Kinofilm

Strom der Erinnerungen – Isabelle Huppert in „Die Zeit, die wir teilen“

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AUTOR/IN
Julia Haungs

Isabelle Huppert gehört zu den Ikonen des europäischen Kinos. Bei der diesjährigen Berlinale erhielt sie den Bären für ihr Lebenswerk und zeigte ihren aktuellen Film „Die Zeit, die wir teilen“. Darin spielt sie eine verschlossene Frau, die ihr Leben Revue passieren lässt und es nach Jahrzehnten schafft, mit einer schwierigen Vergangenheit abzuschließen. Ein melancholischer Spaziergang durch die Zeiten, mit einer starken Hauptdarstellerin.

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Eine Reise in die Vergangenheit der erfolgreichen Verlegerin Joan

Joan ist tough. Eine erfolgreiche Verlegerin und alleinerziehende Mutter eines Sohns. Sie wird leidenschaftlich geliebt von Tim, einem deutlich jüngeren Autor, dessen Lektorin sie ist. Ihr Blick auf seine Skripte bleibt jedoch unbestechlich.

Joan ist eine Paraderolle für Isabelle Huppert: sinnlich und unnahbar, doch hinter einer herrischen Fassade sehr verletzlich. „Die Zeit, die wir teilen“ ist eine Reise in ihre Vergangenheit.

Langsam schleichen sich beim Zuschauer leise Irritiationen ein

Auslöser ist ein zufälliges Wiedersehen der Mittsechzigerin mit ihrer Jugendliebe Doug, der der Vater ihres Sohns ist, was er allerdings nicht weiß. Diese Begegnung lässt Joan abtauchen in Erinnerungen an vergangene Jahrzehnte. Wir sehen, wie sie als sehr junge Mutter mit ihrem Baby wieder bei den Eltern einzieht und auch wie Joans eigene Mutter die Familie von heute auf morgen verlässt, um mit dem Karatetrainer nach Japan zu gehen.

Die große Konstante in Joans Leben ist Sohn Nathan, den man im Film in verschiedenen Altersstufen sieht.  Das Verhältnis der beiden scheint nicht ganz einfach zu sein. Allerdings ist in „Die Zeit, die wir teilen“ vieles nicht so, wie es auf den ersten Blick wirkt.

Nachdem Isabelle Huppert als Joan zunächst so direkt und stark rüberkommt, schleichen sich leise Irritationen ein. Irgendetwas scheint sowohl mit ihrer Realität als auch mit den Erinnerungen nicht zu stimmen. Wird sie dement? Träumt sie?

Szene aus dem Film "Die Zeit die wir teilen" mit Isabelle Huppert und Lars Eidinger (Foto: Camino Filmverleih)

Erinnerungen können unzuverlässig sein, erkennt Joan

Eigentlich hätte man gleich mit der ersten Szene des Films vorgewarnt sein müssen. Direkt an die Kamera gewandt weist Joan auf die Unzuverlässigkeit von Erinnerungen hin, am Beispiel des Kennenlernens ihrer Eltern bei einer Schiffstaufe.

 Ich war mir ziemlich sicher, schon mal ein Foto in der Hand gehabt zu haben, das sie in der Menschenmenge zeigt und das Schiff im Hintergrund“, erzählt sie. Das ist absurd. So oft hab ich mir diese Geschichte angehört, das wurde für mich real. Der Stoff, aus dem Erinnerungen sind.“

Lars Eidinger als Autor Tim, dessen Lieben zu Joan unerwidert bleibt

„Die Zeit, die wir teilen“ ist auch ein Film übers Geschichten erzählen und über die Art und Weise, wie Erinnerung funktioniert. Regisseur Laurent Larivière lässt Joans subjektiv gefärbten Erinnerungsstrom elegant dahinfließen. Mühelos wechselt er zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her und verbindet die einzelnen Ereignisse durch die Jahrzehnte schlüssig miteinander.

Szene mit Isabelle Huppert und Lars Eidinger aus dem Film "Die Zeit die wir teilen"  (Foto: Camino Filmverleih)

Mit leichter Hand erzählt Larivière von schweren Themen: vom Verlassen werden, von Schuld, Trauer und Nicht-Loslassen Können. Komödiantischer Gegenpol zu Joans wehmütigen Betrachtungen ist ihre Beziehung zu Tim, dem Autor, der sie so lange unerwidert liebt. Lars Eidinger spielt ihn mit einiger Selbstironie als gefeierten Künstler am Rande der Selbstzerstörung. 

„Die Zeit, die wir teilen“ überzeugt durch seine stilsichere visuelle und erzählerische Eleganz. Ein melancholischer Spaziergang durch die Zeiten, mit einer starken Hauptdarstellerin.

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