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15. Mai 2024
Landkreis Landshut

Areal um Altheimer Erdwerk: Forscher gehen uralter Kultur auf den Grund

(ra) Mit einem Magnetometer – einem Messgerät, das winzigste Abweichungen vom natürlichen Magnetfeld unseres Planeten anzeigt – hat der Regensburger Archäologe Martin Posselt (Lehrstuhl Prof. Dr. Thomas Saile) in dieser Woche das Areal um das 5700 Jahre alte „Altheimer Erdwerk“ untersucht. Er ist dabei auf im Erdboden verborgene Überreste von Siedlungen aus mehreren Jahrtausenden gstoßen.

In der Musikschule Essenbach ist bis einschließlich Mittwoch, 9. November, die archäologische Sonderausstellung „Altheim 2.0 – Mehr als ein Erdwerk“ zu sehen. An den Sonntagen bieten Fachleute vom Lehrstuhl Prof. Saile (Universität Regensburg) zwischen 13 bis 17 Uhr kostenlose Führungen an.

Der Regensburger Archäologe Martin Posselt beim Gang über Felder bei Altheim mit einem Magnetometer; links im Bild Monika Weigl, Kreishei-matpflegerin für Archäologie, Landkreis Landshut. - Foto: Landratsamt Landshut
Der Regensburger Archäologe Martin Posselt beim Gang über Felder bei Altheim mit einem Magnetometer; links im Bild Monika Weigl, Kreishei-matpflegerin für Archäologie, Landkreis Landshut. – Foto: Landratsamt Landshut

Die kleine Ortschaft Altheim, Markt Essenbach, hat einer ganzen Epoche der Menschheitsgeschichte, genauer: der Jungsteinzeit, ihren Namen gegeben – der „Altheimer Kultur“, die vor allem in Ostbayern und angrenzenden Regionen von etwa 3800 bis 3300 vor Christus blühte. (Gegen Ende dieser Epoche lebte übrigens der berühmte Gletschermann „Ötzi“, dessen mumifizierte Leiche vor 25 Jahren, im September 1991, in den Ötztaler Alpen gefunden worden ist.)

An dem 1911 von dem Landshuter Volksschullehrer Johann Pollinger, damals Vorsitzender des Historischen Vereins für Niederbayern, entdeckten Erdwerk fanden im 20. Jahrhundert zweimal, im Jahr 1914 und im Jahr 1938 umfangreiche archäologische Ausgrabungen statt. Das Erdwerk war eine aus mehreren Erdwällen und Gräben bestehende Anlage um einen Innenraum von etwa 35 auf 60 Meter.

[the_ad id=“8202″]Worum es sich bei dem „Erdwerk“ handelt, um einen Kultplatz, einen Gutshof, eine kleine Burg oder ein befestigtes Dorf – das ist eines der großen Rätsel der Jungsteinzeitforschung. Rund um die Anlage hat man bei den beiden ersten Grabungskampagnen viele Funde gemacht, darunter die Skelettreste von vermutlich 30 Menschen und viele Pfeilspitzen.

Die Knochen von Menschen sind alle in einer Bombennacht des 2. Weltkriegs in München zerstört worden – bis auf zwei Schädel (einer Frau und eines Mannes, die in der Sonderausstellung in der Musikschule Essenbach gezeigt werden. In der Ausstellung werden die Forschungsgeschichte des Altheimer Erdwerks und der nach der Fundstätte benannten, gut 500-jährigen Geschichtsepoche dargestellt – vor allem aber auch die neuesten Erkenntnisse einer Archäologen-Gruppe der Universität Regensburg.

[the_ad id=“2975″] Diese hat, unter Leitung von Prof. Saile, in den Jahren 2013 und 2014 erneut, freilich nur auf kleinen Flächen Ausgrabungen am Erdwerk durchgeführt. In diesem Rahmen sind auch Messungen mit dem Magnetometer vorgenommen worden – und haben zu einer spektakulären Entdeckung geführt: Unweit des altbekannten Erdwerks ist eine zweite, wohl rund 50 Jahre ältere Anlage entdeckt worden.

Die Magnetometer-Methode basiert auf der Messung von Abweichungen des natürlichen Magnetfeldes: Militärflugzeuge etwa, die mit entsprechenden Messgeräten ausgerüstet sind, können damit Panzer ausmachen, weil deren Stahlgehäuse enorme „Störkörper“ im Magnetfeld darstellen.

Die Geräte, mit denen Geophysiker und Archäologen jahrtausendealte Spuren im Erdboden suchen, sind unendlich viel ausgefeilter als die Messgeräte von Militärs oder auch von Geologen, die nach Erzlagerstätten suchen: Magnetometer, wie sie Martin Posselt zum Beispiel einsetzt, können minimalste Abweichungen feststellen – bis in eine Tiefe von etwa zwei Metern lässt sich der Erdboden auf diese Weise quasi durchleuchten.

[the_ad id=“8892″]Mit diesen Messungen kann festgestellt werden, wo Mauerwerk längst verfallener Gebäude im Boden versteckt ist – aber auch, wo vor Jahrtausenden Häuser, Abfallgruben, Wehranlagen, Dörfer lagen oder Verkehrswege verliefen. Lange Zeit stellten solche Ergebnisse die Forscher in vielen Fällen vor ein großes Rätsel – warum zeichnen sich zum Beispiel Stellen ab, an denen einst Palisaden oder Holzpfosten im Boden steckten? Wo doch verfaulendes Holz eigentlich völlig unmagnetisch ist?!

Das Rätsel löste der international renommierte Münchner Forscher Prof. Dr. Jörg Faßbinder zusammen mit zwei weiteren Wissenschaftlern: Im Boden kommen Bakterien vor, die ein Magnetit-Kristall in ihren einzelligen Körpern tragen – um sich besser zu orientieren und direkter zu Nahrungsquellen wie Faulholz zu gelangen. Wenn sie absterben, bleiben die Magnetite am Platz ihrer letzten Mahlzeit zurück.

Der Regensburger Archäologe Martin Posselt ist mit seinem Magnetometer in dieser Woche rund um das Altheimer Erdwerk auf eine Reihe von Spuren gestoßen, die Menschen in verschiedenen Epochen hinterlassen haben: insbesondere in der frühen Jungsteinzeit (etwa 5500 bis 4900 vor Christus) und in der Frühzeit der Kelten, der sogenannten Hallstatt-Zeit (etwa 800 bis 450 vor Christus). An der Universität Regensburg werden diese Ergebnisse eingehend ausgewertet.