Robert Havemann Antisemit, Biermann mit Margot Honecker im Bett? Was steckt hinter diesen Vorwürfen?

Hamburg. Da schreibt sich einer was von der Seele. Etwas, das sein Leben bestimmt hat von den Anfängen des politischen Bewusstseins durch Brüche, Scheitern und Aufrappeln, bis heute, wo der Mann Laien-Verfassungsrichter in Brandenburg ist, eigentlich Maler, Theater-Autor, Familienvater, Herausgeber einer "Zeitschrift für unfertige Gedanken" und nun Verfasser einer Abrechnung, die "Havemann" heißt, die er "Tatsachenroman" nennt und die heute im Suhrkamp-Verlag erscheint.

Das Buch ist knapp 1100 Seiten schwer, und Florian Havemann schont darin niemanden: die eigenen Eltern nicht, Wolf Biermann nicht, den Freund des Vaters, und sich selbst am wenigsten.

Es ist ein merkwürdiges Buch, das einerseits pointiert beschreibt, andererseits oft rechthaberisch und geschwätzig daherkommt, das interessante Blicke in die Kulissen der DDR-Opposition gibt, das aber im Kern ein Ziel hat: die Menschen zu diskreditieren, die ihn, den Autor, auf seinen so ungewöhnlichen wie krummen Lebensweg gebracht haben: den Vater, dem er antisemitische Gedanken, bürgerliche Rechthaberei und sexuelle Abenteuer vorwirft, dem "großen Bruder" Biermann, den er bezichtigt, die Ausbürgerung 1976 sei ein abgekartetes Spiel gewesen: Biermann habe mit Erich Honeckers Frau Margot, der Volksbildungsministerin, eine amouröse Affäre gehabt. Sie habe ihm am Vorabend der Ausreise die geplante Ausbürgerung gesteckt.

Starker Tobak, geschickt serviert mit der Deklaration als "meine Wahrheit", als Behauptung, als Text, den man als Roman lesen möge. Gerüchte, Unterstellungen. Immer wieder kokettiert Havemann, Biermann möge doch klagen, die Suhrkamp-Anwälte hätten alles geprüft.

Wer ist der Mann, der die Denkmäler unter den DDR-Dissidenten stürzen will? Es ist der Sohn des DDR-Regimekritikers Robert Havemann. Geboren 1952 in OstBerlin. Während des sowjetischen Einmarschs in die Tschechoslowakei, mit dem 1968 der "Prager Frühling" gewaltsam beendet wurde, hängt er eine Pappe mit der tschechischen Flagge aus dem Fenster. Festnahme, vier Monate Haft. 1971 Flucht in den Westen - sein Freund und "großer Bruder" Wolf Biermann, damals noch sozialistischer Kritiker des DDR-Regimes, sendet ihm ein bitteres Spottlied nach: "Enfant perdu", das er auch 1976 in Köln singt. Eine unverheilte Wunde, eine tiefe Feindschaft sind die Folge.

Havemann findet in der SED-Nachfolgepartei PDS 1999 eigennützige Förderer: Über sie kommt er ins Richteramt ("Wenn es eine Idee der CSU gewesen wäre, hätte ich es auch gemacht"). Für die PDS kandidierte er 2002 für den Bundestag. So wundert man sich nicht über Havemanns Zeugen für Biermanns angebliche Honecker-Amouren: Sonja Honecker, Tochter von Margot Honecker, nach Aussage eines sächsischen PDS-Manns. Dann PDS-Funktionär Dieter Dehm, der "Stasi-Informant" genannt werden darf. Der Uralt-Linke Jakob Moneta, der im PDS-Parteivorstand saß. Und der frühere DDR-Liedermacher Reinhold Andert.

Zwischen Margot Honecker und Biermann gab es tatsächlich eine Verbindung: Auch die junge Margot, damals noch Feist, hatte einen kommunistischen Vater; sie besuchte die Mutter Biermanns in Hamburg, war da, als der Sechsjährige erfahren musste, dass der Vater im KZ gestorben war. Biermann hatte aufgrund dieser persönlichen Bekanntschaft nach seinem Wechsel in die DDR Zugang zu Margot Honecker, die 1963 Ministerin wurde. Nach 1965 waren jedoch keine Kontakte nachweisbar. Die DDR-Gerüchteküche aber kochte weiter.

Ist es Zufall, dass aus den 1100 Seiten gerade die Biermann-Episoden vorab bekannt wurden? Vor dem ersten echten Roman des eher unbekannten Havemann, der 2008 erscheinen soll, wird erst mal mit dem PR-Gag der angeblichen Biermann-und-Honecker-Nacht gezündelt. Wolf Biermann will nicht mithelfen; er wird nicht klagen und kommentiert: "Ein tragischer Fall."