Berlinale-Star Leonie Benesch: „Ich habe eine ziemlich kurze Lunte“

Berlinale-Star Leonie Benesch: „Ich habe eine ziemlich kurze Lunte“

Die Schauspielerin, bekannt aus „Babylon Berlin“, gehört zum Team der Serie „Der Schwarm“. Bei der Berlinale wird sie als European Shooting Star geehrt.

Leonie Benesch bei unserem Treffen in Berlin. 
Leonie Benesch bei unserem Treffen in Berlin. Benjamin Pritzkuleit

Wenn die Serie „Der Schwarm“ auf der Berlinale ihre Uraufführung im Kino erlebt, dann passen die Szenen mit Leonie Benesch gut in die Jahreszeit. Als Meeresbiologin Charlie Wagner ist sie dabei zu sehen, wie sie sich die Hände neben dem Laptop an einer Teetasse wärmt, wie sie auf dem Fahrrad gegen Sturm ankämpft, wie sie sich krümmt, bevor sie in ein aufgepeitschtes Meer springt. Leonie Benesch aber hat das Frieren der Wissenschaftlerin nur gespielt. Als ihre Szenen für die internationale Koproduktion „Der Schwarm“ nach dem Buch von Frank Schätzing entstanden, befand sich das Team im sonnig-heißen Italien oder im geschützten Unterwasserstudio in Brüssel.

In Berlin allerdings wird sich die Schauspielerin mehrfach auf dem roten Teppich der Februarkühle aussetzen: Nicht nur die Serie hat bei den Filmfestspielen ihre Premiere, Benesch spielt außerdem die Hauptrolle in Ilker Çataks Film „Das Lehrerzimmer“, der in der Sektion Panorama uraufgeführt wird, und sie ist einer von zehn European Shooting Stars. Gemeinsam mit sieben Kolleginnen und zwei Kollegen wird sie dafür in einer Gala am 20. Februar gefeiert.

Mit „Das weiße Band“ Start in die Filmwelt

Insofern hat es die Organisation European Film Promotion sich gut überlegt, noch vor der Berlinale Journalisten-Termine mit den jungen Stars anzubieten. Rund um die Gala sind sie für Begegnungen mit Regisseurinnen, Castern und Produzentinnen gebucht. Es geht darum, sie zu vernetzen. Leonie Bensch freut sich darauf. „Dadurch, dass ich schon einige Jahre unterwegs bin, habe ich eine klare Vorstellung davon, was ich fragen möchte. Mit achtzehn oder zwanzig wäre ich davon sicher ein bisschen überfordert gewesen“, sagt sie. Dieses Alter erwähnt sie nicht zufällig. Sie war 18, als „Das weiße Band“ von Michael Haneke in Cannes mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde, in ihrer Rolle als Kindermädchen Eva fiel sie auf.

Leonie Benesch hat nach ihrem Start in die Filmwelt erst einmal studiert. Dass sie sich dafür die Guildhall School of Music and Drama in London aussuchte, ist ihr heute von Nutzen. Ihr Englisch klingt so britisch, dass sie nicht nur für zwei Folgen der Serie „The Crown“ besetzt wurde, sondern auch eine Hauptrolle in der achtteiligen Jules-Verne-Verfilmung „In 80 Tagen um die Welt“ bekam. Sie spielte eine mutige Reporterin, um 1880 so sehr ihrer Zeit voraus, dass in der literarischen Vorlage ihre Rolle noch männlich ist: Ihre Abigail Fix ist im Roman der Detektiv Fix.

Phileas Fogg (David Tennant, M.), Jean Passepartout (Ibrahim Koma, l.) und Abigail Fix (Leonie Benesch, r.) in der zweiten Folge von „In 80 Tagen um die Welt“. Die Serie ist in der ZDF-Mediathek abrufbar.
Phileas Fogg (David Tennant, M.), Jean Passepartout (Ibrahim Koma, l.) und Abigail Fix (Leonie Benesch, r.) in der zweiten Folge von „In 80 Tagen um die Welt“. Die Serie ist in der ZDF-Mediathek abrufbar.Tudor Cucu/ZDF

Auf Englisch gedreht wurde nun auch „Der Schwarm“, obwohl ihre Filmfigur Charlie Wagner aus Deutschland kommt. Mit dem Regisseur hat Leonie Benesch geklärt, an welchen sprachlichen Eigenheiten man ihr die deutsche Herkunft anmerken soll. Ansonsten musste sie ihre Zunge an das Vokabular aus Biologie und Physik gewöhnen; Charlie gehört zu einem Forscherteam, das sich mit der Meeresströmung beschäftigt. Sie arbeitet am Außenposten auf den Shetlandinseln, ihre Professorin, gespielt von Barbara Sukowa, sieht sie meist nur per Bildschirm – und aus den Dialogen klingt ein gereizter Unterton durch.

Sie findet sich so ungeduldig wie ihre Figur

Diese Ungeduld nennt Leonie Benesch als erstes, als wir sie beim Treffen in einem Berliner Hotel fragen, was sie mit ihrer Figur verbindet. Es sei der Charakter, der sie interessierte: Die junge Wissenschaftlerin agiere gern rebellisch. „Von dieser Seite habe ich mich ihr genähert. Ich habe auch eine sehr kurze Lunte, bin manchmal sehr schnell in meinem Urteil.“ Den Eindruck vermittelt sie beim Interview nicht. Sie ist geduldig, lässt sich nicht anmerken, ob sie eine Frage schon oft gehört hat. Und der Fotograf darf sich alle Posen wünschen, die er braucht.

Leonie Benesch beim Fototermin
Leonie Benesch beim FototerminBenjamin Pritzkuleit

Wie sieht es aus mit dem Schauplatz des Geschehens, kann sie damit etwas anfangen? „Ich bin wahnsinnig gerne im Wasser“, sagt sie. Sie habe für die Serie das Kraulen geübt, damit es so aussieht, als würde sie immer so schwimmen. Tauchen ohne Sauerstoffversorgung könne sie, seit sie für „In achtzig Tagen um die Welt“ in Kapstadt war und dort einen Kurs absolvierte. Dann wechselt Leonie Benesch die Tonlage ins Nachdenkliche. Sie habe großen Respekt vor dem offenen Meer, von Kindheit an. „Wenn wir in den Urlaub gefahren sind, an diesem Moment, wenn man zum ersten Mal das Meer sieht, hatte ich den Gedanken: Wer mag hier alles gestorben sein im Lauf der Jahrtausende? Als kleines Kind! Egal, welches Meer ich sehe, ich denke jedes Mal: Wie viele Schiffe sind hier gesunken, wer ist hier ertrunken, welche Leichen hat man hier entsorgt?“

Die düstere Seite beschäftige sie sehr, wenn sie am Meer sei oder Dokumentationen schaue. Womit wir einen weiteren Bezug zu ihrer Figur haben. Sie nennt sich selbst „newssüchtig“, sei an aktuellen Entwicklungen interessiert, und könne sich gut vorstellen, dass ihre Charlie sich bei „Scientists for future“ engagieren würde. „Der Schwarm“ sei so angelegt, dass die jüngeren Wissenschaftler neue Wege suchten und sich von einem „Das haben wir immer so gemacht“ nicht stoppen lassen würden. Die Botschaft der Serie, die Natur zu respektieren, sei ein Ansporn beim Dreh gewesen: „Dass diese große Produktion einhergeht mit einer Idee, die wir alle gut finden.“

Gute Schauspieler wollen das Miteinander

Und dann gibt es noch etwas, das ihr gut gefallen hat: „mal in der Gegenwart stattzufinden“. Nicht, dass sie etwas gegen historische Stoffe hätte, aber die textlichen Anforderungen seien doch anders. Beim Publikum wird sie also auch einen Eindruck geraderücken. Denn die meisten Zuschauer hierzulande verbinden ihr Gesicht mit Grete Overbeck aus „Babylon Berlin“.

Da ist sie in den 1920er-Jahren Haushälterin bei einem Regierungsrat, den Matthias Brandt darstellt – ein Anlass, noch nach anderen berühmten Kollegen wie Senta Berger oder Lars Eidinger zu fragen, mit denen sie bisher zusammengearbeitet hat. Die meisten seien großzügig in ihrem Spiel. Das heißt: „Sie wollen Momente mit anderen Schauspielerinnen oder Schauspielern gemeinsam schaffen, um die Wahrheit in dem Moment zu spielen.“

Wenn sie nun also schon wüsste, wie sie den Produzentinnen oder Regisseuren begegnen möchte, die sie bei der Berlinale treffen wird, hat sie dann auch Rollen vor Augen, die zu ihrem Karriereplan passen? Einen Plan verfolge sie nicht. Leonie Benesch sagt: „Mich interessieren interessante Menschen und gute Ideen.“