Nastassja Kinski über ihre Mutter, den frühen Erfolg, die frühe Liebe zu Roman Polanski und das Glück mit ihren drei Kindern: Ich führe ein ziemliches Hausfrauen- dasein

Ich führe ein ziemliches Hausfrauen- dasein

Nastassja Kinski, Sie sind inzwischen hauptberuflich Mutter Ihrer drei Kinder Kenya, Aljosha und Sonya im Alter zwischen 12 und 21 Jahren, und Sie schreiben an Ihrer Autobiografie. Haben Sie mit Hollywood abgeschlossen?Wissen Sie, ich habe es all die Jahre so sehr vermisst, zu Hause zu sein, Essen zu kochen und meinen Kindern Geschichten vorzulesen, dass es mich fast krank gemacht hat - und jetzt, wo ich genau das die letzten zwei Jahre getan habe, macht mir der Gedanke Angst, all das wieder zu verlieren. Ich weiß nicht genau, wie ich meine Arbeit mit meinem Job als Vollzeitmutter integrieren kann. Und auch wenn ich mit einigen Leuten, unter anderem John Malkovich, über noch nicht spruchreife Filmprojekte im Gespräch bin, habe ich noch einige andere Ideen außerhalb der Filmerei. Ich würde gern eine Dokumentationsreihe namens "Close-Up" über interessante Menschen drehen, ich arbeite derzeit an einem Muster. Und ich schreibe an meiner Autobiografie, was ziemlich schwierig ist.Vielleicht, weil Sie ein schwieriges Leben hatten. Als Sie so alt waren wie Ihre jüngste Tochter Kenya heute ist, waren Sie bereits Filmstar und Ernährerin Ihrer Familie. Haben Sie das Gefühl, vorzeitig erwachsen geworden zu sein?Ich hatte damals eher das Gefühl: Es wird Zeit, dass ich das machen kann. Wir lebten in einer Münchner Kommune - in einem Wohnwagen mit einem Mann, mit dem meine Mutter zusammen war und der für mich eine Vaterfigur darstellte, der aber ebenfalls nichts hatte. Das fand ich nicht gut, und als ich anfing zu arbeiten, bin ich mit meiner Mutter umgezogen, in eine kleine saubere Wohnung, die wir zusammen gesucht haben.Was hat Ihre Mutter dazu gesagt, dass ihre Zwölfjährige die Initiative ergreift?Wir haben nicht viel darüber geredet. Ich glaube, sie war damals nach der Trennung von meinem Vater ziemlich verzweifelt. Es war einfach okay.Ihre Kindheit war extrem - erst hatten Sie als Tochter des Film-Exzentrikers Klaus Kinski alles, dann plötzlich nichts mehr. Wie haben Sie das erlebt?Es war nicht einfach. Als Kind will man ja nicht 50 Paar Schuhe haben und einen Rolls Royce und ein schwieriges Verhältnis zu den Eltern - obwohl ich mit meiner Mutter ja eine sehr enge Beziehung hatte. Natürlich habe ich mir die anderen Kinder angeschaut und gedacht, ich habe es vielleicht besser. Aber es war ganz schön hart, von diesem Vielen zum Nichts zu kommen..nachdem Ihr Vater Sie verlassen hatte, als Sie neun waren.Ja, sowas passiert ja. Ich habe nicht kapiert, dass meine Mutter plötzlich nichts mehr hatte, aber ich habe eben versucht, damit zu leben. Damals habe ich angefangen, arbeiten zu wollen, noch als Kind. Ich hatte meine Papiere und meinen Koffer und dachte mir, das geht einfach. Meine Mutter hatte nie zuvor gearbeitet, und als er uns verließ, ging es ihr nicht gut, sie konnte nicht arbeiten. Deswegen hatte ich immer im Kopf, mich um meine Mutter zu kümmern, schon als ich klein war.Aber waren Sie nicht mit neun Jahren noch ein bisschen zu jung dafür?Ja, aber es hat mich geradezu schockiert, dass ich das nicht einfach machen konnte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es anstellen sollte - also bin ich in Geschäfte gegangen und habe mir einfach Sachen genommen. Ich habe mich nicht einmal schlecht gefühlt dabei, ich dachte einfach: Wenn ich das nicht anders haben kann, muss ich es eben irgendwie nach Hause bringen. Es waren nicht nur Lebensmittel, sondern auch andere Dinge, von denen ich mich erinnerte, dass meine Mutter sie einmal hatte. Diese Dinge hat sie dann alle verkaufen müssen, und wir hatten nichts mehr. Also dachte ich mir irgendwann, jetzt muss sie einen Mantel haben und ein Collier, und so weiter - ich habe einiges aus den Geschäften mit nach Hause gebracht. Ich habe mich eben möglichst clever angestellt, um uns das trotzdem zu ermöglichen. Und manchmal auch nicht so clever.Sie sind erwischt worden.Ja. Ich war natürlich noch sehr jung. Ich habe eine Menge Briefe von der Polizei bekommen, aber wir haben die nie beantwortet, weil ich nicht wusste, wie man das macht.Am Ende sind Sie dafür sogar in den Knast gegangen.Ja, und zwar noch Jahre später! Ich glaube, ich hatte gerade einen Film mit Marcello Mastroianni abgedreht, und als ich nach Hause kam, war da die Polizei und holte mich ab und sperrte mich ein. Seltsamerweise fand ich es überhaupt nicht schrecklich - im Gegenteil, es war eine der interessantesten Erfahrungen meines Lebens. Und das, obwohl ich ja damals längst arbeitete und eigentlich inzwischen ein luxuriöses Leben gewohnt war. Damals im Gefängnis habe ich übrigens angefangen zu schreiben, ich habe wohl hunderte Seiten vollgeschrieben in dieser Zeit. Aber schlimm war es nicht. Ich wusste ja, dass ich nichts Schlimmes gemacht hatte - ich hatte das nur getan, weil ich musste. Und ich fand es auch okay, jetzt dafür zu bezahlen. Ich habe mit den Mädchen da drin sogar viele Freundschaften geschlossen. Wir wollten immer in Kontakt bleiben, aber wir haben uns leider aus den Augen verloren.Wie lange saßen Sie?Ich glaube es waren zweieinhalb oder drei Monate im Gefängnis, lange genug jedenfalls, dass ich meine Freundin, die mich schließlich abholte, bat, mir Schokolade mitzubingen. Ich habe mir ein Stück in den Mund gesteckt und die Augen geschlossen und es einfach nur genossen.Dabei hatte sich die kleine Diebin inzwischen längst zum internationalen Filmstar entwickelt.Ja, mit zwölf hatte ich angefangen zu arbeiten, in Wim Wenders' Film "Falsche Bewegung", und da war ich ziemlich stolz drauf. Allerdings: Wenn ich jetzt zurückdenke, war ich diesem Alter schon sehr viel und oft allein. Meine jüngste Tochter ist jetzt zwölf, und ich weiß immer, wo sie ist.Vor allem hatten Sie nach Ihren ersten Filmen schnell den Stempel der sinnlichen kleinen Nymphe weg. War das eine Belastung?Ich glaube, ich hatte damals einfach nicht genügend Führung und vielleicht auch nicht das nötige Selbstbewusstsein. Ich war irgendwie auf einer Mission: Okay, hier ist Arbeit, und heute mache ich eben dies, morgen das und dann jenes, es ging ja fast nonstop. Der Wenders-Film und Wolfgang Petersens "Reifezeugnis" haben dieses Image dann sehr geformt, und es gibt da schon Szenen, die würde ich meine zwölfjährige Tochter nie machen lassen - auch wenn es Wim war. Naja, und dann kamen eben die nächsten und sagten, guck mal so, und mach mal das, zieh mal dies an und das aus. Ich fand das innerlich schon ein wenig seltsam, aber ich dachte, so muss es wohl sein, damit ich weiter arbeiten kann. Als Kind versteht man das ja nicht so sehr, und schließlich kamen immer mehr Filme und Magazintitel.Waren Sie mit der seltsam exzentrischen Welt der Prominenz vielleicht auch schon heimlich vertraut, weil ja Ihr Vater darin lebte?Nein, weil wir mit meinem Vater ja nichts zu tun hatten. Er war kein Teil meines Lebens. Er war ja eine furchtbare Person - ich kann mich noch als kleines Kind an ihn erinnern, er war zu Hause immer so laut, und meine Mutter hat ständig geweint. Und als er ging, war das völlig okay für mich. Aber dass er sich dann überhaupt nicht um uns gekümmert hat, das war schrecklich. Ich habe ihn deswegen schlichtweg nicht mehr respektiert, und ich habe auch nichts mehr von ihm mitgekriegt.Es muss merkwürdig gewesen sein, dass Sie dennoch öffentlich dauernd mit ihm in Zusammenhang gebracht wurden.Wenn mich jemand auf meinen Vater ansprach, habe ich immer nur gelacht und gesagt: Das ist ein Witz.Ging mit Ihrer frühen Karriere stattdessen ein Mädchentraum in Erfüllung?Zum Teil ja, weil ich ja viel Aufmerksamkeit bekam. Aber es gab auch viele Menschen, die nicht gut zu mir waren. Erst als ich im Ausland bekannt wurde, wurden die Leute ein wenig respektvoller. Es war ein ziemliches Hin und Her. Aber es war ja mein Anfang, und ich bin auch sehr dankbar dafür.Sie haben ja immerhin auch vom Fleck weg mit großen Regisseuren zusammen gearbeitet: Wenders, Polanski, Mastroianni. Sind Sie stolz darauf?Diese Regisseure haben vermutlich etwas in mir gesehen, was für diese oder jene Rolle richtig war. Aber in meinen dunklen Momenten habe ich auch darüber nachgedacht, warum die mich jetzt nehmen, ob ich das überhaupt kann, und so weiter. Interessanterweise sind diese drei, vier Regisseure auch die, mit denen ich immer noch Kontakt habe. Polanski, aber auch Wim Wenders und Wolfgang Petersen waren die drei, die meine Kindheit in der Arbeit am stärksten geprägt haben und mich ins Erwachsenwerden geführt haben. Das hat mir sehr viel gegeben, nicht nur wegen der Filme, sondern auch vom Intellekt und der Freundschaft her, die wir hatten. Ich habe mich später oft mit ihnen über die Drehbücher beraten, die man mir anbot, und sie nach ihrer Meinung gefragt. Sie wurden zu so etwas wie der Familie, die ich nie hatte - eben nur über die ganze Welt verteilt. Das waren die paar Leute, auf die ich mich wirklich verlassen konnte.Mit einigen haben Sie nicht nur die Arbeit, sondern auch das Leben geteilt - besonders Polanski stand deswegen länger in der Schmuddel-Ecke. Über ihn haben Sie allerdings mal gesagt, er hätte Ihnen großen Respekt entgegengebracht.Ja, es war ganz anders, als viele Leute vielleicht denken wollten. Er war natürlich schon allein wegen seines Alters eine Vaterfigur für mich, aber auch jemand, der sehr an mir persönlich interessiert war - daran, was ich denke, was ich lese, ob ich auf mich achtgebe. Er sagte mir oft, ich müsse Verantwortung übernehmen. Das war für mich eine große Sache: dass jemand wirklich an mich glaubte und nicht nur auf die Fotos guckte. Es war zwar nicht immer leicht mit ihm, weil er einem eben so viel abverlangt, aber das hat mich überhaupt nicht gestört.Hat Sie denn der viele Klatsch gestört?Wissen Sie, viele Leute haben damals gesagt, ich sei Polanskis Tess gewesen. Aber das ist überhaupt nicht wahr. Ich musste endlos zu Probeaufnahmen erscheinen, monatelang, weil es ihm wahnsinnig wichtig war, dass das glaubwürdig ist. Und für ihn hatte dieser Film eine so große Bedeutung, weil er ihn mit seiner Frau hatte machen wollen, mit Sharon Tate, die Thomas Hardys Roman "Tess of the D'Urbevilles" sehr liebte. Insofern war diese Rolle für mich auch eine große Verantwortung.Auch eine Bürde?Nein, eher ein Geschenk.Auch Roman Polanski, dessen Eltern von den Nazis deportiert wurden, musste sich schon als Kind allein durchs Leben schlagen. Hat diese gemeinsame Erfahrung eine Rolle in Ihrer Beziehung gespielt?Möglicherweise schon. Für mich war es vielleicht einfach meine Bestimmung, das Leben meiner Mutter und mein eigenes zu retten. Wir waren ja beide viel allein in unserer Kindheit. Ich habe von Roman viel über seine Kindheit und Jugend erfahren, und ich habe ihn dafür immer unendlich bewundert. Seine Erzählungen haben mir ungeheuer viel vermittelt über die Courage und den Überlebenswillen von Menschen und über die Kraft, die dazu nötig ist. Er ist ein leuchtendes Beispiel für beides. Ich habe ihn wirklich sehr geliebt. Und ich war ihm sehr dankbar. Ich hoffe sehr, dass wir irgendwann noch einmal zusammen arbeiten.Stimmt es, dass Sie mit ihm eine besondere Vorliebe für Suppen teilen?Ja, Roman hat oft von Suppen geredet, und von der schweren Zeit in seiner Kindheit, wo er nichts zu essen hatte und fror. Und auch für mich war eine Suppe, wenn einem kalt war und man Hunger hatte, das Beste. Das ist wie eine Art Heilung. Manchmal, wenn ich sehr hungrig bin, bestelle ich mir drei verschiedene Suppen und nichts anderes.Haben Sie noch Kontakt zu Polanski?Ja, wir sehen uns manchmal alle. Seine Tochter ist genauso alt wie Kenya, meine Jüngste. Neulich habe ich mit meiner Tochter "Der Pianist" gesehen, und wir haben vor dem Poster am Kino Fotos von uns gemacht, und von der Riesenschlange davor, die haben wir ihm geschickt.Sie haben sich dem Hollywood-Zirkus weitgehend entzogen. Wie sieht Ihr Leben heute aus?Ich bin Mutter dreier Kinder und führe ein ziemliches Hausfrauendasein - ich schmökere mit meinen Töchtern in den Promi-Magazinen, sage: Wow, der sieht ja scharf aus, oder: Hat die das wirklich gesagt? Auch wenn ich überhaupt nicht weiß, ob das stimmt, was dort steht! Ich glaube, manche dieser Leute haben es wirklich schwer. Ab und zu mal gehen wir zu einer Premiere, aber wir führen ein völlig anderes Leben als früher.Sie leben mit Ihren Kindern in den USA, aber Sie sind in Deutschland, Italien, Frankreich, Venezuela, England und Amerika aufgewachsen. Wo ist heute Ihre Heimat?Ich bin in Berlin geboren, aber ich war nicht viel in Berlin in meinem Leben - vielleicht ein paar Mal. Meine Mutter ist dorthin zurückgezogen, und ich habe immer versucht, das Haus zu finden, wo ich einst mit meiner Großmutter als kleines Kind auf den Treppen saß. Heute habe ich nicht mehr viel Familie, nur meine Mutter, und sie ist leider so weit weg. Als ich nach der Trennung von meinem damaligen Mann mit meinen Kindern überstürzt aus Italien fortgezogen bin, habe ich keine Fotos mitgenommen, und seither habe ich keine Bilder mehr von meiner Mutter. Irgendwann habe ich in einer Zeitung dieses winzige Foto von uns gefunden, das eine Nachbarin gemacht hat, und habe es von einem Fotolabor vergrößern lassen. Genauso wie auf dem Foto erinnere ich mich an meine Mutter als Kind: Sie war eine Königin für mich. Es ist sehr schwierig, aber meine Heimat ist heute in den USA, weil meine Kinder hier sind. Zu Hause ist, wo die Familie ist, wo die Kinder sind.Sie sprechen vier Sprachen. In welcher Sprache schimpfen Sie?Auf englisch - und deutsch! Aber ich spreche im Allgemeinen mehr englisch, denn diese Sprache spreche ich, seit ich 15 bin. Ich schreibe auch Englisch, aber manchmal auch gemischt, weil manche Erinnerungen mir in Deutsch kommen. Und ein bisschen deutsch spreche ich ab und zu auch mit meinen Kindern - wir sagen zum Beispiel "tschüs", und wir singen manchmal Lieder wie "Guten Abend, gute Nacht".Hat die Mutterrolle Sie verändert?Total. Das Wichtigste im Leben steht direkt vor dir, and that's it. Mutter zu sein ist das Schwerste, weil das Leben so kompliziert ist. Aber es ist auch das Schönste auf der Welt. Ich wollte schon als ich klein war Kinder haben, ich habe mir oft eine Familie gemalt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich keine Kinder hätte. Das war für mich schon immer meine Bestimmung, das Wichtigste in meinem Leben.Ist das Älterwerden insgesamt für Sie eine gute oder eher eine beängstigende Erfahrung?Beides. Wenn man Kinder hat, macht man ja viel mit ihnen, man rennt rum, bringt sie zum Sport und zur Schule, und so weiter. Aber wenn man spürt, dass man körperlich nicht mehr so fit ist wie früher, dann kommt die Angst, dass was passiert. Ich werde zum Beispiel beim Autofahren leicht sehr müde, und das hatte ich früher nicht - da war ich so stark! Und dann fange ich an, mir Sorgen zu machen: Was ist, wenn was passiert? Dann überkommt mich manchmal die Angst, und das ist vielleicht das Schwierigste, was es zu bewältigen gibt: Die Angst, diese Unsicherheit mit dem Leben und dem Tod.Welche Vorstellung haben Sie vom Tod oder dem Leben danach?Ich glaube, die starke Verbindung, die man zu seiner Familie, zu seinen Kindern hat, die überdauert, das setzt sich fort. Mir kommt es vor, als könnte das gar nicht anders sein, dass das uns zusammenhält.Schließen Sie darin auch Ihren Vater ein?Nein. Ich möchte ihn nicht treffen. Niemals. Nicht, dass ich mich über seinen Tod gefreut habe. Aber ich dachte: Es ist an der Zeit. Es ist traurig, aber wahr. Manche Menschen fügen anderen so viele Verletzungen zu.Angeblich haben Sie keine Träne vergossen, als er gestorben ist. Stimmt das?Mein Gefühl der Trauer bezog sich eher darauf, dass ich es nie kannte, einen Vater zu haben. Dann war er plötzlich tot, und obwohl ich das ohne Probleme hinnehmen konnte, dachte ich doch: Das hätte mein Vater sein sollen. Aber er war es nicht, und wie werde ich jetzt jemals wissen, wie das ist?Sie tragen ein diamantenbesetztes Kreuz. Sind Sie gläubig?Ich war schon immer gläubig, aber auf meine Weise. Ich glaube, Jesus hat wirklich gelebt, und ich glaube an Engel und an Buddha und an alles, was allen Religionen gleich ist: Liebe, Gerechtigkeit, und dass wir hier sind, um das zu finden und es anderen weiter zu geben.Welche Werte hoffen Sie Ihren Kindern zu vermitteln?Die Bedeutung von Verantwortung, und die Freude, die es bereitet, Verantwortung zu übernehmen. Damit fühlt man sich erfüllt, glücklich, im Wachstum befindlich. Und ich möchte ihnen vermitteln, nicht aufzugeben, wenn es hart wird, egal, in welchem Bereich. Ich hoffe für meine Kinder, dass sie die Menschen finden, die sie unterstützen, und nicht denen zuhören, die sie fertig machen wollen, denn darin kann man sich leicht verlieren. Ich möchte, dass sie an sich glauben, denn ich konnte das früher nicht. Ich brauchte andere, die an mich glaubten. Nicht, dass ich gar nichts von mir gehalten hätte, aber ich war erst traurig, dann verwirrt und dann auf einer Mission, um zu überleben. Erst später habe ich Selbstvertrauen gefunden.Wo denn?Irgendwo in meinem Geist, in meinem Herzen, und in meinen Kindern. Da finde ich es, wenn ich morgens aufwache. Ich wache meist sehr früh auf, und dann denke ich und schreibe und halte mir die guten Dinge in meinem Leben und das, was ich erreicht habe, vor Augen. Denn ich bin ziemlich selbstkritisch und frage mich oft, warum ich dies oder das gemacht habe. Also konzentriere ich mich in einer Art Meditation jeden Morgen auf die guten Dinge, die ich erreicht habe - und auf die, die verbessert werden müssen.Gab es jemanden, der bei Ihrer Suche nach sich selbst eine entscheidende Rolle spielte?Vielleicht mein erster Freund, den ich hatte, als ich 14 war. Ich denke oft an ihn. Ich glaube, er hat mir viel Selbstvertrauen gegeben. Seine Name ist Christian, er war eineinhalb Jahre älter als ich und gehörte zu meiner Münchner Clique damals. Wir haben ständig die Filme unserer Kindheit ausgetauscht. Ich habe versucht, ihn zu finden, aber ich erinnere mich nicht mal mehr an seinen Nachnamen. Irgendjemand hat mir mal gesagt, er sei Anwalt geworden und habe eine Familie gegründet.Die Beziehungen zu den Vätern Ihrer Kinder sind gescheitert. Glauben Sie noch an die große Liebe?Es ist seltsam, weil hier in den USA viele Frauen so damit beschäftigt sind, auf Verabredungen zu gehen, um Männer kennen zu lernen. Ich habe dieses Bedürfnis überhaupt nicht. Aber ja, ich glaube daran, weil es Menschen gibt, die diese Liebe in ihrem Leben gefunden haben. Ich habe auch schon geglaubt, sie gefunden zu haben, aber das stimmte nicht. Es war nur vorübergehend. Dennoch wird eine Erinnerung an diese Zeit für immer in meinem Herzen wohnen.Welche Ansprüche haben Sie heute an einen Partner?Er muss ein guter Mensch sein. Manche Frauen finden dies und das sexy und anziehend, aber ich bin da ein bisschen anders. Für mich muss er in erster Linie ein Freund sein, der einem Gutes will, ein wirklich guter Mensch - kein fordernder, Eindruck schindender Typ, sondern eine respektvolle Person. Ich glaube übrigens, wenn man einen solchen Menschen finden will, muss man sich erst einmal darüber klar sein, dass man das auch verdient.Gibt es Momente in Ihrem Leben, die Sie bereuen?Ja, ein paar, auch wenn ich nicht gerade darüber verzweifele. Aber ich wünschte, ich hätte an einigen Punkten mehr Selbstvertrauen gehabt. Es stellte sich zwar irgendwie ein - immer dann, wenn es nicht mehr weiterging und ich mich retten musste, dann hatte ich plötzlich diese besondere Kraft. Wie heißt es so schön: Was mich nicht umbringt, macht mich hart. Aber das ist sehr, sehr anstrengend. Deswegen möchte ich jungen Menschen und besonders jungen Frauen sagen, dass sie das Beste verdienen. Es ist ihr Recht, Gutes zu erfahren und an sich zu glauben. Denn wenn man das nicht kann, kann vieles schief gehen.Könnten Sie einen Tag in den Schuhen eines anderen Menschen umherwandeln, wer wäre das?Es gibt einige. Aber wenn ich wählen müsste, wäre es meine Mutter. Weil ich sie gern verstehen würde. Und vielleicht könnte ich eine Kleinigkeit anders machen und den Dingen eine andere Richtung geben - oder ihr eine andere Kraft. Weil ich sie so sehr liebe.------------------------------Zur PersonNASTASSJA KINSKI wurde 1960 in Berlin geboren, ihr Vater ist der Schauspieler Klaus Kinski.1976 wurde sie von Wolfgang Petersen im Tatort "Reifezeugnis" eingesetzt, Kinski spielte in dem Klassiker eine Schülerin, die ihren Lehrer liebt.ZUR SELBEN ZEIT wurde sie von Roman Polanski für die französische "Vogue" fotografiert. Diese Bilder brachten ihr die Aufmerksamkeit der internationalen Filmwelt.ROMAN POLANSKI drehte mit ihr 1978/79 seinen Film "Tess". Für ihre Rolle erhielt sie einen Golden Globe. Zahlreiche Filme folgten, unter anderem spielte sie in Wim Wenders' "Paris Texas".MIT IHREN DREI Kindern lebt Kinski in Los Angeles.Das Gespräch erschien auch in der Zeitschrift Zoo.