Was paßt, das muß sich ründen, Was sich versteht, sich finden, Was gut ist, sich verbinden, Was liebt, zusammensein. Was hindert, muß entweichen, Was krumm ist, muß sich gleichen, Was fern ist, sich erreichen, Was keimt, das muß gedeihn. Gib traulich mir die Hände, Sei Bruder mir und wende Den Blick vor Deinem Ende Nicht wieder weg von mir. Ein Tempel – wo wir knien – Ein Ort – wohin wir ziehen Ein Glück – für das wir glühen Ein Himmel – mir und dir.
Novalis (1772 - 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
Quelle: Novalis, Gedichte. An Adolph Selmnitz
So wird sie auch fliehen die edle Seele Aus dem Erdenstaube entlastet dort zu Jenen höhern, bessern Gefilden reich an Seliger Ruhe und Freiheit.
Novalis (1772 - 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
Quelle: Novalis, Gedichte. Aus: An den Tod
Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt, Doch keins von allen kann dich schildern, Wie meine Seele dich erblickt. Ich weiß nur, daß der Welt Getümmel Seitdem mir wie ein Traum verweht, Und ein unnennbar süßer Himmel Mir ewig im Gemüte steht.
Novalis (1772 - 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
Quelle: Novalis, Geistliche Lieder, 1802. XV.
Es färbte sich die Wiese grün Und um die Hecken sah ich blühn, Tagtäglich sah ich neue Kräuter, Mild war die Luft, der Himmel heiter. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Und immer dunkler ward der Wald Auch bunter Sänger Aufenthalt, Es drang mir bald auf allen Wegen Ihr Klang in süßen Duft entgegen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Es quoll und trieb nun überall Mit Leben, Farben, Duft und Schall, Sie schienen gern sich zu vereinen, Daß alles möchte lieblich scheinen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. So dacht ich: ist ein Geist erwacht, Der alles so lebendig macht Und der mit tausend schönen Waren Und Blüten sich will offenbaren? Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Vielleicht beginnt ein neues Reich – Der lockre Staub wird zum Gesträuch Der Baum nimmt tierische Gebärden Das Tier soll gar zum Menschen werden. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Wie ich so stand und bei mir sann, Ein mächtger Trieb in mir begann. Ein freundlich Mädchen kam gegangen Und nahm mir jeden Sinn gefangen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Sie ging vorbei, ich grüßte sie, Sie dankte, das vergeß ich nie – Ich mußte ihre Hand erfassen Und Sie schien gern sie mir zu lassen. Ich wußte nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Uns barg der Wald vor Sonnenschein Das ist der Frühling fiel mir ein. Kurzum, ich sah, daß jetzt auf Erden Die Menschen sollten Götter werden. Nun wußt ich wohl, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah.
Novalis (1772 - 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
Quelle: Novalis, Gedichte. Es färbte sich die Wiese grün
Wenn ich ihn nur habe, Wenn er mein nur ist, Wenn mein Herz bis hin zum Grabe Seine Treue nie vergißt: Weiß ich nichts von Leide, Fühle nichts, als Andacht, Lieb und Freude.
Novalis (1772 - 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
Quelle: Novalis, Geistliche Lieder, 1802. V.
Auf Freunde herunter das heiße Gewand Und tauchet in kühlende Flut Die Glieder, die matt von der Sonne gebrannt, Und holet von neuem euch Mut. Die Hitze erschlaffet, macht träge uns nur, Nicht munter und tätig und frisch, Doch Leben gibt uns und der ganzen Natur Die Quelle im kühlen Gebüsch. Vielleicht daß sich hier auch ein Mädchen gekühlt Mit rosichten Wangen und Mund, Am niedlichen Leibe dies Wellchen gespielt, Am Busen so weiß und so rund. Und welches Entzücken! dies Wellchen bespült Auch meine entkleidete Brust. O! wahrlich, wer diesen Gedanken nur fühlt, Hat süße entzückende Lust.
Novalis (1772 - 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
Quelle: Novalis, Gedichte. Badelied
Die Lieb ist frei gegeben, Und keine Trennung mehr. Es wogt das volle Leben Wie ein unendlich Meer. Nur eine Nacht der Wonne – Ein ewiges Gedicht – Und unser aller Sonne Ist Gottes Angesicht.
Novalis (1772 - 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
Quelle: Novalis, Gedichte. Hymnen an die Nacht, 1797-1800. Aus: 5. [Über der Menschen weitverbreitete Stämme]
Die mich einst mit Schmerz gebar, Doch mit Mutterfreuden – Da ich noch ein Knäblein war, Vieles mußte leiden, Stets mich doch mit Sorg gepflegt Und mit Angst und Mühe, Und mich oft noch huldreich trägt: Siehe, wie ich blühe. Und ein Liedchen singe ich Dir voll Dank und Freude. Nimm es an und freue dich, Höre, was ich heute Wünsche dir voll Dankbarkeit: Lebe uns zufrieden Lange noch; was dich erfreut, Müsse dich hinnieden Stets beglücken; ohne Rast Blühen deine Wangen Von Gesundheit, Sorgenlast Möge dich nicht fangen. Und mit froher Munterkeit Werd des Alters Beute, Schau der Kinder Seligkeit, Sieh, dies wünsch ich heute.
Novalis (1772 - 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
Quelle: Novalis, Gedichte. An meine Mutter
Zauber der Erinnerungen, Heilger Wehmut süße Schauer Haben innig uns durchklungen, Kühlen unsre Glut. Wunden gibt's, die ewig schmerzen, Eine göttlich tiefe Trauer Wohnt in unser aller Herzen, Löst uns auf in Eine Flut. Und in dieser Flut ergießen Wir uns auf geheime Weise In den Ozean des Lebens Tief in Gott hinein; Und aus seinem Herzen fließen Wir zurück zu unserm Kreise, Und der Geist des höchsten Strebens Taucht in unsre Wirbel ein.
Novalis (1772 - 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
Quelle: Novalis, Heinrich von Ofterdingen, 1802 (posthum). Tiecks Bericht über die Fortsetzung
Hinunter die Pfade des Lebens gedreht Pausiert nicht, ich bitt euch so lang es noch geht Drückt fester die Mädchen ans klopfende Herz Ihr wißt ja wie flüchtig ist Jugend und Scherz. Laßt fern von uns Zanken und Eifersucht sein Und nimmer die Stunden mit Grillen entweihn Dem Schutzgeist der Liebe nur gläubig vertraut Es findet noch jeder gewiß eine Braut.
Novalis (1772 - 1801), eigentlich Georg Philipp Friedrich Leopold Freiherr von Hardenberg, deutscher Lyriker
Quelle: Novalis, Gedichte. Walzer