1815: Murat – Hinrichtung eines eitlen Aufsässigen - WELT
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Geschichte 1815

Murat – Hinrichtung eines eitlen Aufsässigen

General Napoleon Bonaparte suchte am 5. Oktober 1795 einen tollkühnen Mann. In Paris bedrohten Aufständische die Regierung. Nur durch Kanonen konnte man sie stoppen. Aber diese Geschütze befanden sich am anderen Ende der Stadt. Ihr Abtransport war ein Himmelfahrtskommando. Napoleon fand seinen Mann dafür – den Kavalleriemajor Joachim Murat.

Der Kneipwirt Pierre Murat aus dem südfranzösischen Nest Labastide war stolz auf seinen 1767 geborenen Sohn Joachim, sechstes von 12 Kindern. Der Junge unterhielt die Gäste durch allerlei Anekdoten und hatte sich selbst das Reiten beigebracht. In wilder Jagd fegte er durch die Felder, galt als Raufbold und Weiberheld.

Mit 18 Jahren wurde Joachim Murat ins nahegelegene Toulouse geschickt, um Theologie zu studieren. Allerdings benahm er sich dort derart ausgelassen, dass man ihn 1787 hinauswarf. Er trat dann ins 12. Regiment Jäger zu Pferd ein und wurde schnell zum Feldwebel befördert. In den Französischen Revolutionskriegen machte Murat Karriere. 1795 lernte er während eines royalistischen Aufstands in Paris Napoleon Bonaparte kennen. Für die nächsten 20 Jahre war das Schicksal der Beiden aufs Engste verknüpft.

In Ägypten als Kommandeur der Kavallerie

Die Feldzüge Bonapartes in Italien 1796/97 und Ägypten 1798/99 begleitete Murat als Kommandeur der Kavallerie. Tapfer bis zur Tollkühnheit avancierte er zum Lieblingsgeneral des Korsen. Als Napoleon 1799 Erster Konsul von Frankreich geworden war, befehligte Murat dessen Leibgarde und heiratete Anfang 1800 Caroline Bonaparte, die jüngste Schwester Napoleons. Damit gehörte er zum Familienclan und genoss Vorzugsbehandlung.

1804, nach Ausrufung Napoleons zum Kaiser, wurde Murat Marschall und Großadmiral von Frankreich. In der Schlacht bei Austerlitz 1805 zeichnete er sich besonders aus. In jener Zeit begann Napoleons Manie, seine Verwandtschaft als Monarchen einzusetzen. Für Murat wurde im März 1806 extra ein neues Reich geschaffen, das „Großherzogtum Berg“. Es bestand aus ehemals preußischen und bayerischen Gebieten rechts des Rheins; Residenzstadt war Düsseldorf.

Im Juli 1808 überreichte Napoleon seinem Schwager ein weiteres Präsent: er erhob ihn zum König von Neapel. Dazu zählte ganz Unteritalien. Murat, nunmehr König Joachim I., führte in seinem Land eine moderne Verwaltung und Rechtsprechung ein. Die Monarchenwürde stieg ihm indes sehr zu Kopfe. Das äußerte sich zunächst in seinem äußeren Erscheinungsbild.

Murat ließ sich schminken und das Haar kräuseln. Seine nachgerade kindische Eitelkeit trug er in knallbunten Phantasieuniformen zur Schau. Wenn er mit juwelenbesetztem Federhut und roten Stiefeln auf seinem tigerfellbedeckten Araberhengst dahersprengte, sah das weniger militärisch, als abenteuerlich aus. „Le beau sabreur“ (hübscher Draufgänger) nannte man ihn und das war nicht als Kompliment gemeint.

"Sie undankbarer Geselle!"

Murat nahm zwar weiter an Napoleons Feldzügen teil, benahm sich aber immer aufsässiger. Respekt hatte er einzig vor seiner Gemahlin Caroline, weshalb der Kaiser sie eines Tages anherrschte: „Ihr Mann ist tapfer auf dem Schlachtfeld, aber zu Hause ist er ein altes Weib!“

Murats Anteil am Russlandfeldzug 1812 bestand meist darin, pistolenschießend und säbelschwingend der Kavallerie vorauszueilen und furiose Attacken zu reiten. Es grenzt an ein Wunder, dass er nie ernstlich verwundet wurde. Gegenüber seinen alten Kriegskameraden führte er sich so anmaßend auf, dass Marschall Nicolas Davout ihn anschrie: „Sie sind König nur durch die Gnade Napoleons und das Blut der Franzosen, Sie undankbarer Geselle!“

Militärisch leistete Murat immer dann Glänzendes, wenn er sich strikt an Napoleons Befehle hielt. Handelte er selbständig, endete es meist mit schweren Verlusten. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 verließ er das französische Heer, um sein Königtum zu retten. Im Januar 1814 schloss er einen Vertrag mit Österreich, wonach er 30.000 Mann gegen Frankreich stellen solle; im Gegenzug wurde ihm der Besitz Neapels garantiert. Napoleon war über diesen Verrat schwer erschüttert.

Mit einer miserablen Armee gegen Österreich

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Weil auf dem Wiener Kongress ernsthaft erwogen wurde, das Königreich Neapel seinem ursprünglichen Besitzer, dem Bourbonen Ferdinand IV., zurückzugeben, nahm Murat Verbindung mit Napoleon auf, der im Exil auf der Insel Elba saß. Als der Kaiser 1815 wieder in Frankreich landete, begann Murat am 30. März einen Krieg gegen Österreich. Offenbar hatte er vergessen, dass seine neapolitanische Armee die mit Abstand miserabelste in ganz Europa war. Folgerichtig erlitt sie im April/Mai zwei verheerende Niederlagen.

Murat floh im Mai nach Frankreich und wollte unbedingt sein Königreich zurückerobern. Von Korsika segelte er mit einer kleinen Truppe am 28. September nach Neapel, wurde jedoch schnell überwältigt und im kalabresischen Castello Pizzo interniert. Ein Kriegsgericht verurteilte ihn als Usurpator zum Tode.

Die Hinrichtung erfolgte am 13. Oktober 1815. Eitel bis zuletzt kommandierte Murat selbst das Hinrichtungspeloton: „Verschont mein Gesicht – zielt auf das Herz – Feuer!“

Mehr Anekdoten aus der Geschichte, erzählt von Jan von Flocken, finden sich in dem Buch "111 Geschichten zur Geschichte"

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