Lehrerin aus Bayern schießt gegen Söder: "Wer Empathie und Intelligenz hat, der gendert" | Abendzeitung München
Interview

Lehrerin aus Bayern schießt gegen Söder: "Wer Empathie und Intelligenz hat, der gendert"

Verena Brunschweiger (43) ist Lehrerin und Vollblut-Feministin. Das von Markus Söder durchgesetzte Gender-Verbot an Bayerns Schulen bringt sie aus der Fassung.
| Rosemarie Vielreicher
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Demonstranten stehen mit Plakaten bei einem Protest gegen das Gender-Verbot auf dem Gärtnerplatz.
Demonstranten stehen mit Plakaten bei einem Protest gegen das Gender-Verbot auf dem Gärtnerplatz. © Felix Hörhager/dpa

Regensburg - Verena Brunschweiger polarisiert, nicht zum ersten Mal. Die 43-Jährige, geboren in Passau, ist Gymnasiallehrerin für Deutsch, Englisch und Ethik und hat mit ihrem feministischen und zugleich klimapolitischen Buch "Kinderfrei statt kinderlos" 2019 für Furore und Kritik gesorgt. Was sie aktuell massiv aufregt: das Gender-Verbot an bayerischen Schulen. 

AZ: Frau Brunschweiger, Sie stehen als Feministin international in der Öffentlichkeit und sind zugleich Lehrerin an einem Gymnasium in Regensburg. Wie sind Sie gerade auf Herrn Söder zu sprechen, der das Gender-Verbot an Schulen und Behörden im Freistaat verkündet hat?
VERENA BRUNSCHWEIGER: Er versaut mir fundamental die Osterferien. Ich hatte mich im Dezember schon wahnsinnig aufgeregt, als er das Gender-Verbot angekündigt hat. Zum Vergleich: In den USA feiern die Menschen im März den Gender-Equality-Month. Das weiß Herr Söder vermutlich nicht – oder wenn er es weiß, ist es besonders zynisch, dass er bei uns das genaue Gegenteil durchdrückt. Das ist eine unfassbare Frechheit, so infam und perfide, dass ich es eigentlich nicht in Worte kleiden kann.

Lehrerin kritisiert Gender-Verbot von Markus Söder: "Wer Empathie und Intelligenz hat, gendert"

Die Begründung aus der Staatskanzlei lautete mitunter, Sprache müsse klar und verständlich sein, aber auch, dass ideologisch geprägtes Gendern eine exkludierende Wirkung habe. Was sagen Sie dazu?
Die ganze Sache, die sie da ausgekaspert haben, ist Ausdruck eines Mega-Backlashes (Rückkehr zu konservativen Einstellungen; d. Red.), den wir gerade erleben, und des allgemeinen Rechtsrucks, den wir europäisch sowie weltweit sehen. Ich finde es eine populistische Maßnahme, jetzt klatschen halt ein paar Leute rechts von der AfD. Es müssten sich aus meiner Sicht mehr Kolleg:innen – ich gendere; noch darf ich es – gegen dieses Verbot einbringen. Ich habe zum Beispiel mit einer Kollegin gesprochen, die sagte, es sei ihr egal. Das ist fatal! Das ist überhaupt nicht egal. Man sieht doch auf den ersten Blick, was dahintersteckt: Er will hinterwäldlerisch, maskulinistisch, rechts sein und das drückt er allen anderen auch auf. Er verrät sich zum Beispiel mit dem Satz, dass das generische Maskulinum schon okay sei. Ja, genau! Schließen wir Frauen einfach aus! Und Schwule und nicht-binäre Menschen.

Feministin und Aktivistin Verena Brunschweiger.
Feministin und Aktivistin Verena Brunschweiger. © privat

Werden Sie sich an das Verbot halten?
Nun ja, es wurden Sanktionen angedroht. Ich muss abwarten, wie diese ausfallen werden.

Das heißt, Sie werden das Gendern im Unterrichts-Umfeld künftig lassen?
Ich weiß es noch nicht. Aber das nimmt mir eh niemand ab. Ich habe oft genug gesagt, wie ich das finde.

Können Sie es mit sich und Ihren Werten vereinbaren, wenn Sie beruflich nicht mehr gendern?
Eigentlich nicht. Wie soll ich das über mich bringen? Ich kann es mir aktuell noch nicht vorstellen.

Wie haben die Schülerinnen und Schüler bisher darauf reagiert?
Die sind das gewohnt, die kennen mich (lacht). Ich sage: Wer progressiv ist, wer Empathie und Intelligenz hat, gendert.

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"Jeder kann von mir aus schreiben und sprechen, wie er will"

Warum sind Gender-Sternchen und mehr so ein Reizthema für viele Menschen?
Das ist wieder typisch Bayern, die anderen Bundesländer lachen über uns. Dass wir drei Viertel reaktionäre Leute haben – eher Männer, eher Ältere, eher rechts. Eigentlich ist es eins zu eins ein AfD-Projekt.

Eine Civey-Umfrage hat im Dezember gezeigt, dass fast drei Viertel der Befragten das Gender-Verbot in Bayern gutheißen. Unterstützung gab es vor allem aus den Lagern der Union, der AfD und der FDP. Bei Älteren über 65 Jahren war die Zustimmung besonders hoch.
Es geht um Schulen und Unis, das hat mit den Älteren gar nichts zu tun.

Allerdings hat sich auch der Deutsche Rat für Rechtschreibung erst im Dezember gegen Sonderzeichen im Wortinneren und damit gegen Gender-Sternchen und andere Varianten wie Doppelpunkt ausgesprochen.
Das ist auch eher eine konservative Institution.

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Lehrerin und Feministin Verena Brunschweiger: "Ich bekomme sowieso immer Hate-Mails"

Was würden Sie gerne unternehmen, was haben Sie vor?
Das Gender-Verbot muss einfach weg. Jeder kann von mir aus schreiben und sprechen, wie er will. Sprache ist unsere Identität, drückt aus, wie wir sind. Ich soll jetzt zwangsweise ausdrücken, dass queere Menschen für mich nicht existieren und Frauen lediglich irgendwie mitgemeint sind? Nein! Es fühlt sich für mich als Feministin wie ein Berufsverbot an, ich fühle mich gegängelt. Vorher war es nicht verboten. Dahin sollten wir zumindest wieder zurückkommen. Damit konnte ich leben. Ich frage mich wirklich, wie ich es konkret schaffen soll, denn ich spreche ja auch mit dem Gender-Gap, wobei es im Verbot ja um schriftliche Sachen geht.

Müssen Sie eigentlich viel Konter einstecken, weil Sie sich so stark fürs Gendern einsetzen?
Mei, ich bekomme sowieso wegen meiner Bücher immer Hate-Mails. Das prallt aber an mir ab. Sonst könnte ich es nicht machen. Ich habe seit September auch ein neues Buch – und in dem gendere ich, was das Zeug hält!

Welche Nachrichten bekommen Sie denn zum Beispiel?
Wenn schon der erste Satz "Du kleine Hure" lautet, lösche ich das gleich. Es herrscht eine solche sprachliche Verrohung, aber mir wird vorgeschrieben, wie ich dienstlich zu schreiben und zu reden habe.

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72 Kommentare
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  • Bongo am 30.03.2024 11:37 Uhr / Bewertung:

    Bedenklich, daß so eine verbohrte Aktivistin auf Schulkinder losgelassen wird!

  • Durchblicker am 30.03.2024 09:35 Uhr / Bewertung:

    Im Interesse der Schülerinnen und Schüler von Frau Brunschweiger hoffe ich, dass ihr Unterricht spannender und v.a. geistreicher ist als die Plattheiten, die sie im Interview äußert - an Intelligenz und Empathie vermutlich nicht zu überbieten!

  • muc_original_nicht_Plagiat! am 30.03.2024 01:15 Uhr / Bewertung:

    "Lehrerin kritisiert Gender-Verbot von Markus Söder: "Wer Empathie und Intelligenz hat, gendert""

    Ich sage Ihnen, wie ein Schuh daraus wird:
    Wer Selbstvertrauen und ein gutes entspanntes Selbstverständnis hat, der definiert sich nicht darüber, gegendert zu werden!