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„Mit Kanonen auf Spatzen geschossen": Im Mobbing-Skandal ließ Nancy Faeser wohl Schönbohms Umfeld abhören
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Ex-Cyberabwehrchef klagt wegen Mobbings gegen Nancy Faeser
IMAGO/Bernd Elmenthaler

Ex-Cyberabwehrchef klagt wegen Mobbings gegen Nancy Faeser

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Der erzwungene Abgang von Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), wächst sich zu einem Medien- und Politskandal aus. Im Zentrum steht die Spitze des Bundesinnenministeriums rund um die Ressortchefin Nancy Faeser.

Recherchen von FOCUS online zufolge instrumentalisierte die SPD-Politikerin laut Aktenvermerken das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), um nach Munition für den Rauswurf des missliebigen Leiters der Cyber-Abwehrstelle mit seinen knapp 2000 Mitarbeitern zu suchen. Im Kern sollte der Inlandsnachrichtendienst den TV-Moderator Jan Böhmermann bestätigen.

Der Beitrag im ZDF Magazin Royale hatte dem damaligen BSI-Präsidenten mittelbar eine gefährliche Nähe zum russischen Geheimdienst vorgeworfen. In der Sendung wurde Schönbohm auch als Cyberclown verhöhnt. Ohne nähere Prüfung stellte Dienstherrin Faeser den BSI-Chef mit CDU-Parteibuch kalt. 

Geschasster Cyberabwehr-Chef reicht Klage gegen Faeser ein

Nach und nach aber stellten ihre Ministerialen fest, dass an der angeblichen russischen Geheimdienst-Connection nichts dran war. Obschon der geschasste Cyberabwehrchef schon früh in Berlin auf die Aufklärung der Vorwürfe drängte, ließen sich die Vorgesetzten monatelang Zeit. 

Im Herbst 2022 platzte der Bundesinnenministerin der Kragen. Auffällig gereizt im Ton, so ein Vermerk eines leitenden Mitarbeiters, forderte die Bundesinnenministerium belastende Fakten über den in Ungnade gefallenen BSI-Chef. So sehr sie auch drängelte – Martin von Simson, Chef der Zentralabteilung im Bundesinnenministerium (BMI), konnte in den Unterlagen über Schönbohm nichts finden, was eine Amtsenthebung hätte begründen können. 

Faeser zog daraufhin die Zügel an. Sie wies ihre Leute im BMI an, in Unterlagen der Bundesverfassungsschützer nach Hinweisen zu suchen, die Schönbohm angebliche Verbindung zu Russlands Geheimdiensten nachweisen könnten. Auch hier: Fehlanzeige. 

Doch der Inlandsdienst ließ nicht locker. BfV-Vizepräsidentin Felor Badenberg, heute Justizministerin in Berlin, verlängerte seinerzeit beispielsweise Observationsmaßnahmen gegen Bekannte Schönbohms, die dubiose Kontakte zu Putins Agent geknüpft haben sollen. So wurde angeblich unter anderem Hans-Wilhelm Dünn, Präsident des Vereins Cybersicherheitsrat, längere Zeit beschattet und offenbar auch abgehört.

„Die Frau Ministerin hat mit Kanonen auf Spatzen schießen lassen"

Ein hoher Beamter des BMI hielt diese Maßnahmen schon im Frühjahr für unverhältnismäßig. „Die Frau Ministerin hat total überzogen, sie hat mit Kanonen auf Spatzen schießen lassen. Dafür muss sie sich jetzt verantworten!“ Neben dem Russland-Fake hatte das Ministerium anfangs etliche weitere Disziplinarverstöße aufgeführt, die aber allesamt in sich zusammenfielen. Zudem musste Faesers Haus letztlich schriftlich einräumen, dass an der Russland-Nähe Schönbohms nichts dran sei. Zu jenem Zeitpunkt aber hatte die Ministerin den BSI-Präsidenten seines Postens enthoben und zum Chef der unbedeutenden Bundesakademie für Öffentliche Verwaltung degradiert. 

Schönbohm sieht in Nancy Faeser die Hauptschuldige für das Mobbing gegen ihn. Gleichwohl dehnt er seine Klage auf die gesamte Spitze des Ministeriums aus. Die Staatssekretäre Hans-Georg Engelke und Markus Richter sowie Abteilungsleiter Martin von Simson sollen für den Verrat an dem abgesetzten Cyberabwehrchef zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Sollte Faeser der Anklage unterliegen, wäre der Skandal perfekt

Laut Schönbohms Anwalt Christian Winterhoff beziehen sich die Vorwürfe auf die Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinem Untergebenen. „Herr Schönbohm hat bereits im vergangenen Oktober auf schnelle Aufklärung gedrängt, allerdings wurde das Verfahren durch seine Vorgesetzten verschleppt. Damit hat das Ministerium gegen die rechtlichen Vorgaben verstoßen, binnen drei Monaten die disziplinarischen Vorermittlungen abzuschließen.“ Zudem bemängeln die Anwälte, dass sich die Dienstherrin nie öffentlich vor ihren BSI-Präsidenten gestellt hat.  

Verwaltungsrechtler Professor Winterhoff hat zunächst im Namen seines Mandanten auf Schadenersatz in der Höhe von 5000 Euro durch den Bund geklagt. „Diese Summe kann sich im Laufe des Verfahrens deutlich erhöhen“, erklärt der Anwalt. Keine Frage, der Ausgang bleibt spannend. Denn sollten die Bundesinnenministerin und ihr Haus unterliegen, wäre der Skandal perfekt.  

Ähnlich verhält es sich im Teil 2 der juristischen Kabalen. Ex-BSI-Chef Schönbohm fordert vom ZDF Schadenersatz wegen der falschen Berichterstattung durch ihren „TV-Enthüller“ Böhmermann. Inzwischen hat der Mainzer Sender dieses Ansinnen abgelehnt.

Dass die Vorwürfe falsch gewesen seien, sollen Böhmermann und das ZDF gewusst haben

Markus Hennig, Medienanwalt des einstigen BSI-Präsidenten, kündigte im Gespräch mit FOCUS online eine Klage gegen das Zweite Deutsche Fernsehen an. Die Schadenssumme sollte demnach nicht unter 100.000 Euro liegen. „Gerade die öffentlich-rechtlichen Medien unterliegen besonderen journalistischen Qualitätsstandards, diese sind im Fall meines Mandanten völlig missachtet worden“, führte Hennig aus.

Die Vorwürfe seien allesamt falsch gewesen, „das wusste Herr Böhmermann genauso wie das ZDF. Trotzdem wurde die Sendung ausgestrahlt. Wie eitel muss man sein, um die Wahrheit trotz aller Risiken bewusst derartig zu verdrehen ?“ Zunächst einmal will die Schönbohm-Seite den Prozess gegen das ZDF durchziehen. Erst später soll entschieden werden, ob auch der TV-Moderator persönlich verklagt wird.

  

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Heyne

Diese Textpassage ist dem Buch „Schicht im Schacht“ von Jörg Sartor und Axel Spilcker (Heyne Verlag, 9,99 €, 224 Seiten) entnommen.

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