Wie tickt Lars Eidinger privat?
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Wie tickt Lars Eidinger privat?

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Zurückhaltend, höflich und gern mit Mütze: Lars Eidinger.
Zurückhaltend, höflich und gern mit Mütze: Lars Eidinger. © dpa

München - Lars Eidinger ist ein wahnsinnig sympathischer, höflicher, zurückhaltender Mensch. Doch auf der Mattscheibe spielt er meist die Psychorollen.

Um es gleich vorwegzunehmen: Man muss keine Angst vor ihm haben, auch wenn man eine Weile mit ihm allein in einem großen, kargen Raum sitzt. Man hat nicht das Gefühl, dass er jederzeit austicken oder so Klaus-Kinski-mäßig aus der Spur geraten könnte. Lars Eidinger ist ein wahnsinnig sympathischer, höflicher, zurückhaltender Mensch, der gerne eine Wollmütze auf dem Kopf trägt und mit dem man wunderbar über Möbelstücke und Einrichtungsfragen smalltalken kann. Dass man überhaupt auf die Idee kommen konnte, er sei vielleicht schwierig oder gar unheimlich, hat mit seiner Schauspielkunst zu tun. Denn die ist wirklich einzigartig.

Erinnern Sie sich an den Kieler Tatort: Der stille Gast mit Axel Milberg als Kommissar ­Borowski? Wenn Sie ihn gesehen haben, vermutlich schon. Eidinger spielte damals, der Film lief im September 2012, einen Psychopathen in Post­uniform, der sich in Wohnungen von Frauen schlich, an deren Zahnbürsten lutschte und wieder verschwand. Diese Figur war so überzeugend schaurig gespielt, so unfassbar böse, dass sie sich bis heute ins Gedächtnis vieler Zuschauer eingebrannt hat.

Am heutigen Mittwoch gibt es nun ein weiteres Meisterstück öffentlich-rechtlichen Fernsehens

In „Der Prediger“ spielt Eidinger einen Häftling, der Theologie studieren will. Links: Devid Striesow
In „Der Prediger“ spielt Eidinger einen Häftling, der Theologie studieren will. Links: Devid Striesow © Marco Nagel

mit Lars Eidinger in der Hauptrolle. Der Prediger erzählt die (wahre) Geschichte des inhaftierten Mörders Jan-Josef Geiss­ler (dargestellt von Eidinger), der im Gefängnis den Plan schmiedet, Theologie zu studieren und anschließend einer Gemeinde vorzustehen. Das Besondere: Er möchte all das mit der Genehmigung der katholischen Kirche tun und ersucht beim Bischof um Unterstützung. Dessen Referent (Devid Striesow) soll sich ein Bild von dem Mann im Knast machen. Darf ein Mörder Priester werden? Das ist die zentrale Frage in diesem als Kammerspiel inszenierten Film, der den Zuschauer fordert. Zu keiner Zeit kann man sich sicher sein, was in diesem Jan-Josef Geiss­ler wirklich vorgeht. Sagt er die Wahrheit? Täuscht er die, die es gut mit ihm meinen? Ist das alles für ihn nur ein Spiel?

Eine Paraderolle für Eidinger. „Es ist immer toll, eine Figur zu spielen, der man als Zuschauer nicht so richtig trauen kann“, sagt er. „Bei der man nie genau weiß, was sie eigentlich denkt. Mit dieser Vielschichtigkeit zu spielen, macht mir Spaß.“

Und er kann es. In Der Prediger gibt es am Ende eine Szene, in der Geissler weint. Berührend – aber auch echt? Man weiß es lange Zeit nicht. „Ich bin stolz, dass mir so etwas gelingt, dass ich das kann als Schauspieler“, sagt der Berliner. „Darüber freue ich mich wie ein Sportler, der sich vier Jahre auf Olympia vorbereitet hat und dann im entscheidenden Moment die Latte überspringt.“

Dass er Schauspieler werden wollte, wusste Lars Eidinger, Sohn einer Krankenschwester und eines Ingenieurs, früh. Er liebte es als kleiner Junge, sich in andere Figuren reinzudenken, in Rollen zu schlüpfen, Hörspiele nachzusprechen. Mitte der 90er-Jahre ließ er sich dann an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ausbilden, gemeinsam übrigens mit Devid Striesow. In dem Bewusstsein, dass Schauspieler nicht unbedingt ein Beruf ist, mit dem man eine Familie ernähren kann, hat er auf verschiedene Pferde gesetzt: Fernsehen, Film, natürlich Theater (mehrmals im Monat spielt er den Hamlet an der Berliner Schaubühne), außerdem Regie und Musik. „Wie bei Monopoly habe ich am Anfang erstmal viele Straßen gekauft, und jetzt fange ich an, die Häuser und Hotels drauf zu bauen“, sagt Eidinger und schiebt mit einem Schmunzeln nach: „Natürlich in der Hoffnung, dass jemand draufwürfelt.“

Dass er langsam aber sicher der Experte für die Psychorollen im deutschen Fernsehen werden könnte, stört ihn dabei nicht. „Selbst wenn es eine Schublade ist, es ist eine gute Schublade für mich.“ Er könne mit diesem Image ganz gut leben. „Ich denke, kein Mensch wird Schauspieler, weil er sich selbst spielen will“, sagt Eidinger, der mit seiner Frau Ulrike, einer Opernsängerin, und der siebenjährigen Tochter in Charlottenburg lebt. „Man möchte sich doch in Bereiche vorwagen, die einem eigentlich fremd sind.“ Und davon profitiere er letztlich auch selber. „Wenn ich abends in Gesellschaft bin, mit Freunden beim Essen, dann bin ich eher zurückhaltend. Ich muss mich da nicht aufspielen oder exponieren. Ich kann das alles in meinem Beruf ausleben. Das macht mich privat wesentlich ausgeglichener.“ Und, wie schon erwähnt, sehr sympathisch und entspannt. Das Böse? Alles nur gespielt.

Stefanie Thyssen

„Der Prediger“, Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD

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