Parteien Lindner für Soli-Abschaffung und gegen Kindergrundsicherung

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Von dpa
| 27.04.2024 05:44 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Parteichef Christian Lindner spricht zu Beginn des 75. Ordentlichen Bundesparteitages der FDP in Berlin. Foto: Hannes P. Albert/dpa
Parteichef Christian Lindner spricht zu Beginn des 75. Ordentlichen Bundesparteitages der FDP in Berlin. Foto: Hannes P. Albert/dpa
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Die volle Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die Kritik an der Kindergrundsicherung sind FDP-Klassiker. Auch beim Parteitag mag FDP-Chef Lindner nicht auf diese Themen verzichten.

Mit dem Ruf nach einer „echten Wirtschaftswende“ und einer auf wirtschaftlichen Aufschwung ausgerichteten Politik ist die FDP in Berlin in ihren Bundesparteitag gestartet. Die mehr als 600 Delegierten wollen auf dem Treffen in Berlin auch den weiteren Kurs ihrer Partei in der Ampel-Koalition mit SPD und Grünen abstecken.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner verlangte erneut die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Wenn man die Rechtsprechung zum Soli verfolge, dann sei die Erfolgswahrscheinlichkeit der Klagen gegen ihn „nicht von der Hand zu weisen“, sagte er.

„Bevor wir uns von Karlsruhe aus Rechtsgründen dazu zwingen lassen, sofort und ohne Plan auf den Soli verzichten zu müssen, sollten wir lieber die klare politische Entscheidung treffen, planvoll Schritt für Schritt auf ihn zu verzichten.“ Der Soli sei inzwischen für Mittelstand, Handwerk und Industrie eine Sondersteuer auf wirtschaftlichen Erfolg geworden, die sich Deutschland nicht mehr leisten könne.

Lindner kritisierte zudem erneut scharf das Konzept der Kindergrundsicherung von Familienministerin Lisa Paus (Grüne). Er warf ihr vor, dass dafür bis zu 5000 zusätzliche Stellen geschaffen werden müssten. Und nach einer Studie im Auftrag ihres Ministeriums würden bis zu 70.000 Menschen aus dem Berufsleben ausscheiden, weil sie keinen Arbeitsanreiz mehr hätten. „Ich fasse das mal zusammen: Wir stellen 5000 neue Staatsdiener ein, die zwei Milliarden Euro Geld verteilen, damit danach die gesamte Stadt Aschaffenburg sich aus der Arbeit abmeldet.“ Ein solches Modell sei absurd und erfordere eine Wende.

Es spreche nichts gegen die Kindergrundsicherung, wenn die gemeinsam vereinbarten Bedingungen erfüllt würden, sagte Lindner. Wenn das nicht möglich sei, sei die FDP für eine Alternative offen. „Wenn es die Bereitschaft zu neuem Denken gibt, dann ist hier unser Angebot: Wäre es nicht besser, diese Milliarden einzusetzen in mehr und qualitätsvolle Kinderbetreuung, damit niemand gegen den eigenen Willen in Teilzeit verbleibt, weil man weiß, die Kinder sind gut untergebracht.“

Lindner: Ukraine ist Deutschlands erste Verteidigungslinie gegen Putin

Lindner sagte der Ukraine weitere deutsche Hilfe bei ihrem Abwehrkampf gegen Russland zu. Er machte beim Parteitag zugleich deutlich, dass dies auch im eigenen deutschen Interesse liege. „Wir unterstützen die Ukraine, weil sie unsere first line of defence (erste Verteidigungslinie) gegen Putin ist“, sagte Lindner. Kremlchef Wladimir Putin habe die Ukraine angegriffen - „er meint aber uns alle und unsere Lebensweise“.

Putin wolle nicht nur die Ukraine von der Landkarte entfernen, er wolle auch Europa und die Nato spalten und erreichen, dass sich die USA aus Europa zurückziehen, warnte Lindner. „Putins Ziel ist nicht die Ukraine. Putins Ziel ist es, Macht über uns ausüben zu können. Und das darf ihm niemals gelingen.“

Nötig sei, die eigene Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung zu verbessern, sagte der Bundesfinanzminister. Das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr werde in einigen Jahren verbraucht sein, dann werde man die Streitkräfte aus den regulären Mitteln ertüchtigen müssen. Dies werde nicht mit immer neuen Schulden gehen.

„Die Aufgabe, die vor uns steht, Frieden und Freiheit in Deutschland, Europa und der Welt zu verteidigen, diese Aufgabe ist nicht limitiert auf wenige Quartale oder Jahre. Potenziell ist es eine Aufgabe für Jahrzehnte und Generationen“, sagte Lindner. „Und deshalb kann das nicht auf Pump erfolgen. Wir brauchen dazu unsere Wirtschaftskraft.“

Lindner: Deutschland muss wirtschaftlich wieder in die Weltspitze

Zudem verteidigte Lindner die Forderung seiner Partei nach einer „Wirtschaftswende“ als Reaktion auf die gesunkene Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. „Wenn ein Land in zehn Jahren von Platz 6 der Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 22 zurückfällt, was ist dann dringlicher als eine Wende?“, sagte er. „Denn in nächsten Jahren muss unser Ehrgeiz sein, von 22 wieder in die Weltspitze zurückzukehren.“

Eine stagnierende Gesellschaft führe zu einem „hart ausgefochtenen Ellenbogenwettbewerb“, warnte der Bundesfinanzminister. Die Gesellschaft insgesamt brauche wieder eine Wachstumsperspektive. „Anders gewendet: Wirtschafts- und wachstumsfreundliche Politik ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit.“

Stark-Watzinger: „Das ist zu wenig“

„Unser Land ist derzeit nicht wettbewerbsfähig“, heißt es dazu in dem Leitantrag des Parteitages. „Die Wirtschaft stagniert wie in keinem anderen Industrieland. Ausufernde Bürokratie, hohe Energiepreise, ein hohes Steuer- und Abgabenniveau sowie akuter Fachkräftemangel bremsen die deutsche Wirtschaft erheblich aus.“ Gleichzeitig belaste „ein übergroßer Sozialhaushalt die finanziellen Möglichkeiten von Staat und Gesellschaft“.

„Wirtschaftswende jetzt. Daran gibt es überhaupt gar keinen Zweifel. Ob 0,2 oder 0,3 Prozent Wachstum, das ist zu wenig“, sagte Parteivize und Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger in ihrer Auftaktrede. Die Aufregung um ein Zwölf-Punkte-Papier der Liberalen vor dem Parteitag bewertete sie als positiv. Sie sagte: „Seit Jahren wurde nicht mehr so intensiv und ausführlich über Wirtschaftspolitik diskutiert wie in diesen Tagen. Wirtschaftspolitik ist endlich zurück in der öffentlichen Wahrnehmung.“

Warnungen aus der SPD

Vor dem Parteitag hatte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken die Gemeinsamkeiten des Koalitionsprojekts beschworen und die Freidemokraten davor gewarnt, Zweifel am Zusammenhalt zu nähren. „Angesichts der gegenwärtigen internationalen Krisen widerspräche es staatspolitischer Verantwortung, die deutsche Position zu schwächen, indem man die Koalition infrage stellt“, sagte Esken dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Sie fügte hinzu: „Wir haben noch einiges gemeinsam vor. Und man darf bei allen Differenzen nicht vergessen: Vieles wird ohne jeden Streit beschlossen und umgesetzt.“ Die SPD-Chefin verwies auf die Gründungsidee des Ampel-Bündnisses: „Wir haben diese Koalition mit viel Mut geschlossen - und auch aus staatspolitischer Verantwortung. Die Idee war, dass sehr unterschiedliche Partner das Land genau dadurch voranbringen können, dass sie ihre unterschiedlichen Ideen zusammenfügen.“

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