Was 25.000 Andere im Jahr schaffen – das sollte f�r die vier Deutschen, die ein erfahrener Kilimandscharo-Bergf�hrer auf seiner letzten Tour begleitet, auch zu schaffen sein. Doch alle haben ihr ganz pers�nliches P�ckchen zu tragen. Die Figuren in „Kilimandscharo – Reise ins Leben“ (ARD Degeto / Ariane Krampe Filmproduktion) verbinden bestimmte Hoffnungen & Tr�ume mit ihrem Trip aufs mythosumwobene Bergmassiv Afrikas. Der Mix aus Psycho-, Krankheits-, Freundschafts- und Familiengeschichten wirkt im Rahmen des Sujets nicht unpassend. Andererseits h�lt sich der Tiefgang der Erz�hlung in Grenzen. Und so wirkungsvoll die Dramaturgie auch ist, so vorhersehbar sind die moralischen Lernprozesse. Dass der Plot nicht ins Moralinsaure kippt, ist mit ein Verdienst der guten Schauspieler. Bleibt zu hoffen, dass die Endfassung ausreichend Sinnliches und Transzendentes �brig l�sst.
Foto: Degeto / Anika Moln�rDie Bergf�hrer Simon (Ulrich Friedrich Brandhoff) und Joseph (Bongo Mbutuma, re.) sowie Naturpark-Ranger (Thabo Bopape, li.) mit der Kilimandscharo-Truppe: �rztin Anna (Anna Maria M�he), Ex-Extremsportler Tom (Kostja Ullmann), Waldorflehrer Joschka (Simon Schwarz) und seine 25j�hrige Tochter Paula (Caroline Hartig).
Was 25.000 Andere im Jahr schaffen – das sollte f�r die vier Deutschen, die der erfahrene Kilimandscharo-Bergf�hrer Simon (Ulrich Friedrich Brandhoff) auf seiner letzten Tour begleitet, auch zu schaffen sein. Doch alle haben ein „Handicap“ oder einen Sack privater Probleme im Gep�ck. Der allein erziehenden Chirurgin Anna (Anna Maria M�he) machen Wahrnehmungsst�rungen zu schaffen. Schon seit einem halben Jahr darf sie nicht mehr operieren; stattdessen steht ihr bald selbst ein Eingriff bevor. Waldorflehrer Joschka (Simon Schwarz) ist dagegen ganz mit sich im Reinen. Das ist Teil seines Problems; so sieht es jedenfalls seine Tochter Paula (Caroline Hartig), die sofort abreisen will, als sie erf�hrt, dass der Kibo-Trip ein abgekartetes Spiel ist zwischen ihrem Vater und dessen Mutter: eine Art Vers�hnungserpressungsgeschenk. Ihr Vater bleibt f�r sie vorerst gestorben – nachdem er mit ihrer besten Freundin geschlafen hat. Schlie�lich gesellt sich zu den Zicken und dem grundentspannten P�dagogen auch noch der ehemalige Extremsportler Tom (Kostja Ullmann): und der sitzt im Rollstuhl, einem Hightech-Vehikel zwar, aber dass er f�r das Diven-Team zur Belastung werden k�nnte, ist absehbar f�r Guide Simon. Aber die richtige Herausforderung f�r seine letzte Tour. Auch der so vern�nftige junge Mann hat noch eine Schuld abzutragen.
Foto: Degeto / Anika Moln�rDas Regenwaldlicht sorgt f�r eine surreale Anmutung. Ullmann, Hartig, Mbutuma
Mehr Klarheit, mehr Selbstsicherheit, ein Aufbruch zu neuen Ufern, eine M�glichkeit f�r die sogenannte zweite Chance, eine Wunderheilung, wie sie einst Marias Mutter widerfahren ist, oder vielleicht ein Weg zur Vergebung: Alle Figuren in „Kilimandscharo – Reise ins Leben“ verbinden bestimmte Hoffnungen, Sehns�chte und Tr�ume mit ihrem Trip auf das h�chste Bergmassiv Afrikas. Der Berg mit seiner ber�hmten Schneekuppe und den verschiedenen Klimazonen ist ein Mythos, gerade gro� genug, um eigene Mythen zu f�rdern: So will sich der querschnittsgel�hmte Ex-Sportler etwas beweisen, aber er will auch allen, die im Rollstuhl sitzen, Mut machen. Deshalb hat er vor, neben seinem Reise-Blog auch ein Buch zu schreiben. Und f�r Paula war Hemingways „Schnee am Kilimandscharo“ der erste und einzige Roman, der ihr nicht von ihrem Super-Daddy vorgekaut wurde. Das einzige Problem sind einfach nur immer die Anderen... Sie scheinen die Missionen der vier Extrem-Individualisten zu gef�hrden. Besonders die junge �rztin ist bald als meckernd und st�rrisch verschrien – und sie macht keinen Hehl daraus, was sie von Tom mit seinem Rollstuhl h�lt. Vor allem dessen �berzogener Ehrgeiz, alles selbst schaffen zu wollen, nervt die sehschwache Frau, die mit der Angst leben muss, vielleicht bald ihre geliebte Tochter nicht mehr sehen zu k�nnen.��
Foto: Degeto / Anika Moln�rAb und zu lauert auch mal eine Gefahr am Wegesrand, aber der gr��te Feind der Gruppe ist der Egoismus des Einzelnen. Bongo Mbutuma, Schwarz, Caroline Hartig
An kleinen Dramen besteht in „Kilimandscharo“ also kein Mangel. Drehbuchautor Marco Rossi („Grzimek“) hat da eine nicht uninteressante Gruppe kreiert. Der Mix aus Psycho-, Krankheits-, Freundschafts- und Familiengeschichten wirkt im Rahmen des Sujets nicht �berm��ig ausgedacht. Wer in Filmen Berge besteigt, der hat immer Mankos oder Defizite auszugleichen. Der Berg ruft nicht nur mal so for fun! Andererseits h�lt sich der Tiefgang der Erz�hlung in Grenzen. Und so wirkungsvoll die Dramaturgie der gleich f�nf Heldenreisen auch ist, so vorhersehbar sind die moralischen Wendepunkte und Lernprozesse. Begreift man das Leben als Abenteuer – dann ist „Reise ins Leben“ sicherlich auch ein Abenteuerfilm. Vor allem aber geh�rt dieser ARD-Freitagsfilm in die Gruppe jener Geschichten wie „Mit Burnout durch den Wald“, „Pilgerfahrt nach Padua“, „Mutter reicht’s jetzt“, in denen verschiedenste Menschen sich begegnen und in denen Egoisten Teamgeist, Individualisten liebevolles Miteinander entdecken. Bei f�nf Figuren bleibt das Ganze �berschaubar, sind die Konfliktlagen pr�sent genug; Perspektiven und Kombinationen der Charaktere sorgen f�r Abwechslung. Und die Botschaft ist ebenso schlicht wie herzerw�rmend (nicht zuf�llig beginnt es kurz vor Schluss zu schneien): Da ist der Wille und der Glaube daran, Unm�gliches m�glich zu machen, Grenzen zu �berschreiten und �ber sich hinauszuwachsen. Diese Leistungsideologie erf�hrt in Gregor Schnitzlers Film allerdings – auch das nicht unerwartet – eine gesunde Relativierung: Am Ende obsiegt die Gruppe �ber den Egoismus des Einzelnen – und damit die Erfahrung, dass es im Leben Gipfel gibt, die sich nur mit der Hilfe anderer erst�rmen lassen.
Foto: Degeto / Anika Moln�r"Mehr als eine anspruchsvolle Wanderung" – nicht zuletzt wegen solcher G�ste.
Foto: Degeto Foto: Degeto Foto: Degeto�ichbezogen (M�he)
�alle im Blick (Brandhoff)
�Sensibelchen (Hartig)
Dass der Plot nicht ins Moralinsaure kippt, ist gewiss auch ein Verdienst der Schauspieler. Anna Maria M�he �ber eine Stunde lang in einer eher unsympathischen Rolle zu sehen, nimmt man als Zuschauer dankbar entgegen. Die Figur entwickelt erst im Schlussdrittel – �ber ihre Rolle als �rztin – das n�tige Verantwortungsbewusstsein f�r die Gruppe. Kostja Ullmann sa� fast zehn Jahre nach „Die Zeit, die man Leben nennt“, zum zweiten Mal f�r einen Film im Rollstuhl. Seine Figur ist die, bei der es emotional immer wieder ans Eingemachte geht. Die schmerzhaften Momente muss Tom immer wieder aushalten, und auch f�r den Zuschauer werden sie nicht k�nstlich – beispielsweise durch Komik – aufgel�st. F�r das Augenzwinkern (dazu geh�rt auch mal ein Gag auf eigene Kosten) und eine gewisse Doppelb�digkeit zust�ndig ist die Figur von Simon Schwarz: der Waldorflehrer, dem die Weiblichkeit in Deutschland zu F��en liegt, kann seine geringe Fitness nicht verbergen. Je mehr es in Richtung Gipfel geht, umso mehr muss er japsen. Diese Figur ist ein gelungener Kontrapunkt zur herk�mmlich angelegten Dramatik der anderen Figuren. Auch Caroline Hartig („Tatort – Level X“) �berzeugt als feinnervig sensible Paula, der gegen Ende ein Kreislaufkollaps zu schaffen macht. Und Ulrich Friedrich Brandhoff, filmisch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt, nutzt seine Chance in diesem Ensemblefilm als umsichtiger Kibo-Besteiger-Versteher.
Foto: Degeto / Anika Moln�rDer Dauerregen zerrt an den Nerven der Gruppe. Bald erweist es sich auch als hilfreich, dass zum Team eine �rztin geh�rt. Schwarz, Brandhoff, Hartig, Ullmann
Wie schmal der Grat zwischen Magie und Kitsch ist, zeigt die digitale Bildbearbeitung der vorl�ufigen Fassung, die Journalisten zur Verf�gung stand. Sonne und Licht im Regenwald nehmen geradezu surreale Z�ge an, auch die aufget�rmten Regenwolken wirken einen Tick zu gek�nstelt – sodass man sich irgendwann fragt, was und wie viel ist hier eigentlich echt? Ein Pavian und ein ziemlich wilder Gepard wirken f�r einen deutschen Fernsehfilm zumindest schon mal ziemlich „echt“. Und dass auch Unterhaltungsfilme f�rs Fernsehen zunehmend mit Visual Effects arbeiten, wei� heute jedes Kind. Ausgestellte „Natur“ gibt es erfreulicherweise so gut wie keine in „Kilimandscharo – Reise ins Leben“; wenn doch, dann wird der Blick vom Bergf�hrer entsprechend erkl�rt („10.000 Jahre alter Gletscher“). Bleibt zu hoffen, dass in der Endfassung auch ein Eindruck bleibt von der sinnlichen, transzendenten Faszination des Kilimandscharo. Denn gedreht wurde ja nicht an Originalschaupl�tzen in Tansania, sondern im logistisch wesentlich besser erschlossenen Filmland S�dafrika. (Text-Stand: 22.10.2017)
Foto: Degeto / Anika Moln�rSonnenaufgang und der Blick auf die Wiege der Menschheit. Die "Gipfelst�rmer": Anna (Anna Maria M�he), Tom (Kostja Ullmann), Paula (Caroline Hartig) und Joschka (Simon Schwarz) mit den Bergf�hrern Simon (Ulrich Friedrich Brandhoff) und Joseph (Bongo Mbutuma) auf dem Gipfel des Kilimandscharo-Massives.
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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