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Wie Konrad Adenauer sich auf den Tod vorbereitete

Im Dritten Reich schien Konrad Adenauers Schicksal besiegelt. Er musste fliehen, kam in Haft, seine Frau unternahm einen Selbstmordversuch. Das prägte ihn als Bundeskanzler – und darüber hinaus.
Leitender Redakteur Geschichte
im Exil in Berlin (undatiert). Der Kölner Oberbürgermeister (seit 1917) und Gegner der Nationalsozialisten wurde 1933 aller Ämtern enthoben und mußte Köln verlassen. 1944 wurde er nach dem mißglückten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli vorübergehend inhaftiert. Am 15. September 1949 wurde Konrad Adenauer (CDU) zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt, das Amt hatte er bis zu seinem Rücktritt am 15. Oktober 1963 inne. | Verwendung weltweit im Exil in Berlin (undatiert). Der Kölner Oberbürgermeister (seit 1917) und Gegner der Nationalsozialisten wurde 1933 aller Ämtern enthoben und mußte Köln verlassen. 1944 wurde er nach dem mißglückten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli vorübergehend inhaftiert. Am 15. September 1949 wurde Konrad Adenauer (CDU) zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt, das Amt hatte er bis zu seinem Rücktritt am 15. Oktober 1963 inne. | Verwendung weltweit
Konrad Adenauer im inneren Exil 1933-1945 (undatierte Aufnahme)
Quelle: picture-alliance / dpa

Das Ergebnis war durchaus überraschend. Ausgerechnet Konrad Adenauer, den Gründungskanzler der Bundesrepublik, erklärten Ende 2003 fast zwei Millionen Bundesbürger zum größten Menschen der deutschen Geschichte. „Unsere Besten“ hieß die Show von Johannes B. Kerner, die dieses unerwartete Ergebnis auswies. Auf den Plätzen folgten Luther und Karl Marx, unter den Top Ten fanden sich die Geschwister Scholl, Willy Brandt, Bach, Goethe und Johannes Gutenberg sowie Otto von Bismarck.

Es war eine Momentaufnahme; Das Ergebnis dürfte heute deutlich anders ausfallen. Auf jeden Fall würde wohl Helmut Schmidt, seinerzeit nur Rang 21, weit nach oben rücken. Konrad Adenauer aber bliebe wahrscheinlich in der Spitzengruppe.

Das ist erstaunlich, schreckte der erste Bundeskanzler doch „nicht davor zurück, politische Gegner, vor allem aber sogenannte politische Freunde bei anderen zu diskreditieren und auszubooten“, sagt der Mainzer Historiker Andreas Rödder in der Dokumentation „Mensch Adenauer!“, die Uli Weidenbach für das Magazin „ZDF-History“ gedreht hat: „Da war er wenig fein in der Wahl der Mittel.“

Adenauer Pontifikal-Requiem Koeln 1967 Adenauer, Konrad Politiker (CDU), Bundeskanzler 1949-63; 1876-1967. - Staatsbegraebnis fuer den am 19. April 1967 verstorbenen Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer am 26. April 1967: Pon- tifikal-Requiem im Koelner Dom. - Foto. |
Pontifikal-Requiem für Konrad Adenauer im Kölner Dom im Jahr 1967. Am 19. April war er in seinem Haus in Rhöndorf gestorben
Quelle: picture-alliance / akg-images

Insofern geht die arg aufgebauschte Titelgeschichte, mit der das Magazin „Der Spiegel“ Adenauer jetzt posthum attackiert, an der Sache vorbei. Wirklich neu daran sind nur ein paar wenige Details aus BND-Akten, aber nichts Grundsätzliches. Sowohl von Spitzeleien wie vom Druck auf politische Konkurrenten, den der Bundeskanzler durch Informationen über deren Privatleben ausübte, weiß man seit Jahrzehnten.

Viel interessanter ist da Weidenbachs Porträt, das kurz vor Adenauers 50. Todestag ausgestrahlt wird. Am 19. April 1967 starb der damals schon 91-Jährige friedlich bei sich daheim im Haus in Rhöndorf über dem Rhein. Zu einem letzten politischen Gespräch hatte er knapp zwei Wochen zuvor noch seinen zweiten Nachfolger als Bundeskanzler empfangen, Kurt Georg Kiesinger. Der zeigte sich „bestürzt über Adenauers Zustand“, wie damals durchsickerte.

Der „Alte von Rhöndorf“ sah es entspannter. In seinen letzten Tagen fragte er den gerade diensthabenden Arzt, ob er es verantworten könne, „etwas am Leben zu erhalten, was dazu nicht mehr fähig“ sei? Der junge Mediziner konnte keine Antwort geben.

Vermutlich macht die Konzentration auf das Wesentliche einen großen Teil des Reizes aus, den die Figur Adenauer auch Jahrzehnte später noch entfaltet. Dieser Reiz hob ihn 2003 auf den Platz des „wichtigsten Deutschen“ der Geschichte.

Uli Weidenbach hat durchaus interessante Quellen entdeckt, die bisher entweder gar nicht oder nur in absoluter Spezialliteratur zu finden waren. Zum Beispiel Originaltagebuch-Aufzeichnungen aus seiner Zeit im „inneren Exil“ im Benediktinerkloster Maria Laach in Eifel. Hierher war Adenauer 1933 ausgewichen, nachdem die NSDAP ihn aus seinem Amt als Oberbürgermeister Köln vertrieben hatte.

Das Archivbild vom 24.05.1924 zeigt den ersten Reichspräsidenten (1919-1925) der Weimarer Republik, Friedrich Ebert (l), zusammen mit dem Kölner Oberbürgermeister und späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer auf der Fahrt zur Eröffnung der ersten Kölner Messe. Ebert wurde am 04.02.1871 in Heidelberg geboren und ist am 28.02.1925 in Berlin gestorben. Nach blutigen Kämpfen in den Revolutionswirren nach dem 1. Weltkrieg wurde der Sozialdemokrat von 80 Jahren, am 11.02.1919, in Weimar zum ersten Präsidenten einer deutschen Republik gewählt. dpa (zu dpa-Korr: "Geschätzt und angefeindet: Vor 80 Jahren wurde Ebert Bundespräsident" vom 09.02.1999) (nur s/w) |
Als Kölner Oberbürgermeister mit Reichspräsident Friedrich Ebert (l.)
Quelle: picture-alliance / dpa

Ein interessanter Einfall ist es auch, den Krimiautor Volker Kutscher zu interviewen. In seiner erfolgreichen Historienromanserie um den Berliner Polizisten Gereon Rath spielt Adenauer regelmäßig eine Nebenrolle. Kutscher recherchiert genau und weist zu Recht daraufhin, dass die SA den abgesetzten Zentrumspolitiker vielleicht wirklich „an die Wand“ gestellt hätte, wäre sie seiner habhaft geworden.

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Das TV-Porträt zeichnet einen unvertrauten Adenauer in dieser Zeit der Ungewissheit, einen Grübler, der sogar an Selbstmord dachte – wovon ihn nur die Sorge um seine Familie und sein Glauben abhielten. 1934 kam er doch noch für einige Tage in Haft.

Allerdings bei der Polizei, nicht bei der SA. Nach dem vermeintlichen „Röhm-Putsch“, in Wirklichkeit der Beseitigung von Hitlers einzigem potenziellen Konkurrenten, SA-Chef Ernst Röhm, und seiner Schlägerbanden, war die „nationalsozialistische Revolution“ vorüber. An die Stelle offenen Terrors trat der subtilere Druck durch die Gestapo.

Konrad Adenauer (vordere Reihe 2.v.r.) und seine zweite Ehefrau Gussie (Auguste) beim Besuch einer Zeche im Ruhrgebiet (undatiert). Adenauer war bis zur Machtergreifung der Nazis 1933 Oberbürgermeister der Stadt Köln. +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
Mit seiner Frau Gussi beim Besuch einer Zeche im Ruhrgebiet
Quelle: picture-alliance/ dpa

Die Familie Adenauer kehrte ins Rheinland zurück, wo der nun schon über 60-Jährige mit einer Abfindung 1938 ein nicht allzu großes Haus (keinesfalls eine „Villa“, wie später die SED-Propaganda behaupten sollte) bauen lassen konnte.

„Die Nazizeit war für Adenauer mit erheblichen Belastungen verbunden und keine Zeit, die ihn auf seine spätere Karriere vorbereitet hätte“, widerspricht Andreas Rödder in der Dokumentation einem verbreiteten Missverständnis. Tatsächlich geht die Vorstellung in die Irre, der Ex-Politiker habe in Rhöndorf ständig auf das Ende des Dritten Reiches gewartet, um sich dann umgehend wieder politisch einzubringen.

Die CDU-Politiker und spätere Bundeskanzler (ab 1949) Konrad Adenauer mit seiner zweiten Ehefrau Auguste, genannt Gussi, und drei Enkelkindern. (Undatierte Aufnahme). Gussi Adenauer, geb.Zinßer, war von 1919 bis zu ihrem Tod 1948 mit Adenauer verheiratet. +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
Mit seiner zweiten Ehefrau Auguste, genannt Gussi
Quelle: picture-alliance/ dpa

Zu den Stärken des ZDF-Films gehört, dass auch persönliche Schwächen des späteren Gründungskanzlers beleuchtet werden. In den Jahren des Familienlebens in Rhöndorf von 1938 bis 1945 erwies er sich als unterbeschäftigter, aber vielleicht auch deshalb umso strengerer Vater. Mit dem locker-leichten rheinländischen Temperament, das er später als Bundeskanzler in der Öffentlichkeit gern präsentierte, hatte der Alltag seiner Frau Gussie und der vier gemeinsamen Kinder wenig zu tun. Von seinem Vater Georg Adenauer, dem jüngsten Sohn, weiß Enkel Sven-Georg, dass sich Konrad Adenauer intensiv ins das Leben seiner halbwüchsigen Kinder (geboren zwischen 1924 und 1931) einmischte, auch im Hinblick auf die Sicherheit der Familie.

Das Schicksal bestrafte den Alten hart. Nach dem Attentat auf Hitler 1944 tauchte Konrad Adenauer erneut unter, doch seine Frau wurde von der Gestapo gezwungen, seinen Aufenthaltsort zu verraten. Sie verübte einen Selbstmordversuch, überlebte aber schwer verletzt. Er wurde verhaftet und saß erneut monatelang in Haft.

Konrad Adenauer (1876-1967), erster Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, aufgenommen Anfang 1966. Foto: Roland Witschel +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
Ein Jahr vor seinem Tod
Quelle: picture-alliance/ dpa

Einen Vorwurf hat er seiner Frau deshalb nie gemacht – er wusste um die Umstände. 1948 starb Gussie mit nur 52 Jahren, an Gram und den Folgen des misslungenen Suizids. Konrad Adenauer stand nun, mit 72 Jahren und insgesamt sieben Kindern aus zwei Ehen, vor den Ruinen seines Lebens – und zugleich am Anfang seiner eigentlichen Karriere.

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Ohne diese private Vorgeschichte, die Uli Weidenbach ebenso spannend wie geschickt erzählt, wäre sein Aufstieg zum prägenden „Patriarchen der Bonner Republik“ kaum vorstellbar. Nicht unbedingt konkret die Erfahrung des NS-Regimes und des Krieges, sondern grundsätzlich die existenzielle Herausforderung formte ihn zum gleichermaßen abgeklärten wie zukunftsorientierten Politiker. Vielleicht macht tatsächlich das den Unterschied aus zwischen bloßen Parteipolitikern und Menschen, die wirklich aus „Kanzlerholz“ geschnitzt sind.

Mensch Adenauer!“, 23.30 Uhr, 9. April, ZDF; Wiederholungen auf ZDFinfo, 11. April um 12.45 Uhr und auf Phoenix, 15. April um 21.45 Uhr

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Altbundeskanzler Konrad Adenauer (M, sitzend) feierte am 5. Januar 1966 im Kreise seiner großen Familie im Bonner Königshof seinen 90. Geburtstag. Vorn links im Sessel Sohn Konrad, dahinter (mit weißem Einstecktuch) Schwiegersohn Jan Reiners, rechts daneben (mit Brille) Sohn Paul. In der letzten Reihe (Bildmitte, mit weißem Hut) Gisela Adenauer, die Frau von Sohn Max, rechts daneben (mit Hut) Tochter Lisbeth Werhahn. Weiter rechts (mit Halskette) Schwiegertochter Lola Adenauer, die Frau von Sohn Konrad. |
Im Kreis seiner Familie zum 90. Geburtstag 1966
Quelle: picture-alliance / dpa

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