Matthias Schweighöfer ist bestimmt kein schlechter Mensch. Ich glaube sogar, so aus dem Bauchgefühl meiner Menschenkenntnis heraus, dass er bestimmt sehr nett ist. Trotzdem, oder vielleicht auch deswegen, müssen wir über seine Werbung für das Möbelhaus XXXLutz sprechen.
XXXLutz ist mir zum ersten Mal vor vielleicht 15 Jahren aufgefallen. Damals hat der sehr große Schauspieler Ottfried Fischer dafür Werbung gemacht. Ich meine, er hat im Radio immer gesagt: „Die mit dem roten Stuhl.“ Und weil es ja Radio war, habe ich mir kein rot gefärbtes Sitzmöbel vorgestellt, sondern an Darmkrebs gedacht. Aber der tatsächliche Unique Selling Point des Unternehmens war damals ein riesiger roter Stuhl vor jedem seiner Möbelhäuser. Natürlich war ich nie bei XXXLutz, weil ich niemals in Bopfingen oder Wassertrüdingen gewesen bin, dort, wo diese Möbelhäuser stehen. Aber einmal bin ich an einem an der Autobahn vorbeigefahren und da war wirklich dieser große rote Stuhl zu sehen. Trotzdem dachte ich wieder an Darmkrebs.
Matthias Schweighöfer hat nun für besagtes Möbelhaus einige Werbeclips und Fotos von sich aufnehmen lassen. Gerade ist „Big Sale Week“ und Schweighöfer ist dazu in einem 15-Sekunden-Clip auf YouTube zu sehen. Darin steht Schweighöfer vor dem Spiegel und macht Grimassen, während eine tiefe Stimme sagt: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat die schönsten Preise im ganzen Land?“. Dann hört man Schweighöfers hohe Stimme „oh, oh, hallöchen“ sagen, als er sich selbst im Spiegel sieht und deswegen erschrickt.
Das Erste, was auffällt: Schweighöfer hat sich von seinem Bubi-Gesicht emanzipiert. Auf einmal, so scheint es mir, ist er ein erwachsener Mensch und kein Junge mehr. Sein neues Gesicht erinnert mich an die Lehrstuhlinhaberin für Rhetorik und Komparatistik an der UCLA, Judith Butler. Ansonsten gibt er in diesem Clip einen nicht alt werden wollenden Spießer-Papa mit schlechtem Geschmack. In klobigen, grauen Sneakern, weiter beigefarbener Hose und zu großem, schwarzem Hemd steht Schweighöfer in einer weiß-grau-beige-gold-Hölle, die so steril ist, dass auf dem Klo garantiert Handseife von Sagrotan aus einem No-Touch-Spender kommt.
In letzter Zeit sind mir eine Reihe von Männern aufgefallen, die jetzt Werbung für Dinge machen, die ziemlich furchtbar sind. Bastian Schweinsteiger für die deutsche Anti-Mode-Firma Brax, wo gerade der Brax-Roll-Top-Rucksack verschenkt wird, wenn man zwei Brax-Produkte für 149,95 Euro kauft. Dann noch der Schauspieler Elyas M’Barek für eine süddeutsche Versicherung. Auf den Plakaten, die ich gesehen habe, steht noch nicht mal sein Name. Und er sieht wirklich so aus, als müsste er jetzt, weil er keine Filme mehr machen kann, Vollzeit Versicherungsvertreter sein. Und dann ist mir auch noch Michael Ballack bei Instagram angezeigt worden, der ehemalige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Ballack macht jetzt Werbung für die wirklich hässlichsten Sneaker der Welt.
Die Sneaker versprechen, dass man sie anziehen kann, ohne die Hände zu benutzen. Mein Freund Heiko meinte, dass sich die Werbung wahrscheinlich an Menschen richtet, deren großer Bauch im Weg beim Schnüren ist. Die Werbeslogans „Bücken überflüssig“ und „Ein spezielles Fersenkissen stabilisiert den Fuß!“ deuten auf eine Zielgruppe hin, die Schuhe sonst im Sanitätshaus kauft. Die dazugehörigen Werbebilder sind in Farb- und Formsprache fotografiert, mit der sonst Nasenhaartrimmer von Discountern beworben werden. Auffällig: Ballack trägt wie Schweighöfer eine beige Stoffhose.
Natürlich darf jeder für alles Werbung machen. Ich bin froh über jeden Menschen, der in Deutschland noch Einkommen erwirtschaftet, was versteuert wird. Aber gerade bei Elyas M’Barek und Matthias Schweighöfer frage ich mich, wo denn die wirklich guten Freunde sind, die sagen: „Du, lass das mal lieber.“
Schweighöfer und M’Barek gehören, ich habe mich mal umgehört, zu den wirklich erfolgreichen deutschen Schauspielern und Regisseuren. Sie sind absolute Top-Verdiener. Aber offenbar reicht ihnen das nicht. Weil sie noch ein bisschen mehr haben wollen, nicht an künstlerischen Renommee, sondern an kleinbürgerlichem Wohlstand von vielleicht ein paar hunderttausend Euro für diese Spots. Ein paar hunderttausend Euro, die sie eigentlich nicht spüren dürften, aber offenbar glauben, es zu tun. Sonst würden sie das ja nicht machen.
Aber eigentlich, so denke ich, wollen sie doch große Künstler sein. Bei Schweighöfer spüre ich das wirklich. Jede Faser seines Körpers wirkt auf mich darauf hinzuarbeiten. Und es sieht ja auch nicht schlecht aus für ihn. In Interviews erzählte er von seiner Zweitwohnung in Los Angeles. Er dreht als Regisseur und Schauspieler auch tatsächlich internationale Netflix-Produktionen. Schweighöfer war zu Gast in der amerikanischen „Jimmy Fallon Show“. Und da sitzen sonst Barack Obama, Taylor Swift oder Scarlett Johansson auf dem Sofa – also wahrhaftige Weltstars.
Aber der Unterschied zu echten Hollywood-Schauspielern oder Weltstars ist eben, dass sie nicht deutsch-peinliche Werbung für Möbelhäuser oder Versicherungen machen, sondern wie jetzt Oscar-Preisträger Cillian Murphy einfach nur wahnsinnig gut und lässig in Versace aussehen. Und selbst wenn man wie Mads Mikkelsen für die total egale Bierfirma Carlsberg Werbung macht, dann ist der Spot wenigstens gut – lustig, humorvoll und Musik, Farben, Licht und Set-Design wie ein Wes-Anderson-Film. Deutschland bleibt das Land von „Klimbim“.