»Helden sterben doch!«
  1. Gießener Allgemeine
  2. Gießen

»Helden sterben doch!«

KommentareDrucken

oli_unissued3_180424_4c
Mit Fotos der ukrainischen Studierenden wird an das Schicksal der jungen Menschen erinnert, denen im Krieg ihr Leben genommen wurde. © Oliver Schepp

Das Leben vieler ukrainischer Studierender wurde durch den russischen Angriffskrieg ausgelöscht. In der Fotoausstellung »Unissued Diplomas« an der JLU werden ihre Geschichten lebendig gehalten.

Die 19-jährige Ivanna Obodzinska studierte Landschaftsarchitektur an der Polissia National University. Sie war Mutter von Zwillingen. Am 8. März 2022 wurde sie mit ihren Kindern in ihrem Haus in der Region Schytomyr durch zwei russische Fliegerbomben getötet.

Das ist nur eins der 40 Schicksale, die aktuell im Rektorenzimmer des Universitätshauptgebäudes der Justus-Liebig-Universität erzählt werden. Die Fotoausstellung »Unissued Diplomas« zeigt das Leben von ukrainischen Studierenden, die im russischen Angriffskrieg getötet wurden.

»Hinter jedem dieser Opfer steht eine abgebrochene Lebensgeschichte«, sagte Prof. Hans-Jürgen Bömelburg vom Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo) anlässlich der Ausstellungseröffnung am vergangenen Mittwoch. Es sei wichtig, die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten und die Brutalität des Krieges greifbar zu machen.

Kampf für Freiheit und Frieden

DAAD-Stipendiatin Sofiia Riabokon vom Projekt »Zukunft Ukraine« eröffnete ihre Ansprache mit einem ukrainischen Sprichwort. Es lautet »Helden sterben nicht«, aber die Wahrheit sei: »Helden sterben doch.« Sie sterben durch einen grausamen Krieg, im Kampf für Freiheit, für Würde und für ihr Heimatland, sagte Riabokon. Russland tue alles, um die ukrainische Zivilbevölkerung zu zerstören, doch die Erinnerung an die Opfer lebe weiter. Ihre Schicksale vorzustellen sei das Mindeste.

Obwohl die Ausstellung weder spaßig noch unbeschwert sei, sei sie es wert, angeschaut zu werden, sagte Juliia Kotvytska von der Initiative »Escape reality (can we?)«. Die Realität sei traurig, doch man könne und solle ihr nicht entfliehen.

Olena Dudko vom Frankfurter Verein »Perspektive Ukraine« betonte, dass jeder Beitrag zum Widerstand wichtig sei und jeder seinen eigenen Kampf kämpfe. Die Aktivistin und Juristin für Internationales Recht sagte über sich selbst, dass sie nicht mutig genug sei, um an der Front zu kämpfen. Doch sie sei die Stimme ihrer Freunde in den Schützengräben. »Wir dürfen nicht vergessen, wofür sie gekämpft haben und immer noch kämpfen«, regte Dudko an. Denn sie kämpften für Freiheit, Frieden und Demokratie in ganz Europa.

»Wir leben noch, aber wir leiden auch noch«, sagte Kateryna Schliefer vom Ukrainischen Verein Gießen. Russland meine, in seiner Hassideologie entscheiden zu dürfen, wie andere Länder zu existieren haben. Sie versuchten, der Ukraine ihre Fähigkeit zu Denken und zur eigenen Kultur abzusprechen.

Auswirkungen des Kriegs auf Jüngere

Soziologin Dr. Tetiana Kostiuchenko von der Kyiv-Mohyla-Akademie stellte die Ergebnisse ihrer Studie vor, in der sie untersuchte, welchen Einfluss der Krieg auf die jüngere Generation in der Ukraine hat. Vier von fünf Befragten gaben an, durch die Invasion Verlust erlebt zu haben, in Form von Einkommen, mentaler Gesundheit oder Familie und Freunden. Dennoch wollen zwei Drittel der Menschen in der Ukraine bleiben, und 76% der Geflüchteten gaben an, in ihr Heimatland zurückkehren zu wollen.

Über das Ende des Krieges sagte Kostiuchenko, dass die Frage nicht sei, wann er ende, sondern wie. Die Zivilbevölkerung akzeptiere keine Kompromisse und keine Aufgabe von Gebieten.

Und wenn es keinen Frieden für die Ukraine gebe, werde der Krieg in anderen Ländern wiederholt werden.

Per Videoanruf kam auch Kateryna Polishchuk zu Wort. Die 21-Jährige engagiert sich neben ihrem Studium der Geschichte und Archäologie aktiv beim ukrainischen Militär. Einen Tag, nachdem sie sich dort als Reservistin gemeldet hatte, begann die Invasion Russlands. Doch sie träume weiter davon, irgendwann als Lehrerin in ihrem Heimatland arbeiten zu können.

Musikalisch begleitet wurde die Eröffnung von Anna Sonyk. Sie spielte ukrainische Lieder auf der Bandura und sang dazu. Beendet wurde die Veranstaltung mit einer Schweigeminute für die Opfer des russischen Angriffskriegs.

Die Ausstellung ist noch bis einschließlich 23. April im Rektorenzimmer im Universitätshauptgebäude zu sehen.

Auch interessant

Kommentare