Der Gegenpapst starb vor 600 Jahren kurz nach seiner Rehabilitierung

Der doppelte Papst: Johannes XXIII.

Veröffentlicht am 27.12.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Zeichnung von Papst Johannes XXIII. (Gegenpapst) bei seinem Sturz mit der Kutsche auf der Fahrt zum Konstanzer Konzil.
Bild: © KNA

Florenz/Bonn ‐ Sie trugen den gleichen Namen. Sie riefen beide ein Konzil ein. Und doch ist das Andenken an den mittelalterlichen Johannes XXIII. bis heute getrübt. Dabei setzte er sich maßgeblich für die Lösung eines großen innerkirchlichen Konflikts ein.

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Fällt der Name des mittlerweile heiliggesprochenen Papstes Johannes XXIII. (1958-1963), so taucht das Bild eines kleinen, dicken und grundgütigen Mannes in weißer Kleidung auf, der das Zweite Vatikanische Konzil einberief. Doch vor 600 Jahren gab es schon einmal einen Papst mit diesem Namen - der ebenfalls ein Konzil zusammenrief. Sein Ruf allerdings ist so dunkel, wie der des anderen hell ist. Warum taucht er immer wieder auf Listen der schlechtesten Päpste auf?

Das Leben des ersten Johannes XXIII. wird vom "Großen Abendländischen Schisma" bestimmt, das zwischen 1378 und 1417 die katholische Kirche in zwei Teile zerriss. Ein Papst saß in Rom, der andere in Avignon. Welcher der Rechtmäßige war, wusste eigentlich keiner genau, auch wenn beide fest davon überzeugt waren, dass nur sie allein wahrer Papst seien und der andere ein Schismatiker. Diese schwierige Zeit bestimmte das Leben von Baldassare Cossa, der als Johannes XXIII. hoch aufstieg und tief fiel. Er starb am 27. Dezember 1419, vor 600 Jahren, in Florenz, nur wenige Monate nach seiner Rehabilitierung und der Wiederaufnahme ins Kardinalskollegium.

Johannes XXIII. hatte das Pech, von seinem Zeitgenossen Dietrich von Niem literarisch hingerichtet zu werden. Von dessen ätzendem Urteil, kombiniert mit dem Prozess zu Johannes' Absetzung beim Konstanzer Konzil, blieb das Bild eines Mannes mit schweren charakterlichen Fehlern haften. Das verdeckt seine eigentliche Leistung, nämlich intensiv an der Lösung des Schismas mitgearbeitet zu haben, unter Einsatz eigener finanzieller Mittel.

Er wurde zum Kardinal kreiert - ohne Priester zu sein

Geboren zu Beginn der 1360er Jahre als Sohn einer Adelsfamilie aus dem Königreich Neapel, studierte er in Bologna die Rechte. Obwohl Cossa eher mit einer militärischen und organisatorischen Begabung gesegnet war als einem geistlichen Lebensweg zugetan, trat er in die Dienste der Kirche ein. Dank eines einflussreichen neapolitanischen Beziehungsnetzes machte er zügig Karriere und wurde 1402 Kardinal, ohne vorher je Priester oder Bischof gewesen zu sein. Zunächst war sein eigentliches Zentrum Bologna, die wichtigste Stadt im nördlichen Teil des Kirchenstaates, wo er sich mit teils brutaler Gewalt durchsetzte. Später pflegte er intensive Beziehungen zu Florenz.

Das Große Schisma wurde als großes Ärgernis betrachtet, auch wenn sich beide Päpste darin gut in Rom und Avignon einrichteten. Als sie dann wieder eine Möglichkeit verstreichen ließen, auf die man eine große Hoffnung gesetzt hatte, traten die beiden Kardinalskollegien nach vorn, kündigten beiden Päpsten den Gehorsam auf und beriefen für März 1409 ein Konzil nach Pisa ein, dessen Finanzierung weitgehend Baldassare Cossa übernahm.

Bild: ©KNA-Bild

Papst Johannes XXIII. feiert im April 1959 das Osterfest im Vatikan.

Das Pisaner Konzil konnte allerdings nicht die verfahrene Situation im Schisma lösen. Die anwesenden Kardinäle wählten zwar einen Papst, doch konnte sich Alexander V. nicht überall durchsetzen. Nun gab es also sogar drei statt zwei Päpste.

Als Alexander V. im Mai 1410 überraschend starb, schlug die Stunde von Baldassare Cossa. Er wurde am 17. Mai 1410 von 17 Kardinälen zum Papst gewählt - nicht weil er ein spirituell vorbildlicher Mann war, sondern weil man ihm zutraute, die verfahrene Situation zu lösen. Drei Päpste waren schließlich zwei zuviel.

In der Hoffnung, sich endgültig als universal anerkannter Papst durchzusetzen, ließ er sich darauf ein, mit König Sigismund ein Konzil in Konstanz abzuhalten, das die drängendsten Probleme der Kirche lösen sollte. Das jedoch ging für den ersten Johannes XXIII. gründlich schief. Er war der erste der drei Päpste, der fiel. Ihm wurde ein Prozess gemacht, der zu seiner Abdankung führte. Fluchtartig verließ er Konstanz, wurde aber gefangen genommen und in Abwesenheit abgesetzt.

Er starb wenige Monate nach seiner Rehabilitierung

Oder trat er freiwillig zurück? Beides ist richtig. Denn nach der Übermittlung der Absetzungssentenz verzichtete Johannes von selbst und schriftlich auf alle Ansprüche auf das Papsttum. Bis nach Ende des Konzils 1418 blieb er trotzdem weiter in Gefangenschaft. 1419 unterwarf er sich Papst Martin V., der ihn rehabilitierte. Nur wenige Monate später starb der wieder zum Kardinal ernannte Baldassare Cossa und wurde im Baptisterium San Giovanni in Florenz begraben, im ersten Baldachin-Grabmal der Renaissance. Laut Inschrift liegt hier ein Johannes - ehemals der 23. Papst mit diesem Namen.

Als der Patriarch von Venedig, Angelo Giuseppe Roncalli, 1958 zum Papst gewählt wurde, entschied er sich für den Papstnamen Johannes und erklärte, es habe 22 kirchenrechtlich einwandfreie Vorgänger gegeben. Schon vorher landete der erste Johannes XXIII. auf der Liste der Gegenpäpste, obwohl nicht alle Historiker dieses Urteil teilen. Heute macht man sich eigentlich eher die Auffassung aus der Zeit des Schismas zu eigen und sieht im römischen, Avignoner und dann Pisaner Papsttum drei nebeneinander laufende Linien, die mit der Wahl von Martin V. 1417 wieder zu einer Linie zusammengehen.

Von Christiane Laudage (KNA)