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Die Nord-Stream-2-Affäre begann schon viel früher

Politikredakteur
Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern
Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern
Quelle: picture alliance/dpa
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Im Untersuchungsausschuss des Schweriner Landtags wurde am Freitag deutlich, dass die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig nicht erst seit der Gründung einer Klimastiftung in dubiose Fahrwasser geraten ist. Vielmehr gab es schon vorher – bei der Genehmigung der Pipeline – viele Auffälligkeiten.

Im Bergamt Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern gibt es einen Mann, der offenbar sehr wichtig ist. „Kollege Müller“ nennt ihn Thomas Triller, der Chef der Behörde, die 2017 für die Genehmigung von Nord Stream 2 zuständig war. Immer wenn der Bergamtsleiter Triller am Freitag im Untersuchungsausschuss des Schweriner Landtags nach besonders seltsamen Vorgängen beim Umgang mit dem russischen Pipeline-Projekt gefragt wurde, das damals von der noch rot-schwarzen Landesregierung unter Erwin Sellering und dann Manuela Schwesig (beide SPD) vehement vorangetrieben wurde, antwortete Triller: „Das müsste Kollege Müller wissen.“ – „Das hat Kollege Müller gemacht.“ – „Kollege Müller war wohl dabei.“

Aber im Ausschuss war der Mann am Freitag nicht dabei. Er wird erst demnächst geladen. Und so erbrachte die Befragung des Zeugen Triller sowie danach einer damaligen Bergamt-Juristin erst einmal nur ein Panoptikum dubioser Abläufe. Bei denen sind zwar wegen der Abwesenheit von „Kollege Müller“ immer noch viele Details offen. Aber eines wurde sehr deutlich: Die Pipeline-Affäre in Mecklenburg-Vorpommern hat nicht erst dann begonnen, als sich Ende 2020 die Landesregierung zusammen mit der Nord Stream 2 AG die sogenannte Klimastiftung als Tarnung für die Pipeline-Fertigstellung unter Umgehung von Sanktionen ausdachte.

Vielmehr gab es Fragwürdiges schon 2017 und im Januar 2018, als die Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG auf die baldige Genehmigung des Pipeline-Baus drängte. Zu den größten Auffälligkeiten gehört, dass die Landesregierung, offenbar auf Druck der Nord Stream 2 AG, schwer aufs Tempo für die Genehmigung des Projekts drückte. So verlangte der damalige Energie- und heutige Innenminister Christian Pegel (SPD) im Januar 2018, dass die bei einem solchen Projekt unumgängliche Frage nach Ausgleichsflächen zugunsten einer schnellen Pipeline-Genehmigung hintangestellt werden solle. „Nach Rücksprache mit Nord Stream 2“, so schrieb Pegel damals, sei „eine schnelle Genehmigung wichtiger“ als die Ausweisung solcher Flächen.

Auch andere rechtliche Probleme wurden auf seltsame Weise erledigt. Zwei Tage bevor das Bergamt den Planfeststellungsbeschluss erlassen wollte – geplant war hierfür der 31. Januar 2018 –, erhielt es von der Münchner Kanzlei, von der es sich während der gesamten Prüfungszeit hatte beraten lassen, eine lange Liste. Aufgeführt waren darin nicht weniger als 47 Punkte, die die Kanzlei im Entwurf des Planfeststellungsbeschlusses als mögliche „Rechtsfehlerquellen“ identifiziert hatte. Laut dem Grünen-Obmann Hannes Damm, der diese Unterlagen im Ausschuss präsentierte und die Zeugen beharrlich danach fragte, riet die Kanzlei davon ab, den Planfeststellungsbeschluss vor der Behebung jener rechtlichen Probleme zu erlassen. Zugleich hätten es die Berater laut Damm für machbar erklärt, die Fehlerquellen innerhalb weniger Wochen zu tilgen und den Beschluss danach mit geringer Verspätung zu erlassen.

Aber das Bergamt agierte anders: Einerseits wurden die Mahnungen der Kanzlei als Ansichtssachen interpretiert. Andererseits jedoch wurden zwölf der 47 Punkte schleunigst den Juristen von Nord Stream 2 übersandt. Und nachdem die in ihrer raschen Antwort jene Passagen als nicht relevant bezeichnet hatten, erließ das Bergamt den Planfeststellungsbeschluss zwei Tage nach Erhalt der Mahnungen und Verschiebungsforderungen seiner eigenen Berater.

Lange Liste der Ungereimtheiten

Auffällig im Planfeststellungsbeschluss ist weiterhin, wie breit darin die Argumentation der russischen Gas-Industrie und ihrer westlichen Lobbyisten übernommen wurde, dass die Pipeline unumgänglich sei für die Befriedigung eines angeblichen wachsenden Gas-Bedarfs in der EU. Weshalb sie als besonders vorrangig betrachtet werden müsse. Dass dies schon damals eine sehr einseitige Sicht auf die angebliche Notwendigkeit der Pipeline war, hatte die Energiewissenschaftlerin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Untersuchungsausschuss bereits vor einem Monat deutlich gemacht.

Und was die EU betrifft, auf deren Gas-Markt sich der Planfeststellungsbeschluss immer wieder beruft, so sah die Kommission die Dinge schon im Juli 2017 sehr viel anders. In einem Brief, der WELT vorliegt, schrieb der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einer Gruppe von EU-Parlamentariern, die schwere Bedenken gegen die Pipeline erhoben hatten, dass Nord Stream 2 „nicht im Einklang mit den politischen Zielen der Energie-Union“ stehe und „keinen Zugang zu einer neuen Versorgungsquelle“ biete. Das sahen das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern und sein Bergamt offenbar anders.

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Eigene Wege ging man dort auch dann, als der Pipeline-Bau voranschritt und Leute gesucht wurden, die die verlegten Röhren prüfen und zertifizieren sollten. Da verfiel man – wie jüngst das Nachrichtenportal „t-online“ berichtet hatte – auf jemanden, der zuvor für Nord Stream 2 gearbeitet hatte. Der sollte nun im Dienst einer staatlichen Behörde das Produkt seines eigenen früheren Arbeitgebers zertifizieren.

Doch so lang die Liste dieser Ungereimtheiten auch ist – die SPD von Ministerpräsidentin Schwesig sieht überhaupt keinen Grund zur Kritik. Im Gegenteil: Der SPD-Obmann im Ausschuss, Thomas Krüger, sagte nach der Befragung von Bergamtsleiter Triller, sie hätte gezeigt, „dass das Genehmigungsverfahren zur Errichtung der Pipeline Nord Stream 2 nach objektiven und rechtsstaatlichen Prinzipien und unter Beachtung aller notwendigen Aspekte erfolgt“ sei. Während „die Verdächtigungen und Unterstellungen der Opposition“ an „eine Hexenjagd“ erinnern würden.

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