Leben zu zweit

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Chibi
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Leben zu zweit

Beitrag von Chibi »

Hallo,

ab Ende nächster Woche lebe ich offiziell mit meinem Partner zusammen, mit dem ich schon seit ca. 2,5 Jahren in einer Beziehung bin.
Ich freue mich ihn jetzt fast jeden Tag sehen zu können, aber ich bin auch sehr nervös weil ich eben chronisch krank bin und das Leben mit mir nicht einfach ist. Besonders da ich aus dem Elternhaus nie ein Vorbild für eine gesunde Partnerschaft hatte.
Deshalb ein paar Fragen an Angehörige von uns Menschen mit Depressionen:
1. Was würdet ihr euch von euren Liebsten wünschen? Wie lässt sich das Zusammenleben auf engstem Raum mit einem kranken Partner einfacher gestalten (gerade zu Beginn)?
2. Habt ihr einen Krisenplan für eventuelle psychische Notfälle aufgestellt?
3. Was gibt euch Kraft in einer Beziehung?

Danke fürs lesen.

- Chibi
DieNeue
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von DieNeue »

Das würde mich auch interessieren. :) Stelle mir das Zusammenleben mit mir auch immer nicht so einfach vor (für beide). Ich glaube, ich bräuchte noch einen Raum nur für mich ganz alleine.
Bin gespannt, was so an Antworten kommt :)
hopstobs
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von hopstobs »

Wenn ich mich versuche in die Situation reinzuversetzen, so glaube ich, dass mir Folgendes als Angehöriger helfen würde:

- Die Krankheit muss mir als Partner bekannt sein
- Es muss auch beim Betroffenen Einsicht herrschen und Verantwortung dafür getragen werden, also etwa eine Therapie
- Ein eigener Rückzugsraum klingt gut, auch eigene Hobbys, eigene Zeit, Freiraum um sich mit der Selbstfürsorge leichter zu tun, in Tipps für Angehörige las ich öfter, dass man einen depressionsfreien Raum braucht in den man sich zurückziehen kann.
- Ich bin sehr froh, dass ich meine ganz eigene Wohnung habe in der ich für meinen eigenen Haushalt für mich zuständig bin. Vielleicht macht es Sinn vorab feste Zuständigkeiten auszuhandeln. Es braucht verlässliche Absprachen und Kompromisse, auf der anderen Seite finde ich genau diese Punkte schwierig zu erreichen.

Vielleicht bietet das ja schon mal eine Diskussionsgrundlage an der noch mehr Punkte aufploppen :-)
DieNeue
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von DieNeue »

hopstobs hat geschrieben: 20. Jul 2023, 09:08 - Ein eigener Rückzugsraum klingt gut, auch eigene Hobbys, eigene Zeit, Freiraum um sich mit der Selbstfürsorge leichter zu tun, in Tipps für Angehörige las ich öfter, dass man einen depressionsfreien Raum braucht in den man sich zurückziehen kann.
Was ist denn ein "depressionsfreier" Raum? Also ein Raum ohne den Partner mit Depressionen?
Ich meinte für mich eher einen "Angehörigenfreien" Raum, wo ich machen kann, was ich will, wo sich keiner Sorgen um mich macht, keiner stört, keiner meckert, wie es aussieht bzw. kein anderer Unordnung macht. Also im Prinzip bräuchte jeder einfach seinen Raum für sich.
Sollten eigene Hobbys nicht selbstverständlich sein? Man sollte sich ja nicht komplett aufgeben, wenn man mit jemandem zusammen ist.
hopstobs
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von hopstobs »

Ich denke, der depressionsfreie Raum darf vieles sein, ein Abend alleine mit Freunden, ein Wochenende alleine unterwegs, ein Bastelkeller als Rückzugsort, es kann auch die Bank vorm Haus sein, die man gemeinsam benutzt. Dort ist die Depression und die Probleme die sie in die Partnerschaft bringt aber tabu, keine Gespräche darüber, keine Hilfe für den/die Erkrankte an diesem Ort.
Dass man genug für sich tun soll und darf ist selbstverständlich und doch führt der Leidensdruck die Partner von Erkrankten haben, sowie die häufige Präsenz der Erkrankung schleichend dazu, dass man am Ende zu viel gibt, hilft oder in die Rolle des Therapeuten rutscht. Wäre das alles so selbstverständlich, bräuchte es dieses Unterforum vermutlich nicht :-)
Chibi
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von Chibi »

hopstobs hat geschrieben: 20. Jul 2023, 09:08 Wenn ich mich versuche in die Situation reinzuversetzen, so glaube ich, dass mir Folgendes als Angehöriger helfen würde:

- Die Krankheit muss mir als Partner bekannt sein
- Es muss auch beim Betroffenen Einsicht herrschen und Verantwortung dafür getragen werden, also etwa eine Therapie
- Ein eigener Rückzugsraum klingt gut, auch eigene Hobbys, eigene Zeit, Freiraum um sich mit der Selbstfürsorge leichter zu tun, in Tipps für Angehörige las ich öfter, dass man einen depressionsfreien Raum braucht in den man sich zurückziehen kann.
- Ich bin sehr froh, dass ich meine ganz eigene Wohnung habe in der ich für meinen eigenen Haushalt für mich zuständig bin. Vielleicht macht es Sinn vorab feste Zuständigkeiten auszuhandeln. Es braucht verlässliche Absprachen und Kompromisse, auf der anderen Seite finde ich genau diese Punkte schwierig zu erreichen.

Vielleicht bietet das ja schon mal eine Diskussionsgrundlage an der noch mehr Punkte aufploppen :-)
Viel Rückzugsorte haben wir leider nicht wirklich, da wir in einer 1,5 Zimmer Wohnung leben werden. Eigene Hobbys sind natürlich logisch. Er hat seinen Computer und da lasse ich ihn auch in Ruhe. Das mit der festen Zuständigkeit klingt auf jeden Fall gut, aber was mach ich wenn ich eben mal nichts mehr machen kann? Es kommt zum Glück nicht oft vor, aber es kann in sehr schweren Episoden passieren dass ich Mal ein oder zwei Tage nicht aus dem Bett komme.
DieNeue
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von DieNeue »

@ hopstobs:
Ah okay, verstehe, also gar nicht mal unbedingt ein physischer Raum, sondern einfach mal Zeit, wo es nicht um die Krankheit geht.
Ich glaube, als Betroffene bräuchte ich tatsächlich aber einen Raum, wo ich mal alleine sein kann und wo kein Anderer in Panik ausbricht oder sich Sorgen macht, sobald ich mal komisch guck oder eine Träne kullert. Kenne das von zuhause bei meinen Eltern. Finde das immer furchtbar, wenn andere sich gleich Sorgen machen.
hopstobs hat geschrieben: 20. Jul 2023, 12:57 Dass man genug für sich tun soll und darf ist selbstverständlich und doch führt der Leidensdruck die Partner von Erkrankten haben, sowie die häufige Präsenz der Erkrankung schleichend dazu, dass man am Ende zu viel gibt, hilft oder in die Rolle des Therapeuten rutscht. Wäre das alles so selbstverständlich, bräuchte es dieses Unterforum vermutlich nicht :-)
Ja, wahrscheinlich. Ich habe nur manchmal das Gefühl, dass es manchen Leuten grundsätzlich total fremd ist, auch mal was für sich alleine zu tun, wenn sie mit jemandem zusammen sind. Es hört sich oft so an, als würden manche durch die Depression zum ersten Mal vor der Situation stehen, dass sie z.B. mal einen Abend ohne den Partner verbringen sollen. Aber vielleicht hört es sich auch nur so an. Aber ja, es kommt schleichend und man merkt das nicht sofort.
Chibi
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von Chibi »

DieNeue hat geschrieben: 20. Jul 2023, 13:34 @ hopstobs:
Ah okay, verstehe, also gar nicht mal unbedingt ein physischer Raum, sondern einfach mal Zeit, wo es nicht um die Krankheit geht.
Ich glaube, als Betroffene bräuchte ich tatsächlich aber einen Raum, wo ich mal alleine sein kann und wo kein Anderer in Panik ausbricht oder sich Sorgen macht, sobald ich mal komisch guck oder eine Träne kullert. Kenne das von zuhause bei meinen Eltern. Finde das immer furchtbar, wenn andere sich gleich Sorgen machen.
hopstobs hat geschrieben: 20. Jul 2023, 12:57 Dass man genug für sich tun soll und darf ist selbstverständlich und doch führt der Leidensdruck die Partner von Erkrankten haben, sowie die häufige Präsenz der Erkrankung schleichend dazu, dass man am Ende zu viel gibt, hilft oder in die Rolle des Therapeuten rutscht. Wäre das alles so selbstverständlich, bräuchte es dieses Unterforum vermutlich nicht :-)
Ja, wahrscheinlich. Ich habe nur manchmal das Gefühl, dass es manchen Leuten grundsätzlich total fremd ist, auch mal was für sich alleine zu tun, wenn sie mit jemandem zusammen sind. Es hört sich oft so an, als würden manche durch die Depression zum ersten Mal vor der Situation stehen, dass sie z.B. mal einen Abend ohne den Partner verbringen sollen. Aber vielleicht hört es sich auch nur so an. Aber ja, es kommt schleichend und man merkt das nicht sofort.
Gut, er und ich sind beide sehr introvertiert und daher verbringen wir automatisch viel Zeit mit uns alleine. Ich, indem ich mich in mein lernen vertiefe und er am PC.
Davor, dass er sich zu sehr überlastet habe ich auch Angst. Er sagt immer, dass er mir noch mehr helfen möchte obwohl ich sage, dass er schon mehr als genug tut und es mir eigentlich nur wichtig ist, dass es meine Erkrankung und nicht ich selbst ist oder er, die mich so verunsichert macht.
MySun
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von MySun »

Chibi hat geschrieben: 19. Jul 2023, 22:04 Was würdet ihr euch von euren Liebsten wünschen? Wie lässt sich das Zusammenleben auf engstem Raum mit einem kranken Partner einfacher gestalten (gerade zu Beginn)?
Hallo,
Aus der Sicht der Betroffenen und auch Betroffenen und Angehörigen (DieNeue), sind schon viele gute Rückmeldungen gekommen. :)

Ich halte es für eine gute Idee, dass wichtige Bedürfnisse offen besprochen und geklärt werden, bevor der Wunsch einer gemeinsamen Wohnung umgesetzt wird.
Und ich halte es für absolut wichtig, dass jeder in einer Lebensgemeinschaft, seinen eigenen Platz hat, an den er sich zurückziehen kann, wann immer er möchte, ob nun zum Arbeiten, zum Schlafen, zum Meditieren o. a. m.
hopstobs hat geschrieben: 20. Jul 2023, 12:57 (...)und doch führt der Leidensdruck die Partner von Erkrankten haben, sowie die häufige Präsenz der Erkrankung schleichend dazu, dass man am Ende zu viel gibt, hilft oder in die Rolle des Therapeuten rutscht.

Kann, muss aber nicht...

Liebe zueinander bedeutet auch Offenheit und Ehrlichkeit in einer Partnerschaft. Es sind zwei wichtige Bausteine in einer Beziehung.
Wenn ich als Angehörige, um die Krankheit meines Partners nicht wirklich weiß, sind Schwierigkeiten und Konflikte auf beiden Seiten schon vorprogrammiert.
Wir Angehörige müssen uns mit dem Wesen der Krankheit Depression genauso beschäftigen, so wie die Betroffenen auch, damit wir z.B. "nicht in die Rolle eines Therapeuten rutschen." Und auch wir müssen Selbstfürsorge lernen und leben. Es kann gelingen, als Paar gemeinsam glücklich und zufrieden zu leben, trotz Depression, die immer wieder dazwischen funken will.
Jeder muss um seine Stärken und Schwächen wissen und lernen mit ihnen umzugehen, dann kann es gelingen.

Mein Partner hat seit 30 Jahren eine Depression und wir führen immer noch eine glückliche Ehe. Wir sind beide sehr kommunikationsfreudige Menschen und haben gelernt offen und ehrlich miteinander zu sein. Dafür bin ich sehr dankbar.

Alles Gute und LG
MySun
"Viele Menschen sind zwar am Leben, berühren aber nicht das Wunder, am Leben zu sein.“-ThichNhatHanh-

Von Herzen
MySun
DieNeue
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von DieNeue »

Hallo MySun,
MySun hat geschrieben: 20. Jul 2023, 15:58 Mein Partner hat seit 30 Jahren eine Depression und wir führen immer noch eine glückliche Ehe. Wir sind beide sehr kommunikationsfreudige Menschen und haben gelernt offen und ehrlich miteinander zu sein. Dafür bin ich sehr dankbar.
Es ist schön zu hören, dass ihr trotz Depression schon so lange eine so gute und zufriedene Ehe führt. Wenn man hier im Angehörigenforum liest, könnte man manchmal meinen, dass jede Beziehung durch die Depression automatisch den Bach runtergeht. Aber meine Eltern sind auch schon fast 40 Jahre glücklich verheiratet, obwohl mein Vater Depressionen hat. Meine Mutter meinte mal, dass sie das nicht geschafft hätten, wenn sie nicht vor der Depression/Burnout schon gelernt hätten, so gut miteinander zu kommunizieren.
Ich habe ja auch selbst Depressionen und kann mir gar nicht vorstellen, dass es jemand mit mir aushalten würde, weil ich oft so negativ bin.

Liebe Grüße,
DieNeue
DieNeue
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von DieNeue »

Chibi hat geschrieben: 20. Jul 2023, 13:25 Das mit der festen Zuständigkeit klingt auf jeden Fall gut, aber was mach ich wenn ich eben mal nichts mehr machen kann? Es kommt zum Glück nicht oft vor, aber es kann in sehr schweren Episoden passieren dass ich Mal ein oder zwei Tage nicht aus dem Bett komme.
Vielleicht sind ein oder zwei Tage gar nicht so schlimm? Da bleibt ja nicht extrem viel liegen oder manches kann man mal ein paar Tage verschieben.
Mir hilft es manchmal, wenn man dann zu zweit was zusammen im Haushalt macht. Wenn meine Putzhilfe da ist, fällt es mir auch leichter, mich aufzuraffen und ich putze dann mit.
MySun
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von MySun »

DieNeue hat geschrieben: 20. Jul 2023, 19:16 Ich habe ja auch selbst Depressionen und kann mir gar nicht vorstellen, dass es jemand mit mir aushalten würde, weil ich oft so negativ bin.
Hallo liebe Die Neue,
wenn du die Liebe Deines Lebens gefunden hast, wenn er einfach der Richtige für Dich ist, kann sich vieles verändern. :)
Ich wünsche Dir sehr, dass er dich oder du ihn finden wirst.

Trotz der Depressionen haben wir viel voneinander lernen können. Ich von meinem Partner und auch mein Partner von mir.
Wir sind so etwas wie ein "Win Win Paar" . :D

Liebe Grüße
MySun
"Viele Menschen sind zwar am Leben, berühren aber nicht das Wunder, am Leben zu sein.“-ThichNhatHanh-

Von Herzen
MySun
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von DieNeue »

MySun hat geschrieben: 20. Jul 2023, 19:51 Ich wünsche Dir sehr, dass er dich oder du ihn finden wirst.
Danke. Das wünsche ich mir auch sehr. Aktuell müsste er mich schon ganz arg suchen oder mich zufällig finden, denn ich suche gar nicht aktiv.^^ Weiß gar nicht, wie ich sowas neben dem Alltag noch stemmen sollte.
MySun hat geschrieben: 20. Jul 2023, 19:51 Wir sind so etwas wie ein "Win Win Paar" . :D
Perfekt :D
hopstobs
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Re: Leben zu zweit

Beitrag von hopstobs »

Was mir noch eingefallen ist, vielleicht solltet ihr darüber sprechen und auch festhalten, was für euch wichtig in einer Beziehung ist und was längerfristig eure Ziele sind. Meine Erfahrung ist, dass die Probleme und Konflikte dann auftreten, wenn es zu Nähe kommt. Da stehen sich Eigenständigkeit, viel Rückzug, Trennung und der Wunsch nach Nähe und Erfüllung der Bedürfnisse schnell gegenüber. Depression kann sehr zermürben, gerade, dass man als Partner zunehmend zu kurz kommt. Wenn einem Nähe, Kommunikation, Zuwendung, gemeinsame Aktivitäten und Sex wichtig sind, birgt das schnell Konfliktpotential und ich finde auch dann, wenn man völlig stark in so eine Beziehung reinkommt. Das Verhalten das mit der Depression kommt, kann sehr destruktiv sein. Den größten Fehler, den man als Angehöriger vielleicht machen kann, ist es auf die leichte Schulter zu nehmen. Es ist nicht leicht und es wird ohne Hilfe auch nicht besser. Besonders viel Gefahr der Selbstaufgabe sehe ich dann, wenn man als Angehöriger selbst sehr bedürftig ist und sehr viel gibt, um ein kleines bisschen Nähe zu bekommen.
Wenn die Beziehung eh nicht eng ist, man in einer Zweckgemeinschaft wohnt in der das gegenseitige Interesse sehr gering ist, dann kann so eine Beziehung denke ich auf Dauer gut funktionieren. Mir wäre das zu wenig.
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