Gedichte von Vittorio Alfieri – Den Schmerz will ich mit euch tragen!
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Gedichte von Vittorio Alfieri – Den Schmerz will ich mit euch tragen!

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Vittorio Alfieri (1749-1803).
Vittorio Alfieri (1749-1803). Gemini/Imago © IMAGO/Gemini Collection

Ein Gedichtsammlung gibt Gelegenheit, den erstaunlichen Vittorio Alfieri zu entdecken.

Er hatte auf alles verzichtet. Kurzerhand übergab er die geerbten Ländereien seiner Schwester, um zu reisen, sein Leben lang quer durch Europa. Nur wofür? Letztlich doch für die eine Geliebte, Luise Gräfin zu Stolberg, die zahlreiche seine Gedichte in den Himmel heben. Und dies, wie die just herausgebrachte, zweisprachige Ausgabe seiner „Sonette“ belegt, mit einer bunten Stilcollage. Mal stimmt er die „wehen Klagen“ des Minnesangs an, in dem der Mann die vergöttlichte Dame zu preisen sucht, mal gibt er sich dem amourösen Spiel mit der vollen Inbrunst des Sturm und Drang hin.

Was die sämtlichen Herzensbeschwörungen verbindet, ist stets der Schmerz. Er rührt von der Ferne der Angebeteten her, die der neoklassische und 1749 geborene Autor Vittorio Alfieri insbesondere während seiner Aufenthalte in verschiedenen Ländern verspürte. Ganz im Sinne der traditionsreichen Melancholiedichtung wird man dabei einer Schwermut gewahr, „die den müden Geist ernährt“. Wenn sie bisweilen nicht in die Todessehnsucht kippt, so entfaltet sie eine heilsame Wirkung. Es gilt, „in Versen / der Trauer meinen Schmerz zu mindern“ – will auch heißen: Erst die Pein inspiriert zur Poesie!

Und die führt die Menschen im besten Fall zusammen. Abgesehen vom Streben nach der reinen Liebe in der Zweisamkeit wollte der Dichter mit seiner Kunst nicht mehr und nicht weniger als Menschlichkeit kultivieren. Denn „kommt ein anderer in seinem Unglück / zu mir, kann ich mit Rat und Trost uns Hilfe / ihm mitleidvoll in seinem Kummer beistehn.“ Eben weil er ihn selbst erfahren hat. Wo Lyrik sensibilisiert und überdies echt und unverstellt ist, kann Leid demzufolge zu einem geteilten werden.

Gemeinsinn scheint dem Spross eines Adelsgeschlechts aus Piemont also ein wichtiges Anliegen gewesen zu sein. Nicht minder überzeugt war er indes von der Idee der Autonomie. Den absolutistischen Tyrannen tritt er mit satirischer Gebärde entgegen, und „denen, die sich feige zeigen, / die gerne dienen und nicht selber denken“, rät er wiederum zum Zweifel.

Das Buch:

Vittorio Alfieri: Sonette. Italienisch – Deutsch. Ausgewählt u. übers. v. Christoph Ferber. Elfenbein, Berlin 2024. 128 S., 24 Euro.

Sentiment und auch Passion

Dieser wohl nicht zufällig im Kant-Jahr wiederentdeckte Lyriker, der übrigens im romanischen Sprachraum vor allem für seine Tragödien bekannt wurde, wusste, dass Freiheit Aufklärung voraussetzt. Indem er sich jedoch nicht den Hardliner-Rationalisten anschloss, sondern in seinem Werk und Wesen sowohl dem Sentiment als auch der Passion Raum gab, konnte er zu einer epochalen Ausnahmeerscheinung avancieren. „Alfieris Dichtung meidet das Mittelmaß“, hält Georges Güntert zu Recht in seinem ansonsten ein wenig zu biographielastigen Nachwort fest.

Ruhm, jenes Gut, von dem der 1803 verstorbene Schriftsteller unentwegt träumte, hat er zumindest in seiner Zeit erlangt. Warum er ihm ebenfalls heute noch gebührt, davon gibt diese erlesene und feine Sammlung von Gedichten Kunde.

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