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Joséphine, das It-Girl an Napoleons Seite

Freier Feuilletonmitarbeiter
Joséphine de Beauharnais hieß die erste Frau an Napoleons Seite. Weil sie keine Kinder gebären konnte, blieb sie nicht die letzte. Warum die Franzosen sie auch 200 Jahre nach ihrem Tod noch lieben.

Nicht jede Frau, die Teil der Weltgeschichte ist, hat auch Weltgeschichte gemacht. Und gerade Joséphine de Beauharnais, der ersten Frau Napoleon Bonapartes sollte man solches besser nicht nachsagen. Doch sie lebte in hochpolitischen Umständen, und wusste diese stets zu ihrem Vorteil zu nutzen. Ihre Politik war also eher die des Boudoirs; vielleicht nicht untypisch für eine Französin.

Auch sonst ist so einiges bemerkenswert an der Biografie dieser lebenslustigen Frau aus der Karibik, die erst fast guillotiniert worden wäre, dann zum It-Girl des Empire in Europa avancierte und schließlich als Soraya des 19. Jahrhunderts endete. Nun begehen die Franzosen ihren 200. Todestag, und zum ersten Mal wurde ihre auch eine Ausstellung im Musée du Luxembourg in Paris gewidmet.

Sie war die Witwe, die Napoleon heiratete

Die freilich gibt sich weit harmonischer und gefälliger als die echte Josephine war, fängt die Widersprüche wie Ungereimtheiten ihrer Biografie in Harmonie, ästhetischer Raffinesse und Requisiten üppigen, ja verschwenderischen Reichtums kulissenhaft auf. Die höchst fragwürdige Frau, deren ausgesucht exquisiten dinglichen Hinterlassenschaften jetzt hier aufgebahrt werden, war weit spannender und interessanter als es ihr makellos geschmackssicheres Erbe zeigen kann.

An ihr war auch einiges falsch, der Name, das Alter und auch die Lebensumstände. Zumal sie nicht erst notorisch bekannt wurde, als sie 1796 nach nur fünfmonatiger, eher einseitiger Leidenschaft als 36-jährige Witwe von den Antillen einen zehn Jahre jüngeren, freilich vielversprechenden korsischen General heiratete.

Tochter eines Plantagenbesitzers

Joséphine de Beauharnais hieß jedenfalls zu Lebzeiten nie so. Die als Marie Josèphe Rose Tascher de La Pagerie am 23. Juni 1763 auf Martinique geborene Tochter eines Zuckerrohrplantagenbesitzers wurde als Kind Rose oder Yeyette gerufen, Josèphine nannte sie erst Napoleon, um sich so von seinen zahlreichen Vorgängern in ihrem Bett zu unterscheiden.

Zu denen gehörte auch der reiche Graf Alexander de Beauharnais, der sich zu Hause unmöglich gemacht hatte und jetzt auf Drängen eines Verwandten eine Frau suchte. Joséphines Schwester, die eigentliche Braut, starb aber an Tuberkulose, so wurde sie 1779 der Ersatz, obwohl sie ihrem unwilligen Gatten mit 16 Jahren schon zu alt war.

Ihr erster Mann kam aufs Schafott

Joséphine lebte jetzt in Frankreich. Ihre Ehe, der immerhin die Kinder Eugène und Hortense entsprangen, war unglücklich. Sie wurde betrogen, von ihrem Mann öffentlich als „Hure“ gedemütigt. 1785 ließ sie sich scheiden, drei Jahre später ging Joséphine zurück in die Karibik. Hier hatte sie, behaupteten später ihre Gegner, die zahlreich waren, viele Affären, angeblich sogar eine uneheliche Tochter von einem Schwarzen.

1790 kehrte sie nach Paris zurück, wo ihr Mann zwar mit dem dritten Stande paktierte, Präsident der Nationalversammlung und Befehlshaber der Rheinarmee wurde, aber trotzdem 1774 aufs Schafott musste – nur vier Tage vor dem Sturz Robespierres. Dieser Umstand wiederum rettete der als adeliger Ex-Gattin ebenfalls angeklagten Joséphine wohl das Leben.

Joséphine liebte den Luxus

Als sie das Restvermögen ihres Mannes zurückerhalten hatte, lebte sie als lustige, bestens mit dem alten Adel wie der neuen Regierung vernetzte Witwe und eine der Gesellschaftsköniginnen des Directoire ein frugales Leben. Sie liebte immer schon teure Stoffe, schönen Schmuck, am meisten antike Kameen, modische Möbel. Für Joséphine musste es immer das Teuerste und das Neueste sein.

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Auch die Ehe mit dem vielversprechenden Napoleon war keine Liebesheirat, aber für beide sicherer Hafen und cleveres Zweckbündnis. Obwohl er ehrlich entflammte für die deutlich ältere, sicher auch erfahrenere Frau. Und für die Öffentlichkeit hat sie längst ein paar Jährchen abgezogen, er zwei aufgeschlagen.

Ihr zuliebe duldete Napoleon die Sklaverei

In seiner Anfangszeit als strahlender Aufsteiger beriet Joséphine ihren zweiten Mann auch politisch, knüpfte die richtigen Verbindungen bis zum Staatsstreich 1799, ermöglichte ihm den gesellschaftlichen Aufstieg. Damit ihre Familie die Zuckerohrplantage mit 500 Sklaven halten konnte, setzte sie freilich durch, dass Napoleon die 1794 vollzogene Abschaffung der Sklaverei in Frankreich widerrief. Das Gesetz sollte bis 1848 Bestand haben, und bis heute wird deshalb der Joséphine-Statue auf Martinique regelmäßig der Kopf abgehauen.

Nach der Zeit von Napoleons Konsulat konzentrierte sie sich ganz auf die üppige Ausgestaltung der Tuilerien sowie ihres ebenfalls 1799 erworben ländlichen Schlossgutes Malmaison vor den westlichen Toren von Paris, das noch heute ein vollständig eingerichtetes Musée sentimental für Joséphine vorstellt. Dabei konnte sie jetzt auch finanziell aus dem Vollen schöpfen, obwohl sie mit der Apanage nie auskam; selbst als diese nach der Krönung in Notre-Dame 1804 auch eine kaiserliche war. Napoleon beglich großzügig immer wieder ihre gewaltigen Schulden.

Das ganze schöne Leben der Joséphine

In den hübsch in Taubenblau und Zartgold dekorierten Ausstellungsräumen des Luxembourg-Seitenflügels sind die Artefakte des schönen Joséphine-Lebens umfänglich versammelt: sorgfältige Porträts von ihr und ihrer Familie, schmeichelnd wiedergegeben bei Andrea Appiani, melancholisch introvertiert bei Pierre-Paul Prud’hon; teuerste Porzellane, auch zwei KPM-Vasen mit Malmaison-Veduten als diplomatisches Geschenk von Königin Luise; Altmeister, Kunstgewerbe jeder Façon und Couleur.

Man besichtigt sogar eigens entwickelte Möbel wie einen Sessel mit Schwanenhals-Armstützen, alles von führenden zeitgenössischen Handwerkern gefertigt. Die nur 1,63 Meter große Joséphine gab dem neuen, von der Antike und eben in Pompeji ausgegrabenen Vorbildern inspirierten Empire-Stil Wärme und Weiblichkeit. Ihre Liebe zu knisternden, hauchzart bestickten Seiden beflügelte die Webereien in Lyon auch wirtschaftlich.

Role Model in ganz Europa

Die nunmehr erste Frau Europas wurde von allen Adelshöfen Europas kopiert, besonders natürlich von denen, die ihre frisch erworbenen Kronen Napoleons Kriegskünsten zu verdanken hatten. Sie war die umworbene Propagandistin der französischen Mode, Botschafterin eleganter Lebensart, Galionsfigur der aufblühenden Luxusindustrie.

Davon legen die blitzenden, aber schlicht gehaltenen Juwelen und Diademe ebenso Zeugnis ab wie die von ihr eingeführten Kaschmirschals, ihre zielgenau erworbenen Antiken, opulent gestalteten Blumen- und Tieralben, in denen sie ihre Liebe zu den exotischen Gewächsen ihrer Heimat und Geschöpfen wie schwarze Schwäne und Kängurus dokumentierte, mit denen sie Malmaison bevölkerte.

Ihr Manko war Napoleons Problem

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In rotes Maroquinleder mit Goldschnitt und Wappen waren sogar die Noten der passionierten Harfenistin (deren schönstes Instrument einen napoleonischen Adler ziert) eingebunden, ebenso freilich die daneben ausgestellte Scheidungsurkunde. Denn Joséphines einzige Manko war: Sie konnte offenbar keine Kinder mehr bekommen.

Das überschattete ihre Ehe schon bald, denn Napoleon brauchte für sein schnell offizielles Erbkaisertum einen männlichen Erben. Joséphine, die ja immerhin auf zweimal Nachwuchs verweisen konnte, suchte den Fehler erst bei ihrem Mann, doch der bewies ihr mit seinen beiden schwangeren Maitressen Gräfin Maria Walewska und Eleonore Denuelle das Gegenteil.

Die Soraya des 19. Jahrhunderts

Also musste Joséphine gehen, erlitt sie ein Schicksal wie später Soraya Esfandiary Bakhtiary, die dem Schah von Persien keinen Sohn schenken konnte. Doch sie wurde weit besser abgefunden, blieb Kaiserin von Frankreich, bekam Malmaison, Schloss Navarre und den Elysée Palast, der einmal Madame Pompadour gehört hatte, und lebte weiterhin, von vielen gekrönten Häuptern besucht, auf materiell sehr großen Fuß.

Napoleon hatte schon im März 1810 per Ferntrauung die ihn hassende österreichische Kaisertochter Marie-Louise dem herrschenden Hause als zweite Gattin abgepresst, doch ihr gemeinsamer Sohn Napoleon Franz starb bereits 1832. Joséphine aber erlebte den Abstieg Napoleons nur bis zu dessen sich ebenfalls zum 200. Mal jährenden Exil in Elba. Sie verschied am 29. Mai 1814 an einer fiebrigen Kehlkopfentzündung, die sie erstickte.

Schon 32 mal in Filmen verkörpert

Joséphine wurde in mindestens 31 Filmen (der 32. ist gerade in Planung) von Schauspielerinnen wie Merle Oberon, Hedy Lamarr, Michèle Morgan, Martine Carol, Ursula Andress, Jacqueline Bisset und Isabella Rossellini verkörpert. Ironie der Geschichte: Obwohl die Unfruchtbarkeit über ihrer Ehe mit Napoleon lastete, war Joséphine durch ihre beiden Kinder Großmutter von Napoleon III., der Kaiserin von Brasilien, der Königin von Schweden, des Prinzgemahls von Portugal und eines russischen Großherzogs.

Zudem ist sie Vorfahrin der königlichen Häuser von Norwegen, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Schweden, Rumänien, Jugoslawien und Italien. Das freilich kann die schnell wieder von den Thronen gewehte Familie Bonaparte nicht von sich behaupten.

Die Ausstellung im Musée de Luxembourg läuft bis 29. Juni.

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