Selbstbestimmungsgesetz: Paus will den Trans-Streit mit Sauna-Paragraph entschärfen

Selbstbestimmungsgesetz: Lisa Paus will den Trans-Streit mit Sauna-Paragraf entschärfen

Feministen, Konservative und Trans-Aktivisten streiten ums Selbstbestimmungsgesetz. Das Familienministerium versucht, den Konflikt mit einer Sonderregel zu schlichten. 

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) besucht die Kinder-Oase der Tafel in Nauen.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) besucht die Kinder-Oase der Tafel in Nauen.Florian Gärtner/imago

Am Mittwoch ist es so weit: Das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) wird vom Kabinett der Ampelkoalition verabschiedet. Es ersetzt das bislang geltende Transsexuellengesetz. Transpersonen sollen ohne langes Verfahren, medizinisches Gutachten und peinliche Fragen ihren Geschlechtseintrag ändern können. Eine bloße Selbstauskunft beim Standesamt soll künftig ausreichen.

Der Gesetzentwurf war von Anfang an bei Frauenrechtsverbänden, aber auch innerhalb der Koalition umstritten. Die Befürchtung: Männer, die sich per Eintrag eine weibliche Geschlechtsidentität bescheinigen lassen, könnten sich in geschlechtsspezifische Schutzräume wie Frauensaunen oder Frauenumkleiden ungehindert Zugang verschaffen. Nun will Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) diesen Streitpunkt mit einem speziellen Paragrafen zum Hausrecht von Betreibern geschlechtsspezifischer Einrichtungen wie Frauensaunen oder Sportvereinen entschärfen. 

Saunabetreiber können Transfrauen Zutritt verweigern

Was das im konkreten Einzelfall bedeutet, wird im Referentenentwurf gleich auf mehreren Seiten im Kapitel „Begründung“ erläutert. So könnten Saunabetreiber auch nach dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes einzelnen Personen den Zutritt verwehren, wenn ein „sachlicher Grund vorliegt“.

Als Beispiele werden „das natürliche Bedürfnis nach dem Schutz der Intimsphäre“ der Saunabesucher oder die Befürchtung genannt, dass es zu einer „Belästigung oder sexuellen Belästigung“ durch die jeweilige Person kommen könnte. Auch zukünftig, heißt es explizit an anderer Stelle, sollen also „Personen nicht lediglich unter Berufung auf ihren Eintrag im Personenstandsregister Zugang zu einer geschlechtsspezifischen Sauna erlangen“.

Diese Regelung gelte nicht nur für geschlechtsspezifische Saunen, so der Referentenentwurf vom Mai dieses Jahres, sondern auch für den „Zugang zu geschlechtsspezifischen Toiletten und Umkleideräumen“. Jedoch dürfe eine Zutrittsverweigerung vonseiten der Betreiber nicht „pauschal auf die Geschlechtsidentität“ gestützt werden. Das wäre nach Definition des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) kein sachlicher Grund, sondern eine Diskriminierung. So weit die Rechtslage, die – wenn der Bundestag zustimmt – ab November 2024 in Deutschland gelten soll.

Familienministerin Lisa Paus (Grüne): „Transfrauen sind Frauen“

Noch im vergangenen Jahr klang Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ganz anders. Konfrontiert mit der Frage, wie sie für das Sicherheitsgefühl von Frauen sorgen wolle, die sich in der Sauna oder in der Sport-Umkleide womöglich unsicher fühlten, wenn Menschen, die bisher Männer waren, diese Räume betreten, antwortete Paus mit einem klassischen Axiom der Queer-Bewegung: „Transfrauen sind Frauen, und deswegen sehe ich da jetzt keinen weiteren Erörterungsbedarf.“ So Paus am 30. Juni vergangenen Jahres bei der Vorstellung der Eckpunkte des Selbstbestimmungsgesetzes in der Bundespressekonferenz.

Auf Anfrage der Berliner Zeitung ließ das Bundesfamilienministerium wissen, Paus’ Formulierung, sie sehe „da jetzt keinen weiteren Erörterungsbedarf“, sei bloß eine Umschreibung des im Referentenentwurf geschilderten Sachverhalts.

Bei Gefährdung des Kindeswohls kann Eltern das Sorgerecht entzogen werden

Dass sich das Ministerium bei dieser Frage schmallippig gibt, hat einen Grund: Die unterschiedlichen Gesetzentwürfe von Grünen und FDP sorgten im Bundestag für reichlich Konflikte. Gesetzentwürfe beider Parteien, in denen Regelungen zum Zugang zu geschlechtsspezifischen Einrichtungen wie Saunen oder Sport-Umkleiden fehlten, wurden 2021 bei einer Abstimmung im Bundestag abgelehnt. Aus dem Grund hatte die Ampelkoalition den Gesetzentwurf umfangreich überarbeitet.

Ein weiterer brisanter Punkt im überarbeiteten Gesetzentwurf: Transfrauen sollen im Verteidigungsfall weiterhin zum Dienst an der Waffe eingezogen werden. Zudem soll eine Frist von einem Jahr für die erneute Änderung des Personenstandseintrags gelten.

Bei Minderjährigen zwischen 14 und 18 Jahren soll die Zustimmung der Eltern beziehungsweise eines Familiengerichts für die Änderung im Personenstandseintrag verbindlich werden. Sollten aber Eltern den Geschlechtseintrag und den Vornamen des Kindes gegen dessen Willen ändern lassen, kann das Familiengericht laut Ministerium von Amts wegen Schutzmaßnahmen treffen – bis hin zum Entzug des Sorgerechts.

Sowohl Feministinnen als auch Trans-Aktivisten üben Kritik

Trotz der Änderungen stößt der Gesetzentwurf nicht auf Gegenliebe: Sowohl Trans-Aktivisten als auch Feministinnen sehen das von der Ampelkoalition geplante Selbstbestimmungsgesetz kritisch.

Der Bundesverband Trans* kritisiert am Gesetzentwurf, dass „an unterschiedlichen Stellen vor allem ein potenzieller Missbrauch des Gesetzes im Fokus“ gestanden habe. Transfrauen dürften nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden, so der Verband, zudem müsste auch das Risiko für transfeindliche Anfeindungen in geschlechtsspezifischen Räumen thematisiert werden.

Bundesverband Trans* fordert einfache Änderung ab 14 Jahren

Für die Debatte rund um Frauensaunen und -umkleiden hat der Verband kein Verständnis. Sie sei demnach „auf die trans*feindliche Vorstellung“ zurückzuführen, dass es mehr sexuelle Übergriffe in Räumen gebe, wenn sich dort Transpersonen aufhielten. Der Bundesverband fordert zudem, dass Minderjährige – anders als im Gesetzentwurf vorgesehen – „ohne Hürden ihren Geschlechtseintrag ändern können, wenn sie das 14. Lebensjahr vollendet haben“.

Die feministische Initiative Geschlecht zählt kritisiert das Selbstbestimmungsgesetz, da es die menschliche Zweigeschlechtlichkeit bestreite. Sie befürchtet einen Paradigmenwechsel im deutschen Rechtssystem. 

Der Initiative gehen zudem die Schutzbestimmungen für Frauensaunen und -umkleiden nicht weit genug: Sie seien „weder angemessen noch ausreichend“, sagte eine Sprecherin gegenüber der Berliner Zeitung. Denn der Staat entzöge sich mit Hinweis auf das Hausrecht der Betreiber „seiner gesetzlichen Verantwortung, den Schutz von Frauen und Mädchen zu gewährleisten“, die in der UN-Frauenrechtskonvention und der Istanbul-Konvention ratifiziert sei.

Christoph de Vries (CDU): Bürgerliche Mitte lehnt Identitätspolitik ab

Ähnlich bewertet Christoph de Vries (CDU) den Gesetzentwurf: „Das Geschlecht ist in biologischer oder sozialer Hinsicht eine Tatsache und keine Frage der Selbstbestimmung“, sagte der Bundestagsabgeordnete gegenüber der Berliner Zeitung. Die geplanten Schutzraum-Regelungen würden weder Rechtssicherheit schaffen „noch tragen sie den begründeten Ängsten von Frauen Rechnung“, so de Vries weiter.

Dass Familiengerichte in der Frage des Geschlechtseintrags des Kindes die Eltern überstimmen könnten, läuft de Vries zufolge „dem staatlichen Schutzauftrag für junge Menschen zuwider, die sich in einer Orientierungs- und Selbstfindungsphase befinden“. Die bürgerliche Mitte hierzulande würde eine solche „ideologisch aufgeladene Identitätspolitik“ ablehnen.

Dem Familienministerium zufolge gab es am Jahresende 2020 insgesamt 2687 Verfahren nach dem Transsexuellengesetz, 2021 waren es 3232 Verfahren. Es prognostiziert für die nahe Zukunft rund 4000 Anträge pro Jahr.