Kirchenbücher

Kirchenbücher

  • addQuellengattung

    Bezeichnung

    Kirchenbücher - im amtlichen Sprachgebrauch als Amtshandlungsverzeichnisse bezeichnet - sind die Bücher, in denen kirchliche Amtshandlungen beurkundet werden. Allgemein bekannt und auch heute noch in den einzelnen Pfarreien geführt werden Tauf-, Konfirmations-, Ehe- und Totenregister, wenngleich mit geringfügig veränderten Bezeichnungen (Taufverzeichnis, Konfirmationsverzeichnis, Trauverzeichnis, Bestattungsverzeichnis). Zu den Kirchenbüchern werden im landläufigen Sprachgebrauch auch die im 19. Jahrhundert aufkommenden Familienregister - heute als Familienverzeichnisse bezeichnet - gerechnet, auch wenn in ihnen keine Beurkundung einer kirchlichen Amtshandlung erfolgt. Zur Gruppe der heute nicht mehr gebräuchlichen Kirchenbücher gehören die Verlobungsbücher (Proklamationen), die Kommunikantenregister, in denen die Abendmahlsteilnehmer verzeichnet wurden, sowie die Seelenregister, seit ungefähr Mitte des 18. Jahrhunderts geführte Vorläufer der Familienregister.

     

    Aufkommen und Überlieferung

    Die Vorschrift, Tauf- und Eheregister, später auch Totenregister zu führen, wurde in den heute zur württembergischen Landeskirche gehörenden Territorien und Reichsstädten im 16. Jahrhundert erlassen. Die ältesten Kirchenbücher der Landeskirche entstanden in der Markgrafschaft Ansbach, wo bereits die Kirchenordnung von 1533 die Pfarrer zur Führung von Kirchenbüchern verpflichtete. Im Herzogtum Württemberg wurden sie durch Herzog Christoph in den Jahren 1558/59 eingeführt. Die jeweils vor Ort geführten kirchlichen Register sind in Württemberg an manchen Orten seit dem 16. Jahrhundert erhalten. Vielfach setzt die Überlieferung jedoch erst nach dem Dreißigjährigen Krieg ein, der das Herzogtum und benachbarte Obrigkeiten schwer in Mitleidenschaft zog. In der Regel wurden Kirchenbücher zunächst als Mischbücher geführt, d.h., verschiedene Amtshandlungen wurden in ein Buch eingetragen. Gelegentlich finden sich auch besondere Eintragungen, z.B. chronikalische Notizen, Pfarrerlisten o.ä. Seit Anfang des 17. Jahrhunderts bildete sich allmählich die Trennung der Bücher nach Amtshandlungen aus. Im Jahre 1808 wurden im Königreich Württemberg die Familienregister eingeführt, die drei Generationen auf einem Familienblatt erfassen und in der Regel alphabetisch nach Familiennamen angelegt sind. 

     

    Personenstandsgesetz

    Das staatliche Interesse an den Kirchenbüchern begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Für den Staat hatten die Kirchenbücher den Stellenwert von amtlichen Registern für Personenstandsfälle (öffentliche Personenstandsurkunden). Sie wurden z.B. für die Belange des Einwohnermelde-, Militär-, Finanz- und Gesundheitswesens oder für statistische Zwecke herangezogen. Im Jahre 1876 wurden mit dem Personenstandsgesetz die Standesamtsregister eingeführt. Die Kirchenbücher verloren ab diesem Zeitpunkt ihre Bedeutung für den Staat, sie wurden (wieder) ausschließlich für die Belange der kirchlichen Verwaltung und die seelsorgerische Betreuung der Gemeindeglieder verwendet. Ein Einsichtsrecht für genealogische Forschungen besteht daher nicht.

     

    Beachten Sie auch den quellenkundlichen Beitrag zu den Kirchenregistern auf dem landeskundlichen Portal LEO-BW.

  • addBenutzung

    Die Kirchenbücher der Evangelischen Landeskirche in Württemberg bis 1875 wurden in den Jahren 1963 bis 1999 vollständig mikroverfilmt. Hierbei wurden die überlieferten Kirchenbücher in Listen erfasst, die im Landeskirchlichen Archiv eingesehen werden können. Ausserdem können sie in der Kirchenbuchdatenbank recherchiert werden. Seit Abschluss der Sicherungsverfilmung werden die Kirchenbücher aus konservatorischen Gründen nicht mehr im Original vorgelegt. Die Benutzung für familienkundliche oder sonstige Zwecke ist daher auf die Mikrofilme verwiesen. Die Mikrofilme können im Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs an Lesegeräten eingesehen werden. Wegen des großen Andrangs ist jedoch unbedingt telefonische Voranmeldung unter 0711/2149-373 erforderlich. Interessenten, die nicht nach Stuttgart kommen können, haben die Möglichkeit, die benötigten Filme für 14 Tage auszuleihen. Die Zusendung von Filmen innerhalb Deutschlands ist nur bei schriftlicher Bestellung möglich. Ferner sollte vorab die Möglichkeit der Benutzung eines Mikrofilmlesegerätes (für 35mm-Rollfilme) vor Ort (beispielsweise Stadtarchiv oder größere Bibliothek) gesichert sein.

    Bitte beachten Sie, dass die Einsichtnahme in die Mikrofilme mit Gebühren verbunden ist.

    In unserem Foyer steht Ihnen ein PC zur Verfügung mit dem Sie das Kirchenbuchportal www.archion.de kostenlos kennenlernen können. Archion ist ein normalerweise gebührenpflichtiges Portal, auf welchem die Digitalisate unserer Kirchenbücher, aber auch der Kirchenbücher von zehn weiteren evangelischen Landeskirchen betrachtet werden können.

  • addRechtsgrundlagen für die Benutzung

    Für die Evangelische Landeskirche in Württemberg sind bei der Auskunft und Benutzung von Kirchenbüchern folgende Rechtsgrundlagen zu beachten:

    - Archivordnung für die Evangelische Landeskirche in Württemberg vom 14. Februar 1989 (Abl.  53 Nr. 20,  10, 15)
    - Verordnung des Oberkirchenrats über die Gebühren für die Benutzung kirchlicher Archive vom 15. Dezember 1998 (Abl. 58 Nr. 13) mit Änderung vom 30. Juni 2000 (Abl.  59 Nr. 6, Artikel 14)
    - Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland (DSG-EKD) vom 12. November 1993 (GVOBl. 1994, S. 35)
    - Kirchenregisterverordnung des Oberkirchenrats vom 27. August 1991 (Abl. 54 S. 545) mit Änderung vom 2. Mai 1995 (Abl. 56 S. 373)

    Für die staatlichen Personenstandsbeurkundungen muss beachtet werden: Personenstandsgesetz (PstG) in der Bekanntmachung vom 8. August 1957, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuregelung des internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986.

     


    Benutzung von Kirchenbüchern aus der Zeit vor 1876


    Die vor Inkrafttreten des Reichspersonenstandsgesetzes (1876) geführten Kirchenbücher sind öffentlich-rechtliche Urkunden. Aus konservatorischen Gründen hat die Einsichtnahme über die im Landeskirchlichen Archiv verwahrten Mikrofilme durch den Interessenten oder eine von ihm beauftragte Person zu erfolgen. Rückvergrößerungen von den im Landeskirchlichen Archiv verwahrten Sicherungsfilmen sind möglich. Hierbei fallen jedoch Gebühren an.

    Das Landeskirchliche Archiv bzw. die Kirchenbuch führenden Stellen sind nicht verpflichtet, aus den Kirchenbüchern vor 1876 für familienkundliche Zwecke Stammbäume zu erstellen. Aus personellen Gründen können auch schriftliche Auskünfte, die eine beträchtliche Arbeitszeit erfordern, nicht erteilt bzw. wiederholte Anfragen innerhalb eines kürzeren Zeitraums nicht bearbeitet werden. Das Landeskirchliche Archiv ist jedoch bemüht, Anfragen vertretbaren Umfangs schnellstmöglich zu bearbeiten, sofern die Person oder das Geschehen, worüber eine Auskunft erbeten wird, so genau bezeichnet ist, dass das Auffinden in den Kirchenbüchern ohne großen Zeitaufwand möglich ist.

     

     

    Benutzung von Kirchenbüchern aus der Zeit nach 1876


    Mit dem Reichspersonenstandsgesetz erlischt ab dem 1. Januar 1876 die Bedeutung des Kirchenbuchs als amtliches Register der Personenstandsfälle. Die Eintragungen in den Kirchenbüchern beurkunden ab dem Zeitpunkt nur noch die geistlichen Amtshandlungen.

     


    Amtshandlungsverzeichnisse


    Die bisherigen Ausführungen gelten nur für historische Kirchenbücher. Die Benutzung aus den aktuellen Amtshandlungsverzeichnissen, den Nachfolgern der historischen Kirchenbücher, ist durch das Kirchenregistergesetz vom 8. März 1991 und die Kirchenregisterverordnung in der Fassung vom 2. Mai 1995 geregelt. Auskunftberechtigt sind Personen, auf die sich der Eintrag bezieht, bzw. deren gesetzlicher Vertreter, Behörden und kirchliche Dienststellen im Rahmen ihrer Zuständigkeit sowie andere Personen, wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen.

  • addBestandserhaltung

    Noch heute sind eine verhältnismäßig große Zahl von Taufbüchern aus der Zeit nach 1559 erhalten, was darauf schließen lässt, dass die Geistlichen dem herzoglichen Befehl Folge leisteten. Ehe- und Totenregister hingegen wurden erst später eingeführt, die Konfirmandenregister nach Einführung der Konfirmation im Jahr 1723. Zugleich trat neben das ursprünglich rein kirchliche Interesse, die kirchlichen Amtshandlungen zu dokumentieren, zunehmend auch das Bedürfnis des Staates, Informationen über die Einwohner des Landes zu erhalten. Der hohe Wert, der den Kirchenbüchern zuerkannt wurde, zeigt sich auch in den Bestimmungen, die König Friedrich I. von Württemberg kurz nach dem Aufstieg Württembergs zum Königtum - eine Folge der Neuordnung des deutschen Südwestens durch Napoleon - erließ: Die Kirchenbücher beider Konfessionen, des evangelischen Altwürttembergs wie auch der größtenteils katholischen neuwürttembergischen Gebiete, sollten nun nach einem vorgegebenen Schema geführt werden; zudem waren die alphabetisch geführten Familienregister (ab dem 1. Januar 1808) neu anzulegen. Der Sicherung der wertvollen Bücher diente die Anlage einer zweiten Serie, der sog. Duplikatkirchenbücher, die 1810 rückwirkend ab 1808 verbindlich gemacht wurde.
    Kirchenbücher werden vornehmlich von der genealogischen Forschung genutzt. Dank der Vielzahl von Informationen, die sie enthalten, sind sie freilich darüber hinaus für unterschiedlichste Forschungszweige eine unverzichtbare und unentbehrliche Quellengattung. Für die Ortsgeschichte etwa sind sie von zentraler Bedeutung: Sie geben an, wie viele Kinder geboren und wie viele Menschen gestorben sind; sie teilen mit, welche Berufe die Menschen ausübten und woran sie gestorben sind. Sie ermöglichen es, Familien- und Verwandtschaftsbeziehungen zu rekon-struieren und erlauben so Einblicke in die Geschichte des privaten Lebens. Für zahlreiche sozial- und kulturhistorische oder demografische Fragestellungen sind Kirchenbücher somit unentbehrlich, und auch hoch spezialisierte Forschungszweige wie etwa die Geschichte der Medizin bedienen sich ihrer. Selbst die äußere Form eines Kirchenbuches ist von Bedeutung, und dies nicht nur für die Geschichte des Buches. So kann etwa ein aufwändig gestalteter Einband aus Holzdeckel und Leder in seiner Ausführung als typisches Erzeugnis einer bestimmten Zeit und Region identifiziert werden und kündet damit von mehr als vergangener Handwerkskunst.

     

    Bestandserhaltung und Restaurierung

    Als Teil des pfarramtlichen Archivs sind Kirchenbücher einmalige, handschriftliche Quellen, die unersetzlich sind. Um sie dauerhaft in ihrer originalen Form zu bewahren, sind regelmäßige bestandserhaltende Maßnahmen unverzichtbar. Denn Archivalien sind verschiedenen Einflüssen ausgeliefert, die ihren Erhaltungszustand beeinflussen:
    - zu hoher Säuregehalt im Papier oder Befall durch Mikroorganismen; dies kann zu einem Faserzerfall führen, das Papier wird "weich", kann reißen und brechen;
    - zu eisenhaltige Tinte; Tinte wurde früher aus Eisenvitriol (Eisensulfat), Gummi arabicum (aus der Rinde verschiedener Akazien gewonnener, wasserlöslicher Milchsaft, der als Klebstoff und Bindemittel verwendet wird), Galläpfel (kugelige oder birnenförmige, meist durch tierische Parasiten hervorgerufene Wucherung bei bestimmten Pflanzen) und Wein angerührt; das Eisen in der Tinte kann oxidieren - insbesondere wenn sie sehr dick aufgetragen wurde - und führt einen Faserzerfall bis zur Perforation herbei;
    - Schäden an Leder- und Pergamenteinbänden durch zu niedrige Luftfeuchtigkeit und zu hohe Lufttemperatur; Leder und Pergament werden hart und brechen, Pergament kann schrumpfen;
    - Beschädigung durch die dauerhafte Benutzung und die entsprechende Abnutzung oder durch unsachgemäße Reparaturen wie das Kleben mit Tesa oder Textilband; diese Klebebänder bilden neue Säuren, verhärten und lassen das Papier brechen.

    Um die Bücher dauerhaft zu sichern, sind restaurative und konservatorische Maßnahmen notwendig, die die entstandenen Schäden beheben oder zum Stillstand zu bringen:
    - Konservierung des Papiers durch Entsäuern und Puffern mit Calciumbicarbonat oder Magnesiumbicarbonat; diese Maßnahme erfordert in der Regel, dass das gesamte Kirchenbuch aufgebunden und jedes Blatt einzeln behandelt werden muss;
    - Wässerung und Neutralisierung, um überschüssiges Eisen in der Tinte "auszuwaschen"; auch diese Maßnahme erfordert eine Einzelblattbehandlung;
    - Ablösung von Verklebungen und Tesastreifen oder Pergaminstreifen;
    - Anfaserung; Risse im Papier können geschlossen und beschädigte oder zu stark beschnittene Blattkanten gesichert und stabilisiert werden, um einen Verlust des Inhalts zu vermeiden; auch diese Maßnahme erfordert eine Einzelblattbehandlung;
    - die aufgebundenen Bücher müssen von Hand geheftet und neu gebunden werden; dabei verwendet der Restaurator in der Regel noch die vorhandenen und intakten Bestandteile des Einbandes, auch um den früheren Zustand zu dokumentieren.

    Die genannten bestandserhaltenden Maßnahmen sind ausgesprochen teuer, denn Restaurierungsarbeiten sind zu einem großen Teil immer noch Handarbeit. Infolgedessen muss jede einzelne Maßnahme geprüft und abgewogen werden in Hinblick auf das Ziel, "den ursprünglichen Zustand und die dem Lebensalter des Objektes jeweils angemessene Gebrauchsfähigkeit wiederherzustellen und eine weitere Gefährdung auszuschließen". Das heißt, dass die Archivale nicht wie neu aussehen soll. Das Alter und die Schäden bleiben erkennbar, eine weitere Schädigung muss jedoch ausgeschlossen werden. Die Informationen werden gesichert. Auch nach einer Restaurierung müssen die konservierenden bzw. erhaltenden Maßnahmen wie Reinigung, Buchpflege, objektgerechte Verpackung, Lagerung und Klimatisierung beachtet werden.