Unternehmer zerlegt Ampel – „Schadet mehr der deutschen als der russischen Wirtschaft“
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Unternehmer zerlegt Ampel: „Schadet mehr der deutschen als der russischen Wirtschaft“

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Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Flaute – und ein Ende ist nicht in Sicht. Unternehmer sind frustriert – und warnen immer eindringlicher vor einer Deindustrialisierung.

Berlin – Aus fast jeder Ecke sind dieser Tage die Hilferufe zu hören: Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Krise, die vielen verschleppten Probleme – Energiewende, Bürokratieabbau, Fachkräftemangel – drücken ihr immer mehr die Luft ab. Daran hat die aktuelle Bundesregierung nicht die alleinige Schuld; doch sind Vertreter und Vertreterinnen der Wirtschaft zunehmend frustriert darüber, dass die Ampel-Koalition es nicht schafft, entschieden zur Tat zu schreiten.

„Symptome einer Deindustrialisierung“: Wirtschaft fordert rasches Handeln

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und die Gewerkschaft IG Metall haben die Bundesregierung daher (erneut) dazu aufgerufen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Dass sich viele in- und ausländische Unternehmen bei Standort- und Investitionsentscheidungen derzeit gegen Deutschland entscheiden würden, seien „bedrohliche Symptome einer Deindustrialisierung“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung. „Die Bundesregierung muss allem voran für konkurrenzfähige Energiekosten sorgen sowie attraktivere Investitionsbedingungen schaffen.

Diese Gefahr sieht auch der Unternehmer Daniel Hager, der Aufsichtsratschef der Hager Group, auch. Im Interview mit dem Handelsblatt warnt er: „Die Deindustrialisierung findet in der Chemie-, der Stahl und der Autoindustrie bereits statt. Die Langzeiteffekte sind fatal. Es wird Wohlstand verloren gehen. Wenn sich das Land weiter deindustrialisiert, dann wird es zappenduster.“ Unternehmern werde es zunehmend schwer gemacht, in Deutschland fortzubestehen und zu investieren, weshalb sich auch immer mehr Firmen vom Land abwenden.

„Industriestandort Deutschland ist in Gefahr“: Deutsche müssen mehr arbeiten

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und die Gewerkschaft fordern in ihrer Mitteilung außerdem einen beschleunigten Infrastrukturausbau auch auf dem Land, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine langfristige Rohstoffstrategie. Angesichts des Fachkräftemangels müsse die Bildung mehr in den Fokus gerückt werden.

„Der Industriestandort Deutschland ist in Gefahr. In anderen Ländern wird auch aufgrund wettbewerbsfähigerer Rahmenbedingungen mehr investiert. Energisches Gegensteuern ist gefragt - sonst drohen eine verheerende Deindustrialisierung, eine weitere gesellschaftliche Spaltung und eine zunehmende Radikalisierung politischer Debatten und Proteste“, hieß es in der Mitteilung.

Der Unternehmer Daniel Hager geht mit der Ampel hart ins Gericht
Der Unternehmer Daniel Hager geht mit der Ampel hart ins Gericht © Imago/dpa/Fotomontage

Auch dem schließt sich der Unternehmer Daniel Hager an. „Wir müssen mehr arbeiten. Es fehlt eine Leistungskultur hierzulande. [...] Deutschland funktioniert derzeit einfach sehr schlecht.“ Die gesellschaftliche Spaltung nehme aus seiner Sicht auch deshalb zu, weil die Politik nicht in der Lage sei, eine geeinte Front zu bilden. „Wenn drei Parteien in der Regierung ringen, weiß die Bevölkerung nicht, woran sie ist.“ Man habe das gesehen bei den Förderungen für E-Autos, die plötzlich gestoppt wurden, dem Heizungsgesetz, der Debatte um das Bürgergeld und auch in der Migrationsdebatte. „Bei den Bürgern ist das Thema Migration und die Furcht vor sozialem Abstieg deutlich größer als die Sorge um Nachhaltigkeit. Das kann der Politik nicht egal sein. Sie kann die grüne Transformation nicht mit der Brechstange vollziehen“, so Hager der Zeitung.

Energie ist die größte Sorge der Wirtschaft: „Der letzte Kanzler, der einen Plan hatte, war Gerhard Schröder“

Das größte Problem, das die deutsche Wirtschaft nach Ansicht aller Experten und Expertinnen derzeit hat, ist die Frage nach der günstigen Energie. Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs und dem Stopp russischer Öl- und Gaslieferungen, sind die Energiekosten auf ein nie dagewesenes Level gestiegen. Und auch wenn sich die Lage nun gebessert hat: Energie bleibt in Deutschland teuer, vor allem die sogenannte grüne Energie. Dieses Problem zu beheben und damit auch Unternehmen langfristig wieder zu binden, ist Hauptaufgabe der Politik dieser Tage.

Aus Sicht von Daniel Hager tut diese genau das jedoch nicht. „Der letzte Kanzler, der einen Plan hatte, war Gerhard Schröder. Er wusste, dass er die Industrie hegen und pflegen muss. Er wusste, dass man günstige Energie für die Industrie braucht.“ Dabei meint der Unternehmer natürlich das billige russische Gas: Schröder war derjenige, der den Bau der Pipeline Nord Stream 1 unter der Ostsee beauftragte, gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Russisches Gas wäre wichtig zur Überbrückung gewesen

Dieses billige russische Gas hätte man nach Ansicht des Unternehmers jetzt weiterhin haben können, um diese Phase der Transformation abzufedern. „Die aktuelle Regierung jedenfalls hat sich dafür entschieden, ein Sanktionspaket auf den Weg zu bringen, das mehr der deutschen als der russischen Wirtschaft schadet“, urteilt Hager. Auch mit der Abschaltung von Atomstrom, habe die Bundesregierung seiner Meinung nach eine Gelegenheit verpasst, der deutschen Wirtschaft zu helfen. „Die wichtigste Aufgabe für die Wirtschaftspolitik ist es, verfügbaren, günstigen und grünen Strom bereitzustellen. [...] Was man Deutschland aber anlasten muss, ist, dass wir keinen Plan und kein Ziel haben.“

Dieser Einschätzung schließt sich auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) an. „Deutsche Unternehmen brauchen international wettbewerbsfähige Energiepreise und sind auf eine sichere Versorgung angewiesen“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die deutschen Strompreise seien an der Börse noch immer doppelt so hoch wie 2019. Allerdings sind die Preise im Verlauf des vergangenen Jahres gefallen. Zusammen mit Steuern, Netzentgelten und Umlagen seien die Kosten zum Teil sogar viermal so hoch wie in anderen Ländern, sagte Adrian.

Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft lag der durchschnittliche Strompreis für die Industrie bei Neuabschlüssen Anfang 2024 bei 17,65 Cent pro Kilowattstunde, 2019 waren es demnach 18,43 Cent. Etwa ein Drittel davon entfiel damals noch auf die EEG-Umlage, die inzwischen nicht mehr fällig wird. In der Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2020 war der Preis auf 43,20 Cent hochgeschnellt.

Unternehmer hält wenig von Ampel-Koalition: „Ich warte auf eine neue Regierung“

Daniel Hager macht sich allerdings wenig Hoffnung darüber, die Ampel-Koalition noch zum Einlenken bewegen zu können. „Da kommt nichts mehr. Ich warte jetzt auf eine neue Regierung, auch wenn ich nicht weiß, ob wir dann etwas Besseres bekommen werden“, sagt er dem Handelsblatt. So richtig optimistisch ist er auch nicht mit Blick auf die größte Oppositionspartei: „Meine Kritik an der Politik ist nicht auf die Ampel gemünzt. Selbst in der CDU haben nur wenige, wie Friedrich Merz, bereits in der Wirtschaft gearbeitet.“

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