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Die Kriegskredite spalteten die SPD

Karl Liebknecht war im Dezember 1914 der einzige Abgeordnete der SPD, der gegen die Kriegskredite stimmte. Das Votum trieb einen Keil durch die deutsche Linke und sorgt noch heute für Streit.
„Unter Protest gegen den Krieg“: Karl Liebknecht (1871-1919) auf einer Veranstaltung in Treptow 1911 „Unter Protest gegen den Krieg“: Karl Liebknecht (1871-1919) auf einer Veranstaltung in Treptow 1911
„Unter Protest gegen den Krieg“: Karl Liebknecht (1871-1919) auf einer Veranstaltung in Treptow 1911
Quelle: picture-alliance / akg-images

Als einziger SPD-Abgeordnete brach Karl Liebknecht am 2. Dezember 1914 den Fraktionszwang: Radikal wies er die weitere Kriegsfinanzierung und den „Burgfrieden“ zwischen der SPD und der Obersten Heeresleitung zurück: „Unter Protest gegen den Krieg, … gegen die kapitalistische Politik, die ihn heraufbeschwor, … gegen die soziale und politische Pflichtvergessenheit, deren sich die Regierung und die herrschenden Klassen auch heute noch schuldig machen, lehne ich die geforderten Kriegskredite ab.“

War der SPD-Abgeordnete bei seinem denkwürdigen ‚Nein‘ ein Vorbild an Widerstandsgeist oder ein vaterlandsloser Geselle? Die Debatte um den Politiker endet auch nach 100 Jahren nicht. Neuer Auslöser war im Juli das Anliegen der Linksfraktion im Bundestag, Liebknecht für seine Entscheidung mit einer Gedenktafel im Reichstagsgebäude zu ehren. Union und Grüne gehen auf Distanz – und auch die SPD.

1914 stand der Jurist Liebknecht mit seiner Position zunächst allein auf weiter Flur, aber das sollte nicht so bleiben. „Die Sozialdemokratie war in dieser Frage tief gespalten, und die Parteiorganisation offensichtlich weitgehend gelähmt“, urteilt der Politikwissenschaftler Tilman P. Fichter. Helga Grebing, Historikerin und Sozialdemokratin, ergänzt: „Die Sozialisten haben 1914 überall klein beigegeben, auch in Paris und London.“

„Der vergebliche Schreihals“: Karikatur auf Liebknechts Polemik gegen die Kriegskredite in der Zeitschrift „Ulk“
„Der vergebliche Schreihals“: Karikatur auf Liebknechts Polemik gegen die Kriegskredite in der Zeitschrift „Ulk“
Quelle: picture-alliance/akg-images

Im Dezember 1915 aber stimmten auch die Mitglieder des gemäßigten linken SPD-Parteiflügels gegen weitere Kriegskredite. Die Frage spaltete am Ende die SPD. 1917 gründeten die Abweichler die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD). Ihr gehörte die linksradikale Spartakusgruppe unter der Führung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zunächst an, 1918 zählte der „Spartakusbund“ zu den Mitgründern der bolschewistisch geprägten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).

Noch im August 1914 hatte Liebknecht den ersten Kriegskrediten zugestimmt. Doch der Sohn von Parteimitgründer Wilhelm Liebknecht geißelte in der Etatdebatte die Hochrüstungspolitik der Reichsregierung, auf die Frankreich, England und Russland mit einem gefährlichen Wettlauf reagierten: „Das sind dieselben Kreise, die die Zwietracht der Völker zu Gold münzen. Ob sie in Deutschland oder in Frankreich sind, sie haben die gleichen Interessen.“

1915 forderte er: „Nieder mit den Kriegshetzern. Für einen Frieden im sozialistischen Geist. Der Hauptfeind steht im eigenen Land“. Anfang 1916 wurde er aus der Fraktion ausgeschlossen.

Karl Liebknecht kam 1871 in Leipzig zur Welt. Seine Eltern waren Wilhelm Liebknecht und dessen zweite Ehefrau Natalie. Nach dem Jurastudium arbeitete Karl Liebknecht als Rechtsanwalt. Der SPD trat er im Jahr 1900 bei und zog 1912 als einer der jüngsten SPD-Abgeordneten in den Reichstag ein, wo er den Wahlkreis Potsdam vertrat.

Zusammen mit Rosa Luxemburg (r.; 1871-1919) gründete Liebknecht (l.) 1916 den Spartakusbund, aus dem später die KPD hervorging
Zusammen mit Rosa Luxemburg (1871-1919) gründete Liebknecht 1916 den Spartakusbund, aus dem später die KPD hervorging
Quelle: picture-alliance / akg-images

Längst war Liebknecht weit über Preußens Grenzen hinaus als Kritiker der Rüstungskonzerne bekannt. Für seine Schrift „Militarismus und Antimilitarismus“ musste er 1907 gar ins Gefängnis – für anderthalb Jahre wegen Hochverrats. Am 15. Januar 1919 wurde Liebknecht gemeinsam mit Rosa Luxemburg in Berlin von rechten Freikorps-Soldaten verschleppt und ermordet.

Wie wenig geschlossen sich die SPD schon im Sommer 1914 präsentierte, zeigte eine fraktionsinterne Abstimmung. Von 110 Abgeordneten votierten 14 gegen die Annahme der Kriegskredite. In der öffentlichen Reichstagssitzung am 4. August hielt dann aber der Fraktionszwang. Dabei stand nicht zuletzt die Deutung Pate, der Krieg diene vor allem der Verteidigung gegen die Truppen des Zarenreichs. Rosa Luxemburg sah in der Entscheidung einen kapitalen Fehler. Die SPD-Fraktion habe „das Vaterland in der Stunde der größten Gefahr im Stich gelassen“.

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Liebknecht sei ein Vorbild an Widerstandsgeist gewesen, sagte Sevim Dagdelen von den Linken, als im Juli im Bundestag über den Antrag der Partei debattiert wurde, den Politiker mit einer Gedenktafel zu ehren. Die Linke will mit einer Tafel auch ein politisches Zeichen setzen: Der Bundestag müsse sich zur deutschen Verantwortung für den Ausbruch des Krieges bekennen und sich gegen eine Deutung wenden, „die die Schuld am Ausbruch des Krieges vielen Beteiligten zu gleichen Teilen und damit niemandem konkret zuweist“.

Das sieht die Union ganz anders. Liebknecht sei in der Öffentlichkeit sehr wohl präsent. Aber: Nach seinem Ausscheiden aus der SPD habe er sich radikalisiert und später die KPD mitbegründet. Die wiederum sei mitverantwortlich für das Scheitern der Weimarer Republik, sagte der Unionsabgeordnete Philipp Lengsfeld.

Von einem „vergifteten Antrag“ sprach Hiltrud Lotze (SPD). Die Linksfraktion missbrauche das Gedenken für parteipolitische Interessen. Zudem ignoriere der Antragstext neue historische Forschungen über die Ursachen des Ersten Weltkrieges: Selbst unter Historikern gebe es „keine klare Bewertung der Schuldfrage“. Die Debatte, die der australische Historiker Christopher Clark mit seinem Buch „Die Schlafwandler“ angestoßen hat, zeigt das mit aller Deutlichkeit.

epd/bas

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