Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat aufgrund einer Krebsdiagnose in seiner Jugend beschlossen, Mediziner zu werden. Das schreibt der SPD-Politiker in einem neuen Buch („Bevor es zu spät ist“, Rowohlt Verlag), aus dem die „Bild“ Auszüge veröffentlicht. In dem Buch beschreibt er, warum nur die Wissenschaft der Politik helfen kann, die Welt vor dem Klimawandel und neuen Pandemien zu retten.
Seine Laufbahn als Wissenschaftler und als Forscher sei ihm nicht in die Wiege gelegt worden, schreibt der 59-Jährige im ersten Teil des Buches. Er komme aus Oberzier, einem Dorf neben der Kernforschungsanlage Jülich, sein Vater arbeitete in einer nahe gelegenen Molkerei.
Er sei ein Arbeiterkind gewesen, das mit den anderen Kindern der Atomkraftingenieure in dieselbe Grundschule ging. „Obwohl ich ein sehr guter Schüler war, wurde meinen Eltern davon abgeraten, mich aufs Gymnasium zu schicken - ich hätte einfach zu oft Bronchitis, war die Begründung. Diese Formulierung habe ich nie vergessen“, schreibt Lauterbach.
Später sei ihm klargeworden, so schreibt er, dass das Gymnasium für Ingenieurskinder reserviert worden war. „Auf der Hauptschule langweilte ich mich so sehr, dass sich sofort Lehrer für mich einsetzten.“ Er kam erst auf die Realschule, später dann aufs Gymnasium. „Verglichen mit dieser Hürde nach der Grundschule waren spätere beim Abitur, bei der Zulassung für das Medizinstudium, der Promotion und der Professur wirklich harmlos.“ Schon als Kind habe er dadurch die Ungerechtigkeit des Bildungssystems begriffen.
Ein „Schockmoment“ führte zu seinem Entschluss
„Ähnlich früh wusste ich, dass ich mein Leben der Medizin widmen wollte.“ Er habe sich das schon als 13-Jähriger vorgenommen. „Dieser frühe Entschluss kam aus einem existenziellen Schockmoment heraus.“ Bei einer Routineuntersuchung sei an seinem Knie eine Knochenzyste festgestellt worden. „Der Arzt konfrontierte mich mit der Diagnose, das sei Krebs und mein Bein müsse wahrscheinlich amputiert werden. Für einen Jungen, der im Verein Fußball und Tischtennis spielte und beim Sport deutlich ehrgeiziger war als in der Schule, war das ein unvorstellbares Drama.“
Einige Wochen musste Lauterbach „in diesem Horror“ leben, sein Bein zu verlieren. Seine Mutter konnte zwei Wochen lang nichts essen, erzählt er. Bei der Operation zeigte sich zum Glück, dass die Knochenzyste gutartig war und er sein Bein behalten konnte.
Die Operation sei aber „miserabel“ gewesen, es habe sich ein Hospitalkeim eingenistet. Wochenlang lag er deswegen mit einer offenen Wunde an der Hüfte in der Klinik. Danach musste er über Jahre hinweg alle sechs Monate zu einer Kontrolluntersuchung, um zu checken, ob die Zyste zurückkommt. „So lebte ich also jahrelang unter dem Damoklesschwert einer möglicherweise wiederkehrenden Bedrohung meines Beines, ohne dass es diese Bedrohungslage überhaupt gab.“
Den Chefarzt bekam er nie zu Gesicht – offenbar, weil sein behandelnder Arzt seinen Behandlungsfehler verstecken wollte. „Irgendwann habe ich meine Mutter, der das entsetzlich peinlich war, in die Privatpatientensprechstunde des Chefarztes geschleppt.“ Dieser sei entsetzt gewesen, dass diese schlimme Komplikation vor ihm verborgen gehalten werden sollte. Der behandelnde Arzt sei versetzt worden.
Er habe auch dadurch erkannt, schreibt Lauterbach, wie ungerecht das Medizinsystem mit den zwei Klassen aus Privat- und Kassenpatienten war. „Diese Erfahrungen haben meinen Berufsweg geprägt. Ich fasste damals den Entschluss, Mediziner zu werden.“