälschtem Kunstgut. Er ermittelt unauffällig in für Kunstausstellungen vermieteten Stadt- und Sporthallen. Mit seinen vier Kollegen durchforstet er Auktionskataloge und beobachtet den Kunsthandel.

Etwa 1000 Fälschungen konnte er in seiner sechsjährigen Tätigkeit für eine "Lehrsammlung" sicherstellen. Die soll nun nicht mehr nur der Polizeiarbeit vorbehalten sein, sondern den kriminalistischen Spürsinn der Museumsbesucher anstacheln, um das Auge zu schulen und möglicherweise Schaden zu begrenzen. Zu diesem Zweck wurden im Graphikmuseum Pablo Picasso die falschen und echten Blätter nummeriert, sodass sie nur anhand eines am Eingang ausgehändigten Handzettels zu identifizieren sind.

Als Museumsdirektor Markus Müller die echten Exponate aus dem eigenen Bestand mit den zum Teil täuschend echten Fälschungen an den Wänden hängen sah, erschrak er. "Auch als Fachmann kann man sich täuschen lassen", wundert er sich. "Der Unterschied zwischen Fälschung und Original ist, dass die Fälschung meistens authentischer ist als das Original", zitiert der Museumsmann den Philosophen Ernst Bloch. "Denn gute Kunstfälscher, machen selten Fehler", sagt Müller. Da stimme fast alles - die Signatur, die Nummerierung der Blätter, der Strich, die Farbe und der Farbauftrag.

Manchmal sind es nur kleine Abweichungen vom Original, die eine Fälschung verraten. Das bietet sich an, denn viele der großen Künstler haben ihre Motive häufig variiert. So wie beispielsweise der belgische Surrealist René Magritte. Von seinem Gemälde "Reproduktion verboten" gibt es zwei Versionen. Eine hängt im Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam und die andere in der Edward James Foundation im englischen Sussex. Warum sollte also nicht noch eine dritte Version existieren von dem Mann, der sich im Spiegel betrachtet und dort seine Rückenansicht sieht?

Der Fälscher lässt selber fälschen

Werden die Namen der meisten Fälscher in der Schau verschwiegen, trumpft man im Fall Magritte mit einem Star unter den Fälschern auf. Konrad Kujau ist durch die Fälschung der Hitler-Tagebücher in die Geschichte eingegangen. Nachdem er enttarnt wurde, verkaufte er seine Kunstfälschungen in seiner "Galerie der Fälschungen" in Stuttgart mit der eigenen Signatur. Aber wer dort einen "echten" Kujau erwarb, wurde doppelt betrogen.

Die Gemälde nach Motiven von Picasso und anderen berühmten Malern fertigte Kujau nicht einmal mehr selbst von Hand an, sondern ließ sie in China produzieren.

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Die Ausstellung will die Fälscher natürlich nicht feiern, sondern vor allem das Interesse auf den Schaden lenken. Und der ist beträchtlich, wie das dokumentierte Fallbeispiel des New Yorker Verlegers Léon Amiel zeigt. Erste Spuren in Baden-Württemberg mit fragwürdigen Grafiken von Salvador Dalí führten über Südfrankreich, die Schweiz, Schweden und Dänemark nach Amerika. 1991 konnten in New York dann 86 000 Amiel-Fälschungen von Dalí, Miró, Picasso und Chagall im Wert von rund 1,8 Milliarden Dollar in einer Lagerhalle sichergestellt werden. Wie man im Katalog nachlesen kann, wurden Amiel-Fälschungen weltweit vertrieben und sind bis heute teilweise noch im Handel mit Preisen bis zu 25 000 Euro für eine Grafik von Miró, sagt Kommissar Schöller.

Die Rache an der Kunstwelt

Der didaktische Ansatz der Ausstellung mit warnenden Anleitungen zum Kunstkauf kann jedoch nicht verhehlen, welch schillernde Persönlichkeiten als Kunstfälscher aktiv waren. Kujau gehört dazu ebenso wie Han van Meegeren. Er täuschte Museumsdirektoren und Experten in aller Welt mit einer Reihe von Gemälden des holländischen Genies Jan Vermeer. Sein Antrieb war die Rache an der Kunstwelt, die sein Werk belächelte. Der Brite Eric Hebborn galt als einer der genialsten Kunstfälscher. Er spezialisierte sich mit stupender Könnerschaft auf Alte Meister. Hebborn machte nicht einmal halt davor, sein handwerklich-technisches Wissen sowie seine Kenntnis über die großen Maler und Zeichner der Vergangenheit in seinem "Kunstfälschers Handbuch" preiszugeben. Kurz nach Erscheinen der italienischen Ausgabe kam er 1996 unter ungeklärten Umständen in Rom ums Leben.


Ein Unikum unter den Fälschern war auch der Berliner Edgar Mrugalla. Ganz gleich ob Picasso, Rembrandt, Matisse, der legendäre Kunstfälscher der deutschen Nachkriegsgeschichte hatte alles drauf. Er war stolz darauf, dass in der Hamburger Kunsthalle ein Gemälde von seiner Hand mit der Signatur des deutschen Impressionisten Max Liebermann unentdeckt zwischen anderen Meisterwerken hing. Schätzungsweise 3000 falsche Gemälde hat er in Umlauf gebracht - von denen hat die Kunstwelt mehr Notiz genommen als von seinen eigenen etwa 18 000 Bildern.

Kommissar Schöller bleibt den Betrügern auf den Fersen. Was immer der Kriminalbeamte aufspürt und beschlagnahmen kann, ist demnächst in einer Datenbank abzurufen - die soll den Fälschern schneller das Handwerk legen.

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