Mysteri�se, bedrohliche Ereignisse st�ren die Ruhe der Hubers, die sich abgekapselt haben in ihrer abgeschiedenen Villa. Das seit langem verheiratete Paar wird mit alter Schuld konfrontiert. „Nie mehr wie immer“ ist mehr Beziehungs-Drama als eine Trag�die mit Psychothriller-Touch, erz�hlt bed�chtig und in beklemmender Atmosph�re von L�gen, Unausgesprochenem und dem erzwungenen Ende des Schweigens. Intensives Zusammenspiel von Franziska Walser und Edgar Selge. Gelungene Inszenierung aus dem Blickwinkel eines isolierten Paars, das in seiner eigenen Innen-Welt zu leben scheint. Bisweilen aber wirkt das bedeutungsschwere Metaphernspiel, das mit den Elementen getrieben wird, �bertrieben.
In einer h�bschen Villa am See leben Melanie (Franziska Walser) und Walter Huber (Edgar Selge). Sie leidet unter Migr�ne, geht nur mit Sonnenbrille vor die T�r und besch�ftigt sich mit Glasmalerei im eigenen Garten-Atelier. Er arbeitet in einer Versicherung, erledigt die Eink�ufe und k�mmert sich um die Geldgesch�fte. Ein lange miteinander verheiratetes Paar, das in getrennten Zimmern schl�ft, sich eingerichtet hat in der Routine der Beziehung und dar�ber nicht ungl�cklich scheint. Man geht freundlich und sanft miteinander um.
Foto: HR / Bettina M�llerEine alte Schuld dr�ngt an die Oberfl�che... Edgar Selge und Franziska Walser
Allerdings geschehen beunruhigende Dinge: Melanie glaubt, einen Einbrecher im Haus gesehen zu haben. Bei der gemeinsamen Suche sto�en sie auf eine offene Gartent�r, aber auf keinen Fremden. Walter beruhigt seine Frau, scheint aber selbst besorgt zu sein, ob in seinem Arbeitszimmer alles am rechten Platz ist. In der Schublade seines Schreibtischs hat er eine Zeitung aufgehoben. Die rot umkreiste �berschrift eines Artikels lautet: „Frau stirbt bei Wohnungsbrand“. Sp�ter beobachtet Melanie mit dem Fernglas eine Frau, die an einem Baum in der N�he lehnt und zum Haus blickt. Als sie hinl�uft, ist die Frau verschwunden, daf�r h�ngt am Baum ein Zettel, auf dem steht: „Brennen sollst du“. Walter wird au�erdem von einem Mann mit dem Auto verfolgt. Dies geschieht keineswegs heimlich, vielmehr zeigt sich der Unbekannte ganz ungeniert. Walter ist das unangenehm, doch er unternimmt nichts.
Die Handlung bewegt sich auf zwei Ebenen: Da ist zum einen die festgefahrene, sich selbst gen�gende Ehe. Zum anderen – eher untergeordnet – geht es in einer Art Trag�die mit Krimi-Touch um eine vergangene Schuld, die nun langsam ans Tageslicht dr�ngt. Beides verkn�pft das Drehbuch in bed�chtigem Tempo und in einer Atmosph�re wachsender Beklemmung. Welches Geheimnis verbirgt Walter? Was ist in all den Jahren der Partnerschaft unausgesprochen geblieben? Nach und nach stellt sich heraus, dass die bei einem Brand verstorbene Frau Selbstmord begangen hat – und die Tochter der ehemaligen Haush�lterin der Hubers war. Der Film beschr�nkt sich ganz auf die Perspektive des isolierten Ehepaars, das nur die n�tigsten Kontakte unterh�lt. Die Inszenierung arbeitet wirkungsvoll diese Zweiteilung in Innen- und Au�en-Welt heraus. Obwohl als realistisches Drama angelegt, erscheinen Figuren und Handlungs-Ort zum Teil surreal. Die h�bsche Villa als Gef�ngnis, mit einem See davor, dessen Gew�sser so tot zu sein scheint wie die gespensterhaften Haus-Bewohner.
Foto: HR / Bettina M�llerNicht ohne Sonnenbrille. Melanie (Franziska Walser) leidet unter Migr�neanf�llen
Zu dieser Stimmung tr�gt auch das Spiel mit Symbolen und Metaphern bei. Manches ist arg offenkundig: Wenn zwei Modellflugzeuge zusammenkrachen und brennend(!) in den See fallen, wenn also Unheil und Unruhe die vermeintliche Harmonie st�ren, setzt es bei Melanie den n�chsten Migr�ne-Anfall. Und dass man ihre Lichtempfindlichkeit auch als Bild f�r die Blindheit in der eigenen Beziehung deuten kann, liegt ohnehin auf der Hand. „Schatten“ lautete der Arbeitstitel des Films, und Melanie ist auf eine sehr traditionelle Weise die Schattenfrau, die Licht und Au�enwelt scheut. Den Ehemann hat ihr reicher Vater ausgew�hlt, Walter sollte auch sein Nachfolger in der Firma werden. Und bis heute versp�rt Melanie nicht den Wunsch auszubrechen. Ihr gen�gt das Spiel mit dem Licht bei der Glasmalerei. Wenn sie von der „gro�en Leuchtkraft“ der neuen Farben schw�rmt, offenbart sich wom�glich eine verborgene Sehnsucht nach Freiheit, aber nicht einmal die Ausstellung der eigenen Objekte in einer Galerie schaut sie sich an. Und nie hat es geklappt mit dem gemeinsamen Konzertbesuch mit Walter, wegen der Migr�ne. „Du warst das ganze Leben lang hier?“, fragt entgeistert die Freundin des erwachsenen Sohnes, die beide zu Walters Geburtstag zu Besuch kommen. Offenbar hat Melanie das Grundst�ck schon seit Ewigkeiten nicht mehr verlassen.
Das alles erscheint verstaubt und gespenstisch, doch Franziska Walser spielt diese Melanie nicht als Frau, die nicht von dieser Welt w�re. Sondern konsequenterweise als gl�ckliche Ehefrau, die nichts vermisst und unter nichts leidet, abgesehen von der Migr�ne. Sie hat auch, im Gegensatz zu Walter, Lust auf Sex. Melanie ist die treibende Kraft. „Hast du dir unser Leben so vorgestellt?“, fragt sie. Es klingt interessiert und gar nicht zweifelnd. Walser �berzeugt darin, diese nicht gerade emanzipierte Frau dennoch nicht unmodern oder bodenlos naiv wirken zu lassen. Etwas �berfordert scheint sie in einer Situation, in der sie auf ihren Mann losgehen muss. Was auch an Buch und Inszenierung liegt: Zu viele S�tze, zu viel gek�nstelte Wut. Ob es gl�cklich ist, die Hubers mit einer Frau und einem Mann zu besetzen, die auch im realen Leben ein Paar sind, liegt im Auge des Betrachters. Die alberne Frage an Schauspieler, wieviel denn von ihrer Darstellung mit der eigenen Wirklichkeit �bereinstimmt, ist auch f�r eine Betrachtung dieses Films irrelevant. Hier agieren zwei professionelle Schauspieler, und Selge und Walser harmonieren gut, sowohl in der Intimit�t als auch in der Fremdheit, die sich aus der Beziehungs-Routine und dem Unausgesprochenen ergibt.
Foto: HR / Bettina M�llerEs geschehen beunruhigende Dinge im Haus der Hubers. Mehr Drama als Mystery?
W�hrend Melanie das Licht scheut, hat Walter mit Hitze zu k�mpfen. „Brennen sollst du“, stand auf dem Zettel; Walter deutet das als „Fluch“. Und diesem leisen Mystery-Touch muss Selges Figur nun folgen. Walter scheint innerlich zu verbrennen. Immerzu muss er Wasser trinken oder sich im See abk�hlen. Das ist eine Weile originell, manchmal aber auch unfreiwillig komisch. Wenn er beim Essen schwer zu atmen beginnt, bef�rchtet Melanie folgerichtig, das Gulasch sei zu scharf. Man darf annehmen, dass Selge die innere Qual Walters auch ohne solch bedeutungsschweres Spiel mit den Elementen zum Ausdruck gebracht h�tte. Und dass der flotte Refrain von Bennes Titelsong „Nie mehr wie immer“ �ber die ernsten letzten Dialogs�tze hinwegfegt, ist ein erstaunlich plumpes Ende f�r ein ansonsten mit Musik zur�ckhaltendes Beziehungsdrama. (Text-Stand: 11.12.2014)
Thomas Gehringer, freiberuflicher Journalist aus K�ln, schreibt f�r epd medien, den "Tagesspiegel" und andere regionale Tageszeitungen, Mitglied in Jurys und Nominierungskommissionen des Grimme-Preises.