Marie Bäumer über ihre Rolle als Romy Schneider in „3 Tage in Quiberon“ - WELT
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Film Marie Bäumer

„Romy Schneider rauchte auf sehr männliche Art“

3 Tage in Quiberon Robert lebeck und Romy Schneider 3 Tage in Quiberon Robert lebeck und Romy Schneider
Romy Schneider (Marie Bäumer) schmust mit ihrer Tocher, Robert Lebeck (Charly Hübner) fotografiert. Szene aus "3 Tage in Quiberon"
Quelle: Prokino
Lange hat sich Marie Bäumer dagegen gewehrt, nun spielte sie Romy Schneider doch noch. Ein Gespräch über die Ikone Schneider, die 70er und das schwindende Rollenangebot für Schauspielerinnen.

Emily Atefs Film „3 Tage in Quiberon“ galt bei der Berlinale als Favorit – und ging am Ende skandalöserweise leer aus. Er steht und fällt mit Marie Bäumer, die es jahrelang abgelehnt hat, Romy Schneider zu spielen. Warum sie es nun doch getan hat und wie sich diese schauspielerische Achterbahnfahrt angefühlt hat, erzählt die 48-Jährige im Interview. Wir trafen Marie Bäumer in Hamburg-Eppendorf.

WELT: Allen alten Weigerungen zum Trotz haben Sie Romy Schneider nun doch gespielt. Wer hat Sie überredet? Emily Atef, die Regisseurin?

Marie Bäumer: Niemand. Es war so, dass ich irgendwann mit meinem französischen Produzentenfreund Denis Poncet in Paris beim Austernessen saß und er sich bei Auster Nummer elf, zwölf gedacht haben muss: „Das ist jetzt eine gute Basis, ein Gespräch darüber anzufangen!“ Er fragte also: „Ist das Thema Romy Schneider eigentlich erledigt für dich?“ Und ich sagte: „Ja, außer …“ – Denis guckte mich schon erwartungsvoll an – „… wenn es in keinerlei Form ein Biopic ist. Wenn man einen Zoom am Ende ihres Lebens schafft, der eine Verdichtung bedeutet, einen stellvertretenden Moment einnimmt.“ Eine Schauspielikone in einem Biopic nachzustellen, das interessiert mich persönlich nicht. Ich kann die Sehnsucht verstehen, aber es gibt genug Filme mit Romy Schneider, die man sich ansehen kann, deshalb habe ich das immer abgelehnt. Allerdings war es auch immer die einzige Form, die man mir angeboten hat über all die Jahre.

„3 Tage in Quiberon“ - Das Interview mit Romy Schneider

Robert Lebecks Bilder von Romy Schneider gingen um die Welt. Aufgenommen in einem Urlaub in Quiberon, in dem sie gleichzeitig ihr letztes großes Interview gab und sich dabei komplett öffnete.

Quelle: WELT

WELT: Poncet hatte dann die Quiberon-Idee?

Bäumer: Ja. Er schlug mir kurze Zeit später dieses Vier-Personen-Stück vor, mit dem Interview in Quiberon im Zentrum. Und da entstand bei mir sofort eine Sinnlichkeit, die Lust, das zu spielen. Romy Schneider war dabei weit weg – für mich war das eine Frau in einer emotionalen 360-Grad-Sackgasse, und die Frage war: Wie dringt so ein Mensch immer wieder an die Oberfläche? Wie versucht er, wieder ans Licht zu kommen? Wie funktionieren diese emotionalen Amplituden? Wenig später hat mich Poncet gefragt, wie ich die Idee finde, Emily Atef für die Regie anzufragen. Und ich habe gesagt: „Fantastisch.“ Ich hatte Emilys Film „Das Fremde in mir“ 2008 in Cannes gesehen und sie auch schon mal kurz getroffen. Sie hat dann zugesagt, und es war relativ schnell klar, dass sie das Drehbuch selbst schreiben würde.

WELT: Emily Atef hat dann den Sohn von Robert Lebeck getroffen, der damals in Quiberon die Fotos für das „Stern“-Interview gemacht hat.

Bäumer: Ja, das war ein Riesenglück! Die Familie Lebeck hat Emily die kompletten 500 Bilder zur Verfügung gestellt, sodass sie zu Hause quasi den ganzen Film vor der Nase hatte. Sie hat sich dann ja auch minutiös daran orientiert. Der Film ist eine fiktive Geschichte – angelehnt an ein authentisches Ereignis. Das Filmdekor ist eine exakte Nachbildung der Hotelräume. Ich war jetzt noch einmal mal für eine „Stern“-Fotosession in Quiberon, und als ich das einer Freundin erzählt habe, die den Film schon gesehen hatte, hat die gesagt: „Wie, ihr seid in dieses Hotel gegangen? C’est moche! Das ist furchtbar!“ Und ich: „Nein, das ist doch jetzt anders.“ Und sie: „Ach so, das sieht jetzt nicht mehr so aus?“ Und ich dachte wieder, wie toll diese Illusion von Film funktioniert, denn das Hotel haben wir ja nachgebaut, und das Studio war nicht mal in Frankreich, sondern auf Fehmarn.

WELT: Spektakulärerweise ist der Film auch noch schwarz-weiß, das gibt ihm die quasidokumentarische Wucht …

Bäumer: Emily hatte diese Fotos und sagte: „Ich sehe den Film in Schwarz-Weiß!“ Das war nicht einfach durchzusetzen, das können Sie sich wahrscheinlich vorstellen. Ich fand’s großartig! Ich habe immer davon geträumt, wenigstens einmal im Leben einen Schwarz-Weiß-Film zu drehen. Und voilà, da ist er.

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WELT: Bitter, dass er auf der Berlinale leer aus gegangen ist.

Bäumer: Alle deutschen Filme sind leer ausgegangen. Der Abend der Preisverleihung hat sich angefühlt wie der Abend nach der Wahl von Trump. Das Publikum war regelrecht unter Schock.

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WELT: Wie haben die Franzosen auf den Film reagiert?

Bäumer: In Deutschland hatten wir schon sehr viel Vorschusslorbeeren gekriegt und sehr schöne Kritiken – aber Frankreich ist noch mal einer oben drauf.

WELT: Wie haben Sie sich sprachlich auf den Film vorbereitet?

Bäumer: Birgit Minichmayr, die die Hilde spielt, hat mit sehr geholfen. Sie hat mir erklärt, dass die wunderbar weiche, leichte Melodie aus der alten Wiener Bourgeoisie kommt. Ich hab Birgit immer vorgesprochen, und sie hat gesagt: „Ja!“, „Nee!“ „Das ist gut …!“ Außerdem hatte ich eine Frau aus Berlin als Sprachcoach, eine Französin, die ausnehmend gut war und diesen Swing heraushören konnte. Bei so was merke ich dann wieder, was für ein Arbeitsviech ich bin, dass ich wahnsinnig gern gefordert werde, vor allem wenn ich es mit Leuten zu tun habe, die auch fordern. Im muss dazu sagen, ich hatte sehr strenge Lehrer, erst im Tessin, später in Hamburg, da war es vor allem Jutta Hoffmann, …

WELT: … eine Ausnahmeschauspielerin, die Peter Zadek ans Schauspielhaus geholt hatte.

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Bäumer: Genau. Ich unterrichte inzwischen ja selber, und da lass ich auch nicht locker. Bei der Arbeit zu „3 Tage in Quiberon“ hab ich das gemacht, was auch Romy Schneider gemacht hat: Ich hab die französischen Szenen alle erst auf Deutsch gemacht und bin dann ins Französisch gewechselt. Das macht man als Nichtmuttersprachler, damit man emotional auf der richtigen Welle liegt. Zweimal war ich trotzdem den Tränen nahe, weil am Skript etwas geändert worden war und ich dann raus war. Und darüber waren dann im Team alle erschüttert, weil ich ja vorher so locker französisch parliert hatte. Aber beim Spielen ist das eben anders. Es ist so schwer, wenn es nicht deine eigene Sprache ist – da sind diese 87 Dinge, die du bedenken musst und die nachher so nonchalant nebenherlaufen müssen.

WELT: Die Rolle ist hochemotional, konnten Sie zwischendurch überhaupt abschalten?

Bäumer: Eigentlich bin ich von Jutta Hoffmann nach Brecht erzogen worden: Ich geh in meine Figur rein und, wupp, wieder raus. Raus, raus, raus! Hier ging das nicht, weil die Angst zu groß war, den Menschen hinter der Ikone nicht zu fassen zu kriegen. Emily, die nicht begriff, warum ich so durch den Wind war, meinte: „Es gibt zwei Arten von Schauspielern – die einen gehen da rein und wieder raus, und die anderen sind immer drin. Und du bist immer so drin.“ Und ich hab gesagt: „Nein, ich bin eigentlich genau das Gegenteil.“ Das Schöne ist, wir haben uns richtig angefreundet. Sie hat ein Haus in Frankreich nicht weit weg von meinem, ihre Tochter liebt mein Pferd, ich habe bei denen in Berlin gewohnt. Das ist nicht etwas, was ich suche, aber es ist schön.

3 Tage in Quiberon Robert lebeck und Romy Schneider
Mit "weicher Hand": Marie Bäumer als rauchende Romy Schneider
Quelle: Prokino

WELT: Es gibt mehrere Fernsehinterviews mit Romy Schneider und den legendären Talkshow-Auftritt mit Burkhard Driest bei Dietmar Schönherr.

Bäumer: Das kannte ich bis dahin alles nicht, ich hatte diese Interviews nie gesehen. Es hat Spaß gemacht, Romy Schneider einfach zu beobachten. Da ist ja ein kindlicher Vorgang: beobachten – imitieren. Wie raucht die? Das ist eher so eine männliche Art zu rauchen, mit so ’ner weichen Hand. Und dann ist da dieses stakkatohafte Wiederholen, wo sie den Journalisten gar nicht zuhört, wenn die nächste Frage kommt: „Das weiß ich nicht!“ „Ja, und haben Sie denn …“ „Das weiß ich nicht!“ Und dann die Art zu atmen, immer aufgeregt, das hat etwas Flirrendes, Leuchtendes, und gleichzeitig ist Romy Schneider immer auch auf der Hut – das konnte man sehr gut lesen. Maske, Sprache, Gestus. Dann haben wir ziemlich viel geprobt. Richtig geprobt. Ich halte nicht viel von diesen Proben, auf denen man „sich warm macht“, „in den Raum eingewöhnt“, oder von Regisseuren, die sagen: „Das machen wir nachher alles im Schnitt!“ Das funktioniert nicht, das sage ich als Architektentochter, das ist so, als würde man ein Haus auf wackeligem Fundament bauen. Da können Sie noch so ’n dolles Ding hinstellen – da stimmt die Statik nicht. Und dann wird es wahnsinnig anstrengend.

WELT: Wie haben Ihre Eltern reagiert, als klar war, dass Sie Schauspielerin werden wollten? Waren sie besorgt?

Bäumer: Gar nicht. Mein Vater war ein begnadeter Zeichner, er hat gesungen und alle möglichen Instrumente gespielt, meine Mutter, die ein paar Semester auf der Kunstakademie gewesen war, hat gemalt. Nein, es war manchmal eher ein bisschen anstrengend, weil meine Eltern bei meinen Proben am liebsten im Theater übernachtet hätten! Die haben unheimlich Anteil genommen. Ich glaube, dass sie ein kleines bisschen durch mich da noch mal was mitgelebt haben, was sie toll fanden. Wobei ich sagen muss, dass wir zu Hause keinen Fernseher hatten und wir mit meinen Eltern nie im Kino waren. Mit einer Ausnahme: „Grease“. Ich muss so neun oder zehn gewesen sein. Wir – meine Freundin und ich mit unseren Müttern – waren im Autokino. Meine Freundin war ganz gelassen, auch bei der Kussszene und als Travolta und Olivia Newton-John sich anfassten. Ich war aufgeregt. Meine Mutter hat mir später erzählt, ich hätte zu Hause gesagt: „Mami, ich glaube, die wollten sich befruchten!“

WELT: Die 70er! Sie hatten Aufklärungsunterricht!

Bäumer: Ja, aber ich war ein bisschen hinterher. Ich glaube, dass meine Eltern dachten, dass ich Malerin werden würde. Aber da war das Blankeneser Programmkino, da bin ich so mit sechs, sieben zum ersten Mal mit meiner Schwester hingegangen – Eintritt kostete 3 Mark 50 – , und ich weiß noch, dass ich dachte: „Das ist ja enorm!“ In dieses Kino wollte ich damals mit meinen Plüschtieren einziehen, und diese alte Flamme lodert immer wieder auf, obwohl der Beruf wahrlich Gründe genug bietet zu sagen: „Fucking hell, ich hör auf damit!“

WELT: Zum Beispiel?

Bäumer: Na, ich halte mich wahnsinnig gern zu Hause auf, und das ständige Unterwegssein ist für mich eine Katastrophe. Ich habe das im letzten Jahr auch ziemlich bewusst reduziert, und mir ist es dann noch mal deutlich besser gegangen. Ich liebe Reisen, aber ich mache seit Jahren keine Ferien mehr, weil ich beruflich so viel unterwegs bin. Nun lebe ich auch noch an einem Ort, wo andere Ferien machen, aber das wissen Sie ja auch: Wenn du zu Hause bist, wäschst du doch die Wäsche, machst hier was und da was – das ist kein Urlaub. Das andere ist die Abhängigkeit. Egal ob man am Theater fest angestellt ist oder freier Schauspieler, ist man immer darauf angewiesen, dass jemand kommt und sagt: „Dich will ich haben.“ Wir sind eine starke Frauengeneration, es gäbe ganz viel zu erzählen, und gleichzeitig nimmt das Rollenangebot dramatisch ab. Dazu kommt, dass es in Deutschland keine wirkliche Kinokultur gibt, sondern „nur“ eine Fernsehlandschaft – da sind wir sehr stark. Das sind schon genügend Gründe, denke ich. Und trotzdem: Welches Medium schafft das, in drei Minuten zwei Menschen zu zeigen, deren Mikrokosmos zu etablieren, die auseinanderzureißen und anderthalb Stunden lang die Sehnsucht des Zuschauers hochzuhalten, dass die beiden wieder zusammenkommen mögen?

WELT: Die Oper kann das auch.

Bäumer: Ja, klar, Theater, Oper, Musik. Wenn ich entscheiden dürfte, dass ich vor meinem nächsten Leben, in dem ich gern ein Vogel wäre, noch was anderes machen könnte, dann wäre ich gern Musikerin.

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