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Literatur Schauspielerin Maren Eggert

„Kleist ist für mich der Meister“

Freier Feuilletonmitarbeiter
„So mit Wumms“: Schauspielerin Maren Eggert „So mit Wumms“: Schauspielerin Maren Eggert
„So mit Wumms“: Schauspielerin Maren Eggert
Quelle: EPA/EFE/CLEMENS BILAN
Gegen Goethe und Schiller hat die Schauspielerin Maren Eggert eher eine Abneigung, die sind ihr „zu perfekt“. Welche Literatur sie sonst so durchs Leben begleitet, von Otfried Preußler bis Emily Brontë und John Irving, erzählt sie hier.

Berlin, wir sitzen im leeren Intendantinnenbesprechungszimmer. Iris Laufenberg, die Neue am Deutschen Theater, ist abwesend. Am Boden lehnt Tilla Durieux im ovalen Rahmen, von Franz von Stuck als Circe gemalt, vor einem Plakat, von dem Ulrich Matthes grinst. Und am großen Tisch wartet bei einem Glas Wasser einer der weiblichen Ensemble-Stars des Hauses: Maren Eggert. Sie wurde 1974 in Hamburg geboren, von 1994 bis 1998 absolvierte sie ihre Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Nach einem Gastengagement in Zürich spielte sie am Schauspielhaus Bochum, wo sie ihren Mann Peter Jordan kennenlernte, und gehörte anschließend dem Ensemble des Thalia-Theaters in Hamburg an.

Seit Herbst 2009 ist sie am Deutschen Theater in Berlin engagiert. Für ihre Darstellung in „Die Frau am Ende der Straße“ wurde Maren Eggert gemeinsam mit Matthias Brandt 2008 mit dem Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet. In Dominik Grafs „Das Gelübde“ verkörperte sie Bettina von Arnim. Das Fernsehpublikum kennt sie als Polizeipsychologin Frieda Jung, die sie von 2003 bis 2010 und 2015 an der Seite von Axel Milberg in den Kieler „Tatorten“ spielte. 2021 erhielt sie für ihre Hauptrolle in Maria Schraders „Ich bin dein Mensch“ den Silbernen Bären der Berlinale sowie den Deutschen Filmpreis. Nachstehend spricht Maren Eggert in eigenen Worten über die Bücher, die ihr Leseleben geprägt haben.

Haruki Murakami: Wilde Schafsjagd

Von ihm habe ich fast alles gelesen. Ich mag, wie er die Realität zwischen den Welten verschiebt. Das finde ich besonders spannend. Und so was suche ich gern, wenn ich lese. Ich lese überhaupt viel Fiktion, tauche gern ab in fremde Fantasien. Das geht bei mir bis in die Kindheit zurück. Ich mag an seinen Helden besonders, dass sie viel kochen. Der hier wärmt sich regelmäßig Kaffee auf, sehr seltsam. Für Kochen und Essen in Büchern bin ich übrigens anfällig!

Ich war noch nie in Japan, ich wollte, dann kam Fukushima, und dann hatten wir Kinder, das dauert jetzt also noch ein wenig. Auf das Buch bin ich durch eine Freundin gekommen, wie ich mir überhaupt gern Bücher empfehlen lasse. Und besonders faszinierend fanden wir die Begeisterung des namenlosen Ich-Erzählers für die Ohren seiner Freundin. Ich weiß übrigens jetzt schon wieder nicht mehr, wie es ausgeht. Das passiert mir oft. Ist aber fein. Da kann ich die Bücher nochmals beruhigt lesen.

Otfried Preußler: Krabat

Ich habe als Kind sehr viel gelesen, da gibt es vieles, was mich geprägt hat. Das aber ist ein fortgeschrittenes Kinderbuch, das mich noch viel mehr als seine anderen Büchner gepackt hat, eben weil es so mystisch, aber trotzdem realistisch ist. Es gibt auch eine Liebesgeschichte, einen Krimi, es spielt in der Vergangenheit, und es ist gruselig. Ich habe einen Hang zu einsamen Hauptfiguren und habe mitgefiebert, wie schwierig es für Krabat ist, einen Freund zu gewinnen. Den Zauberaspekt habe ich später etwa bei „Harry Potter“ wiedergefunden.

Die Verfilmung habe ich nicht gesehen, denn ich mag meist nicht, was dabei aus meinen Lesefantasien gemacht wird. Ich erlebe aber jetzt bei meinen Kindern, dass die Verfilmungen immer dominanter werden. Meine Kinder wollen lieber lustige Sachen lesen. Bei alten Mühlen muss ich immer an dieses Buch denken. Und irgendwann möchte ich mir auch mal diese Lausitz-Landschaft anschauen.

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Siri Hustvedt: Was ich liebe

Ein Frauenbuch, sagt man gern. Neulich habe ich mich darüber aber lange mit meinem Kollegen Moritz Grove unterhalten, der es sehr genau kannte. Als ich es wieder las, da war gerade mein Vater gestorben, und weil ich wieder mal den Schluss vergessen hatte, bin ich bei diesem Doppelfamilienporträt in den Tod des Jungen so voll reingerasselt. Aber es ist bei dem anderen Jungen ja auch der Absturz in die Drogen. Ein heikles Thema, mit dem auch ich im Laufe meines Lebens immer wieder einmal im beruflichen Kontext konfrontiert war.

Ich selbst komme aus sehr behüteten Zusammenhängen. Das rührt mich an, beunruhigt mich und nimmt mich mit, deshalb setzte ich mich damit immer wieder auch fiktiv auseinander. Wieso passiert das? Und wieso in dieser Weise? Sucht, Absturz, der Verlust der gesunden Mentalität, das zieht sich schon auch durch die Inhalte meines Berufes. Und weil der mit Fiktion zu tun hat, suche ich offenbar andere Fiktionen, ich könnte ja auch Sachbücher lesen. Ich habe aber durchaus auch eine naturwissenschaftliche Ader.

Ayelet Gundar-Goshen: Löwen wecken

Das Buch habe ich geschenkt bekommen. Die israelische Autorin erzählt von einem Paar aus wechselnder Perspektive. Er ist Chirurg, überfährt einen illegalen Einwanderer und begeht Fahrerflucht. Und wird später von dessen Witwe gestellt, die ihn dazu zwingt, ihren Leuten unentgeltlich zu helfen. Das ist ein richtig spannendes, tolles Buch. Nicht zu spannend, sonst kann ich nicht schlafen. Eine Abwechslung zu Gedichten und langatmigen Sachen. So was lese ich gern abends. Seit ich die Kinder habe, stehe ich allerdings gern morgens eine halbe Stunde früher auf und lese die schwierigeren Sachen. Das stimuliert mich für den Tag, ist wie ein Anker, auch ein wenig meditativ.

John Irving: Das Hotel New Hampshire

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Das habe ich schon ganz früh und immer wieder gelesen, weil ich mich irgendwie mit dieser unkonventionellen, dauernd umziehenden Familie verwandt gefühlt habe. Die haben so eine bestimmte Art, miteinander umzugehen, da habe ich mich sofort zu Hause gefühlt. Es sind so rührende Figuren, etwa wie die Schwester sich zu einer selbstbewussten Frau entwickelt. Ich selbst bin eher von einer hierarchischen Männerwelt geprägt, deswegen mag ich Figuren, die mir das anders vorleben. Auch da mochte ich die Verfilmung gar nicht. Wohl weil es ein Lieblingsbuch ist, auf das ich immer wieder Bezug genommen habe. Die Südamerikaner mit ihren Geistern, auf die springe ich hingegen so gar nicht an, irgendwie liegen mir nordamerikanische Sagas mehr, viel später habe ich dann auch gefesselt Jonathan Franzens „Korrekturen“ gelesen. Seine späteren Bücher nicht mehr so gern, aber von John Irving eigentlich alles.

Buchcover für WS LW_ Biografie in Büchern Maren Eggert John Irving " Das Hotel New Hampshire" Diogenes Verlag
Quelle: A. Röckl / DT

Judith Hermann: Sommerhaus, später

Nach dem Abitur in Hamburg war ich in Berlin, um einfach mal zu jobben und woanders zu sein. Das war 1993. Als ich das Buch damals gelesen habe, hat es irgendwie zu meinem Lebensgefühl gepasst, es widergespiegelt. Jetzt kann ich mit diesen situativ-lakonischen Geschichten, Figuren und Begegnungen in und um Berlin, meist ohne Plot, vielleicht gar nicht mehr so viel anfangen. Jede Zeit hat auch ein Lebensgefühl – es hat womöglich einfach zum damaligen Gefühl und seiner, also meiner, Zeit gepasst. Wobei: Jetzt habe ich aber gemerkt, dass der Band erst 1998 erschienen ist, da war ich bereits auf der Falkenberg-Schauspielschule in München. Das heißt also, ich habe dahinein mein Berliner Sentiment projiziert, interessant. Ich bin eigentlich nicht so ein Kurzgeschichten-Fan, aber dieses Buch hat mich damals angezogen. Da wusste auch keiner, wo er hin soll, was mit ihm passiert. Ich war damals auch so ein wenig herausgefallen, wollte zur Kunst, was in meiner Familie total ungewöhnlich war.

Emily Brontë: Sturmhöhe

Ich habe lange zwischen diesem Buch und Charlotte Brontës sehr unterschiedlicher „Jane Eyre“ geschwankt. Es musste aber in jedem Fall eines von beiden sein. An letzterem bewundere ich dieses Geordnete, den psychologischen Draufblick, den sie auf die Figuren hat. Charlotte gibt selbst dem Düsteren eine Form. Und bei Emily mag ich eben dieses Ungefügte, Gefühlswustige, Unüberlegte.

Das klingt so klischeehaft, aber die ungezügelten Leidenschaften der Figuren, das Bodenlose, Zerstörerische, geschrieben von einer so jungen Frau, das finde ich besonders bemerkenswert. Gerade auch, wie sie die Natur beschriebt. Als ich das erstmals las, dachte ich: Ja, so muss Liebe sein. So mit Wumms, so groß, wo man gar nicht weiß, wo man’s hintun soll. Da kommt natürlich auch meine dramatische Ader raus.

Heinrich von Kleist: Prinz von Homburg

Kleist ist für mich der Meister, gegen Goethe und Schiller habe ich eher eine Abneigung, die sind mir zu perfekt. Und ich mag ihr Frauenbild nicht besonders, da sträubt sich beim Spielen einiges, das ist mir zu kopfig. Ich habe auch eine Abneigung gegen Goethes Leben, das enge Weimar. Kleist steht immer auf der Kippe, dann ist das Leben doch schiefgegangen. Er zieht mich an.

Diese situative Sprache, diese Ahs und Ohs. Wo sitzt das im Körper, oder emotional, was soll das ausdrücken? Und in diesem Stück, wieder eine hierarchische Männergeschichte, ganz besonders. Ich kann fast jedes Wort des Textes, auch weil ich, frisch auf der Schule, damals in der Dieter-Dorn-Inszenierung an den Kammerspielen eine Hofdame spielte. Natürlich habe ich auch die Natalie einfach mit gelernt, aber besonders beeindruckt hat mich damals Gisela Stein als Kurfürstin.

Bernadine Evaristo: Mädchen Frau etc.

Das habe ich gerade erst gelesen. Ich fand toll, wie hier aus People-Of-Color-Sicht verschiedene Biografien ineinander verwoben sind. Immer aus der jeweiligen Sichtweise erzählt, aber mit Berührungspunkten, so dass doch eine Art von Roman entsteht. Da waren ganz neue Lebensumstände für mich, gerade durch die sehr gelungenen Perspektivenwechsel. Da wird jede Person in einer anderen, passenden Sprache geschildert. Manche Frauen mag ich, manche weniger. Aber ich verstehe sie, so wie sie analysiert worden sind. Das hat mir, die ich ja auch immer wieder neu in mir fremde Personen auf der Bühne schlüpfen, Charaktere studieren muss, Spaß gemacht. Ich suche diese neuen Sichtweisen, die mich aus meiner bekannten Welt herausbewegen.

Stefan Zweig: Maria Stuart

Auch ein absolutes Lieblingsbuch. Obwohl es eigentlich so altmodisch ist. Die Art der fiktionalen Biografie ist ihm hier schon ganz hervorragend gelungen. Ich weiß nicht wirklich, wer Maria Stuart war, aber er bringt es mit seinem Einfühlungsvermögen fertig, dass ich mich mit ihr identifiziere. Ich finde da nichts Historisches, sondern komme einem Charakter und auch den Umständen der Zeit sehr nahe. Bei Schiller ist das ja mehr auf den Konflikt mit Elisabeth konzentriert, beides übrigens aber dann doch wieder tolle Rollen, ich könnte mich gar nicht entscheiden, welche ich lieber spielen würde. Ich möchte Menschen und Zusammenhänge, die eine Biografie beeinflusst haben, verstehen. Hier finde ich das total gelungen und faszinierend. Ich fühle mich in Zweigs Sprache geborgen.

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