Oberaudorf: Vom Heiler-Eremiten und dem Gasthaus „Weber an der Wand“
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Vom Heiler-Eremiten in Oberaudorf und dem Gasthaus „Weber an der Wand“

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Die Diskussionen rund um die am Fels liegende Gaststätte „Weber an der Wand“ in Oberaudorf gehen weiter.
Verkauf, Teilnutzung oder Wiederbelebung? Die Diskussionen rund um die am Fels liegende Gaststätte „Weber an der Wand“ in Oberaudorf gehen weiter. © Schmidt

Unsere Region bietet seit jeher Stoff für Geschichten, die sich um die Berge, die Landschaft und die Bewohner drehen. OVB24.de hat für Euch die spannendsten Sagen und Legenden zusammengefasst. Heute: Der Einsiedler von Oberaudorf und der „Weber an der Wand“.

Oberaudorf – Ungefähr dort, wo heute die Gaststätte „Zum Weber an der Wand“ steht, lebte einst ein Einsiedler kurz vor dem Burgtor von Oberaudorf.

Die Einwohner von Oberaudorf waren damals recht froh darüber, dass ein so frommer Mann in der Nähe wohnte. Der Einsiedler war bewandert darin, Mensch und Tier von Krankheiten zu heilen. Um den Menschen mit ihren Leiden helfen zu können, sammelte er heilende Kräuter, Wurzeln und Blätter. Vor seiner Klause hatte er auch ein Kräutergärtchen angelegt. Wann immer ein Familienmitglied oder ein Haustier erkrankte, kam der Eremit mit seinen passenden Kräutermixturen zu Hilfe.

Als Gegenleistung gaben die Oberaudorfer ihm, was auch immer er an Lebensmitteln benötigte. So hatte er meistens einen kleinen Vorrat in seinem Felsenkeller. Wenn dieser aber dem Ende entgegenging, läutete der Einsiedler eine Glocke. Den Klang hörte man dann vom kleinen Holzturm der Klause bis in das Dorf. Die Einwohner wussten daher Bescheid, wenn er neue Lebensmittel benötigte.

Einsiedler läutet sich selbst die Totenglocke

Einmal begab es sich also, dass der alte Einsiedler seine Glocke mal wieder läutete. Daraufhin gingen ein paar Oberaudorfer zu ihm hinauf, um nachzusehen, was er brauche. Als die Dorfbewohner aber die Zelle betraten, sahen, sie, dass der Eremit leider verstorben war. Auf seinem spärlichen Lager gebettet hielt er in seinen kalten Händen noch den Glockenstrick. Er hatte es noch geschafft, sich selbst die Totenglocke zu läuten.

Nachdem der fromme Mann gestorben war, wurde das Grundstück von einem Webermeister namens Seywald erworben. 1817 begann er dort, seinen Webstuhl in Betrieb zu nehmen. Unter dem gewaltigen Felsen baute er sich mit viel Geschick ein Haus an die Felswand, sodass er sich beim Bau die Rückwand seines Hauses und die Hälfte des Daches einsparen konnte. Nach einigen Jahren, in dem der Webermeister seinem Gewerbe nachgegangen war, erhielt er das Recht, dort eine Gaststätte zu eröffnen.

„Weber an der Wand“: Oberaudorfs Ursprung als Erholungsort

Gleichzeitig kennzeichnet diese Eröffnung der Gaststätte wohl den Beginn Oberaudorfs als Erholungsort. Schon bald erfreute sich der „Weber an der Wand“ großer Beliebtheit bei Leuten, die auf der Suche nach Erholung waren. Denn unter den schattigen Bäumen konnte man mit Blick auf den Wilden Kaiser bei gutem Essen und Trinken wunderbar die Seele baumeln lassen.

Am Hang vor dem Wirtshaus wurde zur Mühlauer Straße hinab ein kleiner Weingarten angebaut. Schlussendlich wurde der „Weber an der Wand“ weit über die Region hinaus so bekannt, dass dort auch Kaiser, Könige, Fürsten, Künstler, Dichter und Gelehrte einkehrten. Darunter war unter anderem 1827 Alexander I. von Russland, der anscheinend der Wirtin zwei Golddukaten schenkte, sowie König Ludwig I. und König Max II. und Prinzregent Luitpold von Bayern. Auch die Grafen Kobell, Pallavicini und Pocci oder die Dichter bzw. Künstler Ludwig Steub und Schraudolph aus München und der Erfinder der Deutschen Kurzschrift, Franz Xaver Gabelsberger beehrten das Lokal. Letzterer schrieb ein paar Versen – natürlich in Stenografie – ins Gästebuch bei seinen Besuchen beim „Weber an der Wand“:

Gern bin ich auf dem Land und was ich da empfand, das schreib‘ ich fröhlich nieder: Zum Häuschen an der Felsenwand, wo ich so schöne Blumen fand, macht‘ ich gerne jährlich wieder. (9. September 1845)

Franz Xaver Gabelsberger

Zwei später schrieb Gabelsberger nochmals:

… Bedeckt auch diesmal Schnee die Bergesspitzen und ist es etwas frostig hier zu sitzen, so bleibt doch schön der Blick ins Land beim alten Weber an der Wand.

Franz Xaver Gabelsberger

Noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war dieses in seiner Bauweise einmalige Gasthaus weit um sehr beliebt. So groß war der Andrang manchmal, dass am Sonntagmittag ein ganzes Kalb von der Wirtin Köglmeier gebraten wurde, um den Hunger der Gäste zu stillen.

Im Inntal geht nach wie vor der Spruch um:

Der Weber an der Wand, der steht in Gottes Hand: Rührt sich der Felsen nur ein bissel, fällt er dem Weber in d‘Suppenschüssel.

Spruch aus dem Inntal

fgr/Einmayr Max, Inntaler Sagen, Sagen und Geschichten aus dem Inntal zwischen Kaisergebirge und Wasserburg, Oberaudorf 1988, S. 15

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