Mauthausen: Quälen, demütigen, töten, verbrennen | DiePresse.com

Mauthausen: Quälen, demütigen, töten, verbrennen

KZ-GEDENKSTAETTE MAUTHAUSEN: NEUE DAUERAUSSTELLUNGEN
KZ-GEDENKSTAETTE MAUTHAUSEN: NEUE DAUERAUSSTELLUNGENAPA/RUBRA
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Vor 70 Jahren, als Berlin und Wien schon befreit waren, wurde im KZ Mauthausen noch der letzte Gefangene registriert: Er erhielt die Häftlingsnummer 139.317. Damit endeten sieben Jahre Terror und Grauen.

Heinrich Himmler stand als Führer der SS an der Spitze einer Organisation, die politischen Terror ausübte, er kommandierte aber auch ein SS-Wirtschaftsimperium, zu dem die „Deutschen Erd- und Steinwerke“ gehörten. Im März 1938, unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs, inspizierte er die Granitsteinbrüche in der Umgebung der oberösterreichischen Gemeinde Mauthausen, schon kurz danach fiel die Entscheidung zum Bau von Konzentrationslagern.

Der Bezirk Perg lag nicht fern von Linz, der „Führerstadt“, die ausgebaut werden sollte. Das dazu nötige Baumaterial sollte von den Steinwerken geliefert werden, der Abbau in den Steinbrüchen durch Häftlinge erfolgen. Die Ersten von ihnen kamen im August 1938 aus dem KZ Dachau nach Mauthausen, sie bauten die Granitsteinmauer, Wachtürme. Stacheldrahtzäune, Baracken, Wäscherei, die Infrastruktur des Lagers. Unter ihnen waren viele Österreicher, vermeintliche oder tatsächliche politische Gegner und als „Asoziale“ Gebrandmarkte, die eingesperrt wurden aus „Sicherungsgründen“: eine vorbeugende, der richterlichen Gewalt entzogene „Schutzhaft“.

In den nächsten fünf Jahren wurden in rücksichtsloser Produktionssteigerung Tausende Waggonladungen, darunter Millionen von Pflastersteinen, von hier abtransportiert. 1943 wurde das KZ Mauthausen, bis dahin relativ klein dimensioniert, ausgebaut zu einem Rüstungsbetrieb mit einem ausgedehnten Netz von Nebenlagern und zehntausenden Gefangenen. Hier wurde an den „siegentscheidenden Wunderwaffen“ gebaut. Personell eng verbunden mit der Mauthausener SS war auch die Besatzung der Euthanasieanstalt Hartheim.


Tötungspolitik. Bereits in der zweiten Phase des Konzentrationslagers zwischen 1938 und 1943 wurde ein Großteil der Gefangenen vorsätzlich ermordet, in den beiden letzten Kriegsjahren kam es zu einem Massensterben. Die Einstufung in die damals sogenannte „Lagerstufe III“, in ein Todes- und Vernichtungslager, wird durch ein Dokument vom Jänner 1941 belegt: Mauthausen und Gusen seien „schlechteste Kategorie“, „für schwer belastete, unverbesserliche und auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, das heißt kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge.“ Diese Einstufung bedeutete die Verbindung von Zwangsarbeit mit vorsätzlicher Tötung. Tausende Juden, sowjetische Kriegsgefangene, Polen, republikanische Spanier, Roma, Kommunisten sollten hier plangemäß beim Arbeitseinsatz umkommen. Erst als Mauthausen als Rüstungsbetrieb immer wichtiger wurde, änderte sich aus kriegswirtschaftlichen Gründen die Tötungspolitik.

Die Zahl der Häftlinge im KZ Mauthausen stieg von 11.135 im Oktober 1941 auf fast 84.000 in der Endphase. Sie wurden bewacht von tausenden SS-Angehörigen, kleinbürgerliche Familienväter großteils, die auf akkurate Sauberkeit und Ordnung im Lager achteten. Ihr Vorgesetzter Ernst Kaltenbrunner: „Die SSler oben am Berg [von Mauthausen, Anm.] sind überhaupt unsere besten, die wir haben.“

Jeder Lagerinsasse trug eine Häftlingsnummer, aufgenäht auf der Kleidung und eingestanzt in eine Blechmarke, er verlor seinen bürgerlichen Namen, wurde mit seiner Nummer angesprochen und sprach von sich selbst als Nummer. Die Köpfe der Häftlinge waren kahl geschoren. Eigene Winterbekleidung war ein Privileg, im Sommer 1944 fielen die Bekleidungslieferungen aus, so war die Mehrzahl von ihnen in Lumpen gehüllt und besaß keine Schuhe und keine Unterwäsche mehr. Briefe zu schreiben war eine Begünstigung, der Briefschreiber musste den Satz „Ich bin gesund, mir geht es gut“ einfügen. Als Strafen vorgesehen waren körperliche Züchtigungen wie Stockschläge oder Pfahlhängen, Essensentzug, Einweisung in eine Strafkompanie als Steineträger, was einem Todesurteil gleichkam. Die Fantasie bei Repressalien und Demütigungen war unerschöpflich. Die Folge war eine permanente Angstpsychose bei den Opfern. Krank durfte man nicht werden, denn: „Hier gibt es nur Lebende, die arbeiten, oder die Toten. Die Kranken müssen sterben!“, war die ständig proklamierte Warnung der SS.

Todesstiege. Todbringend war ein Elf-Stunden-Arbeitstag unter der Aufsicht eines Kapos in den Steinbrüchen. Ein Gefangener, der auf der sogenannten Todesstiege unter der Last der schweren Steine zusammenbrach, wurde die steilen Wände des Steinbruchs hinabgestürzt, das „Fallschirmspringen“ im SS-Jargon. Ab 1943 hatten die Arbeiten am Bau von gewaltigen unterirdischen Stollen Vorrang, Montagehallen, in denen Raketen gebaut werden sollten. Das unterirdische Labyrinth in Ebensee etwa war bis zu drei Stockwerke tief, die dort geplanten Raketen A0 und A10 sollten bis in die USA fliegen. Es kam nie dazu, zuletzt produzierte man Kugellager.

Die durchschnittliche Lebensdauer eines Häftlings betrug 1939 15 Monate, 1944 nur mehr fünf Monate. Die meisten waren unterernährt und litten dauernd Hunger, sie leisteten Schwerarbeit und kamen pro Tag nur auf 1500 Kalorien, hartes und trockenes Brot, oft völlig verschimmelt, war das wertvollste Nahrungsmittel. Das Essen war Hauptthema aller Gespräche, nachts versuchte man Brot zu stehlen. Hungerkranke litten zunächst unter Dauerdurchfall, dann unter Halluzinationen, warteten schließlich willenlos auf den Tod.

Das Konzentrationslager Mauthausen existierte vom 8. August 1938 bis zum 5. Mai 1945, eine Übersicht über alle verfügbaren Namenslisten ergibt 197.464 Häftlinge, doch viele Kranke oder Geschwächte kamen schon um, bevor sie überhaupt registriert wurden. Totenscheine wurden nur in den ersten Jahren sorgfältig geführt, später blieben Tausende unregistriert. Exekutionen wurden in einer Genickschussecke durchgeführt. Im Frühjahr 1942 wurde ein grüner Lastkraftwagen umgerüstet zu einem „Gaswagen“, mit einem Seiteneingang für die Opfer, die durch Kohlenmonoxid umkamen. Eine als Duschbad getarnte Gaskammer gab es in Mauthausen ab 1942, durch ein Eisenrohr wurde in den hermetisch abschließbaren Raum Zyklon-B-Gas eingeleitet. Keiner der SS-Führer, die nach 1945 vor Gericht standen, hat die Existenz der Mauthausener Gaskammer geleugnet. Die Gesamtzahl der in der Gaskammer Ermordeten wird auf 4000 bis 5000 geschätzt.

Im April 1945 war das KZ durch den Zustrom von Evakuierungstransporten überbelegt, Gaskammer und Genickschussvorrichtungen waren ununterbrochen in Betrieb. Aus dem Krematoriumskamin loderten die Flammen meterhoch in den Himmel. Am 28.April, nach einer letzten Mordserie, wurde die Gaskammer umgebaut: Sie sah jetzt aus wie ein Brausebad. Am 3.Mai 1945 verließ die SS das Lager, am 5. Mai wurde der Ort Mauthausen von US-Truppen befreit, zwei Panzerspähwagen näherten sich mit einem Rot-Kreuz-Auto dem Lager auf dem Berg. Sie sahen hunderte Männer, Frauen, Kinder, halb nackt oder mit Lumpen bedeckt, lebende Skelette, viele auf allen vieren ihnen entgegenkriechend. Sie hatten nicht die Kraft, den Befreiern ihre Arme entgegenzustrecken.

FAKTEN

Das KZ Mauthausen war das einzige Konzentrationslager auf österreichischem Boden, zu ihm gehörte ein Netz von Außenlagern in der gesamten ehemaligen „Ostmark“.

8. August 1938
Die ersten Häftlinge trafen in Mauthausen ein.

Herbst 1941
Bau einer Gaskammer zur Tötung von Häftlingen

1942
Zunehmender Einsatz von Häftlingen in der Rüstungsindustrie

März 1945
Höchststand von über 84.000 Lagerinsassen

5. Mai 1945
Befreiung des KZ

Im KZ Mauthausen und seinen Nebenlagern sind rund 100.000 Menschen ums Leben gekommen, viele Tote blieben unregistriert.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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