Der Vater Friedrich Schillers, Johann Caspar, wird 1723
als mittlerer von drei Söhnen in einer Familie geboren, zu der noch fünf Schwestern
zählen. Die Wurzeln der Familie väterlicher- wie mütterlicherseits liegen
in Schwaben. Väterlicherseits stammt die Familie von Vorfahren ab, die als
württembergische Weinbauern, Bäcker, Gastwirte und Küfer im
Remstal leben, und von denen einige über mehrere Generationen
hinweg das Schultheißenamt ausüben. Auch der Vater von Johann Caspar,
Johannes Schiller (1682 - 1730)
übt das Amt neben seinem Beruf als Bäcker aus. Dessen Frau, ist Eva-Maria
Schatz (1690 - 1788), deren Vater als Uhrmachermeister in Alfdorf tätig ist. Die Verhältnisse, in der die Familie
bei der Geburt Johann Caspars lebt, sind bescheiden, das Einkommen des
Vaters sichert der vielköpfigen Familie aber den nötigen Unterhalt.
Kindheit und Jugend
Wegen seiner Begabungen darf Johann
Caspar eine zeitlang am Lateinunterricht teilnehmen, muss aber dann nach dem
frühen
Tod seines Vaters (1773) mit zehn Jahren durch
Feldarbeit zum Unterhalt der Familie mit ihren acht
unversorgten Kindern beitragen. So bleibt seine weitere schulische
Ausbildung auf der Strecke. Und eigentlich sieht alles so aus, als ob er
k�nftig sein Leben als Tagel�hner fristen m�sse. Später bemüht er sich wissensdurstig und
vielfach interessiert wie er dennoch ist, als Autodidakt immer wieder darum,
seine schulischen Defizite aufzuarbeiten. Die Zähigkeit und der Ehrgeiz, der
ihn dabei antreibt, verleihen ihm eine besonders ausgeprägte Tatkraft und ein
bemerkenswertes Durchsetzungsvermögen. Alles Eigenschaften, die er, wie
Peter-André Alt (Bd. I, 2004,
S. 60) betont, seinem Sohn Friedrich als "Willen zur beständigen Aktivität"
und als "produktive Unruhe des
Geistes" vererbt. In seiner Schrift "Die Baumzucht im Großen“, die
Johann Caspar im reifen Alter verfasst, erinnert er sich in einer
Vorbemerkung wie folgt an diese Phase seiner Kindheit und Jugend:
"Welcher Stillstand folgte jetzt auf den so hoffnungsvoll angefangenen Lauf
meines Lebens! Wie stürzte auf einmal der ganze Bau meiner kindischen Pläne,
dereinst ein weiser Mann zu werden, zusammen! Vaterlos, dürftig, ohne Freude
sank ich tief – mir wurde endlich viel verboten, meine Grammatik
auszulernen, mein Ungehorsam mit Strafe geahndet … Zwanzig folgende Jahre
verstrichen, in welchen ich von dem Schicksal wie ein Ball umhergetrieben
wurde. Hang und Begierde, meine Seelenkräfte mehr anzubauen, die ich zu
alledem fühlte, regten sich unaufhörlich mächtig, aber Unmöglichkeit stand
der Ausführung ebenso mächtig entgegen. In Frieden und im Kriege, in Ost und
Westen, wo der Zufall mich hinführte, hintrieb – immer Mangel an
Gelegenheit, Mangel an Hilfsmitteln, Mangel an Freunden und an guter
Gesellschaft … Du Wesen aller Wesen! Dich hab ich nach der Geburt meines
einzigen Sohnes gebeten, dass du demselben an Geistesstärke zulegen
möchtest, was ich aus Mangel an Unterricht nicht erreichen konnte, und du
hast mich erhöret. Dank dir, gütigstes Wesen, dass du auf die Bitten der
Sterblichen achtest!“ (zit. n.
Buchwald 1959, S.40)
Wundarztausbildung und
Beginn der milit�rischen Laufbahn
Mit 14 Jahren beginnt Johann Caspar eine Lehre als Wundarzt bei dem
Klosterbarbier Fröschlin in
Denkendorf, erwirbt dabei auch Kenntnisse in der Kräuter- und
Arzneimittelkunde und begibt sich nach erfolgreicher Gesellenprüfung drei
Jahre später, 1741, auf die übliche Wanderschaft,
die ihn zwar "aus dem heimatlichen Herzogtum Württemberg, nicht aber aus
Schwaben hinausführt." (Lahnstein
1981, S. 7)
In Backnang bleibt er eine Weile bei dem
Bader Scheffler, dann geht es nach
Lindau am Bodensee zu dem Chirurgen
Seeliger und mit zwanzig Jahren arbeitet er bei dem Wundarzt Cramer in
Nördlingen. Sein Ehrgeiz und das Streben nach sozialem Aufstieg veranlassen
ihn, während dieser Zeit Französisch und das Fechten zu erlernen, womit er
"Elemente einer aristokratischen Bildungssozialisation" aufnimmt (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 60).
Dennoch scheint Johann Caspar Schiller klar zu sein, dass an ein weiteres
berufliches Fortkommen auf solche Weise nicht zu denken ist.
Als er
1745 auf ein durchziehendes bayerisches
Husarenregiment trifft, schließt sich der mittlerweile Zweiundzwanzigjährige dieser
militärischen Elitetruppe, da keine Feldscherstelle frei ist,
kurzerhand als Fourier an.
In seinen 1789 verfassten Erinnerungen notiert er selbst dazu:
"1745 im
September zog das in Bayern errichtete und nach dem Absterben des
bayerischen Kaisers [Karl VII.] in holländische Dienste überlassene
Graf von Frangipanische
Husarenregiment nach den Niederlanden durch Nördlingen. Ich bekam Lust,
unter demselben als Feldscher zu dienen, nahm meinen Abschied, ging diesem
Regiment nach und holte es bei Rosenberg ein. Zwar traf ich keine ledige
Stelle an, wurde aber doch en suite aufgenommen und konnte nicht allein frei
bis in die Niederlande mitmarschieren, sondern auch von bezahlten
Pferdrationen etwas ersparen. Den 11. November dieses Jahres rückte das
Regiment in Brüssel ein. Ich hatte damals schon so viel gelernt, dass ich
einige Galanteriekuren
mit gutem Erfolg vornehmen konnte, die mich
unterhielten." (zit. n.
Lahnstein 1981, S. 7f.)
Die
Konditionen, zu denen er in das Regiment aufgenommen wird, sind also
keineswegs schlecht: freie Verpflegung und "Pferderationen", von denen er,
da er ohne Pferd marschiert, einiges sparen kann. Und dazu noch die
Nebeneinnahmen bei der Behandlung von Geschlechtskrankheiten.
Dass
der gelernte Barbier am Ende Feldscher (Militärarzt) wird, erklärt sich aus
den Umständen der Zeit. In Preußen war es z. B. seit dem späten 17.
Jahrhundert verbrieft, dass Barbiere kleinere chirurgische Eingriffe an der
Haut, Zahnbehandlungen und den rundum wirkungslosen, aber als Allheilmittel
eingesetzten Aderlass vornehmen konnten. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 60)
Barbiere und Bader unterhielten also auch "eine Art Sanitäterpraxis" und
setzten ihren Patienten Blutegel an oder verwendeten ihr Schröpfeisen, um
ihren Patienten so und soviel Blut abzulassen (vgl.
Lahnstein 1981, S. 8) Es
dauert in Preußen bis 1825, bis die ärztliche Ausbildung so geregelt wird,
dass studierte Mediziner und einfache Wundärzte unterschiedliche
Aufgabenbereiche erhalten. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 60)
Auch wenn
Johann Caspar in seinem Regiment zunächst nicht als Feldscher tätig sein darf,
schafft er es wegen seines
besonderen Geschicks doch schnell, sich zum regulären Militärarzt
hinaufzuarbeiten. Besonderes Ansehen erwirbt er sich mit seinen
"Galanteriekuren" bei der Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten, die den
Soldaten offenkundig mehr Probleme bereiten als die Kriegshandlungen. (vgl.
Safranski
2004, S.19)
Soldatenleben bis 1749
Sein Soldatenleben spielt sich in den nächsten Jahren bis 1749 meist in den
österreichischen Niederlanden, dem heutigen Belgien, ab, in dem während des
»österreichischen
Erbfolgekrieges (1740-1748) Schlachten und Scharmützel zwischen
den verfeindeten Parteien um Frankreich auf der einen und Österreich auf der
anderen Seite geschlagen werden.
Auf der Seite der habsburgischen
Österreicher kämpfend wird Caspar Schiller in militärischen
Auseinandersetzungen mit den Holländern mehrfach verwundet und für seine
Tapferkeit vor dem Feind mehrfach ausgezeichnet. Er gerät einmal sogar in
französische Gefangenschaft, kämpft eine Weile unter Zwang auf ihrer Seite,
kann aber schließlich flüchten und wieder Anschluss an sein eigenes Regiment
finden. "Wer austeilt, muss auch wieder einnehmen.“ ist seine Devise, wie er
später einmal über diese Zeit schreibt. (zit. n.
Buchwald 1959, S.41)
Reise in die Niederlande und
nach London
Eine Reise
führt ihn mit seinem Regimentskommandeur über Den Haag, Herzogenbusch,
Amsterdam sogar nach England, wo er bis nach London kommt. In seiner Zeit
im Dienst des bayerischen Husarenregiments
lernt er so die "moderne Welt" kennen:
Er kommt in "die großen Städte, [..] die
neuen Manufakturen, die Steinkohlenbergwerke", kann sehen, "wie man
das Land aus dem Wasser gewinnt und Marmor mit einer Maschine zersägt". Und:
Die Niederlande kommen ihm vor wie "das gelobte
Land" (Safranski
2004, S.20), kein Wunder also, dass in seinen Erinnerungen die Zeit seiner
niederländischen Abenteuer den größten Raum einnimmt.
Darin bringt er seine
Bewunderung darüber zum Ausdruck, wie in den Provinzen Holland und Seeland
Fleiß und Arbeit der Menschen aus einem Chaos von Sand und Wasser beinahe
ein irdisches Paradies gemacht hätten, wie bei Bergen op Zoom die
Torfbereitung vonstatten geht und bei Namur und Charleroi prägt er
sich die Merkmale ein, nach denen man dort auf Steinkohle gräbt; bei Lüttich
fährt er in ein Steinkohlebergwerk ein und lernt dort auch die Vorteile der
Steinkohle für die verschiedenen Gewerbe kennen.
Die Niederlande, da gibt es
keinen Zweifel, sind das große Erlebnis für ihn, weil er dort "nicht
nur die abenteuerlichsten, sondern auch die lehrreichsten vier Jahre seines
Lebens“ verbringt "und der Glanz, der in seiner Erinnerung darauf fiel, der
liegt auch auf ihnen, sooft sein Sohn als Dichter und Geschichtsschreiber
ihrer gedacht hat: »So viele reiche, blühende Provinzen! Ein kräftiges, ein
großes Volk – und auch ein gutes Volk!«“ (Buchwald
1959, S.41f.)
Vorl�ufiges Ende der
milit�rischen Laufbahn 1748/49 und Aufenthalt in Marbach
Nach dem
»Aachener Frieden vom Oktober
1748 trifft in Den Haag, wo sich Johann Caspar zu diesem Zeitpunkt aufh�lt,
die Nachricht ein, dass das frangipanische Husarenregiment bis auf zwei
Eskadrons abgedankt werden w�rde. Ohne abzuwarten, ob er selbst unter den
Entlassenen sein w�rde, quittiert er freiwillig den Dienst und bricht am 4.
M�rz 1749 in seine Heimat auf. Nach 10 Tagen erreicht er
Marbach, wo er eine verheiratete Schwester besuchen will. Von dort aus will
er seine Mutter besuchen, die zu diesem Zeitpunkt in Murr wohnt, und auch
seinen Geschwistern in Ludwigsburg, Bittenfeld und Neckarrems einen Besuch
machen. (vgl.
Walter 1987, S.171)
Heiratspl�ne und Heirat mit
Elisabeth Dorothea Kodwei� in Marbach
So kehrt er 1749 dem Soldatenleben
also für ein paar Jahre den
Rücken und nimmt zunächst Quartier im "Goldenen
Ochsen" in Marbach. Von dort besucht er seine Verwandten in der Umgebung und
hält mit deren Hilfe Ausschau nach einer geeigneten Ehefrau.
Seine
Schwester Christine in Neckarrems meint, er solle sich wieder der
Wundarztkunst widmen und dazu m�glichst die Tochter eines Arztes heiraten,
"um dann nach Ablegung weiterer Examina dessen Praxis zu �bernehmen und
weiterzuf�hren." (ebd.)
Vermeintlich hat Christine schon alles N�tige dazu eingef�delt und eine
Heirat ihres Bruders mit der ihr bekannten Tochter des Chirurgius Rudolf in
Neckarrems ins Auge gefasst. Ihr Plan erf�llt sich indessen nicht, da das
Fr�ulein bei Schillers Ankunft schon anderweitig verlobt ist.
Schließlich
entscheidet er sich für die sechzehnjährige Tochter des Löwenwirts in
Marbach,
Elisabeth Dorothea Kodweiß,
erwirbt das Bürgerrecht und
lässt sich als Wundarzt in der Stadt nieder. Es geht ihm finanziell gut,
denn aus den Niederlanden hat er ein kleines Vermögen mitgebracht, das er sich selbst angespart hat.
Mit seiner Heirat, die am 22. Juli 1749 stattfindet, glaubt er zunächst eine gute Partie gemacht zu haben.
Dorothea ist das einzige Kind von
Georg Friedrich
Kodweiß (1698-1771), der es als Bäcker und Wirt des Goldenen Löwen" zu
Ansehen in der kleinen Stadt Marbach gebracht hat. Seine Frau
Anna Maria Munz (1698-1773) ist eine Bauerntochter vom Röhracher Hof bei Rietenau.
Vor der Heirat werden die beiderseitigen Verm�gensverh�ltnisse in einer Art
Ehevertrrag niedergelegt. Elisabeth Dorothea, die Braut, besitzt hernach bei
der Heirat zwar kein Bargeld, aber doch eine, alles in allem, ansehnliche
Aussteuer:
"Betten, Leinwand, einen 'schwarzt�chenen Rock' und einen 'crepponenen'
sowie einen 'seidenzeugenen', dazu drei Hauben, eine aus schwarzem Samt mit
silbernen Spitzen, eine mit Goldspitzen und eine aus schwerem Damast mit
Gold, ferner ein Perlen- und Granaten-Nuster, das war ein zur Tracht
geh�riger Halsschmuck, noch ein solches Nuster mit drei Reihen Granaten und
ein weiteres von 'Agathsteinen' und Perlmutt und sogar einen 'Belzschlupfer'
(Muff). Unter der Rubrik 'Schreinwerk' stand '1 gut gehimmelte Bettlade, 1
gut doppelter Kleiderkasten, 1 �lterer dito, 1 Frisur, 1 guter Tisch von
hartem Holz, 2 dergleichen St�hl, 1 Hang-Wiegen samt dem Bank, so noch
anzuschaffen' und '2 ohngelehnt Beschl. Sessel'. Dazu kamen Immobilien: ein
St�ck Acker- und Gartenland; insgesamt betrug die Mitgift genau 385 Gulden
und 40 Kreuzer." (Walter 1987, S. 172f.)
Der Br�utigam Schiller besitzt zu diesem Zeitpunkt 200 Gulden, die er aus
den Niederlanden in die Heimat mitgebracht hat. Er besitzt einen "stahlfarbent�chenen
Rock", einen silberbeschlagenen Stock, den er von seiner Mutter hat, einen
bordierten dreieckigen Hut, seidene Str�mpfe, ein Manschettenhemd aus
feinstem holl�ndischen Tuch, verschiedene chirurgische Instrumente und
allerlei Tinkturen, ferner 8 B�cher, "sechs f�r Werktage, d. h. medizinische
Schriften, und zwei f�r Sonntage, d. h. ein W�rttembergisches Gesangbuch und
eine geistliche Erbauungsschrift mit dem Titel 'Erkentnusz sein selbst', und
dazu noch einen ungarischen Sattel samt Reitzeug. (vgl.
ebd.)
Aber ziemlich
schnell stellt sich heraus, dass der vermeintlich vermögende Schwiegervater
als Besitzer des Gasthauses "Zum goldenen Löwen" vor dem finanziellen
Ruin steht. Als herzoglicher Kommissar für das Floßbauwesen und den in
dieser Gegend einträglichen Holzhandel hat er sich nämlich gründlich verspekuliert und muss
schließlich mit seinem ganzen Privatvermögen haften. Doch davon weiß sein
Schwiegersohn zunächst nichts. Als er davon erfährt, verschafft er seinem
Schwiegervater durch den Kauf eines Anteils am
Goldenen Löwen zwar eine
gewisse Zeit lang noch einmal etwas finanzielle Luft, doch auch dieser
Kredit kann dessen Konkurs nur hinauszögern.
Ruin des Schwiegervaters
Als 1752 der endgültige Ruin
des Schwiegervaters feststeht, kann Johann Caspar gerade noch seine Anteile
am goldenen Löwen verkaufen, ehe die Gläubiger seines Schwiegervaters auch
sein verbleibendes Vermögen der Konkursmasse zuschlagen. Johann Caspar setzt
sich für seinen Schwiegervater beim Magistrat ein und will bewirken, dass
man "diesen vor den Jahren alt und elend gewordenen Mann nicht vollends
unter der Last seines Jammers ersticken lasse.“ (zit. n.
Buchwald 1959, S.43)
Doch ihm
fehlen einfach auch die Mittel, die persönliche Katastrophe des
Schwiegervaters abwenden zu können.
Erneuter Eintritt in den
Milit�rdienst in das w�rttembergische Regiment Prinz Louis 1753
Um also nicht noch weiter in die Probleme seines
Schwiegervaters in Marbach hineingezogen zu werden, tritt Johann Caspar im
Januar 1753 mit nicht ganz dreißig Jahren wieder in den Militärdienst,
in das neu aufgestellte
württembergische Regiment Prinz Louis, ein und arbeitet sich binnen kurzer Zeit wieder
zum Regimentsmedicus hoch.
Seine Garnison
befindet sich in Ludwigsbug, das nicht weit weg von Marbach gelegen ist. Soldatisches
Pflichtgefühl und seine Fahnentreue bringen ihm 1758 die
Beförderung zum Leutnant und ein paar Jahre später die zum Hauptmann ein.
Und doch sind die 23 Jahre, die Johann Caspar im württembergischen Heer
Dienst leistet, "eine erbärmliche Zeit". (Lahnstein 1981, S. 16), denn das Verhalten, das sein Landesherr Herzog
▪
Carl
Eugen (1728-1793) ihm gegenüber zeigt, ist empörend: "er lässt den wackeren Mann nach
und nach avancieren, bleibt ihm aber über viele Jahre das Gehalt schuldig;" (ebd.)
Im Sommer 1757 wird auch das Regiment, in dem Johann Caspar dient, zu den
Waffen gerufen und zieht über Geislingen nach Günzburg, auf der Donau bis
Linz und dann durch Böhmen nach Schlesien gegen die Preußen »Friedrichs
II.(1712-1786)
zu Felde.
Im Fr�hjahr 1758 kehrt der mittlerweile zum Leutnant bef�rderte Schiller f�r
kurze Zeit zu seiner Familie nach Marbach zur�ck, die sich von dem kargen
Sold aber nur m�hsam �ber Wasser halten kann. Dann wird Schiller in ein
neues Regiment, das General von Romannsche Regiment versetzt, wo er zun�chst
f�r die Ausbildung von Rekruten zust�ndig ist.
Im September des gleichen
Jahres muss er auf Befehl nach Hessen marschieren, wo sein Regiment bei Lutternberg in ein kriegsstrategisch unbedeutendes Gefecht verwickelt
wird, bei dem es den W�rttembergern sogar gelingt, ein paar preu�ische
Truppenteile zur�ckzuschlagen.
Dann marschiert man in der Gegend von
Kassel ziemlich ziel-, zumindest aber ergebnislos umher, ehe die Truppen am
Ende des Jahres zur�ck nach W�rttemberg gef�hrt werden, wo sie in Winnenden
Winterquartier beziehen. Da Winnenden nahe bei Marbach liegt, kann sich
Johann Caspar an dienstfreien Tagen mit seiner Frau treffen, sei es, dass er
selbst nach Marbach kommt oder dass seine Frau zu Fu� nach Winnenden geht.
(vgl.
Walter 1987, S.174ff.)
Im Oktober 1759 ist er mit den anderen w�rttembergischen Soldaten im
Sammellager in der N�he von Ludwigsburg dabei, als sich Herzog
▪
Carl
Eugen (1728-1793)
entschlie�t, den f�r den Herbst des Jahres geplanten Feldzug in Hessen als
Oberkommandierender selbst anzuf�hren.
Herzog Carl Eugen von
W�rttemberg im Heerlager
Dieser trifft am 28. Oktober in
gl�nzender Uniform "mit einem zahlreichen und ebenso gl�nzenden Tross" bei
seinen Truppen ein, "als gelte es eine Lustfahrt". Das Lager, das er sich
und seinem Hof errichten l�sst, ist eine eigene Zeltstadt in der gro�en
Zeltstadt, in der die Soldaten kampieren.
Es gibt "Wohnzelt, Schlafzelt,
sogar ein Ankleidezelt, dazu weitere Zelte f�r Garderobe, B�lle, Tafel,
Kaffee, ein Audienzzelt und zahllose andere f�r Kanzleien, Diener, Pagen,
Adjutanten." (ebd.,
S.176)
Im und um das Sammellager herum werden Paraden
veranstaltet, die alles andere als den Eindruck von zum Milit�rdienst
gepressten Soldaten hervorrufen sollen. Aber auch als Befehlshaber bei
seinen "Kriegsspielen" (Wagner
2001, S. 77ff.) verwechselt Carl Eugen das milit�rische Lager
offenkundig mit einem Lustlager, in dem er Sing- und Sch�ferspiele abhalten
l�sst. Als die w�rttembergischen Truppen von einer verh�ltnism��ig kleinen
Schar preu�ischer Soldaten unter dem Befehl des Erbprinzen Karl von
Braunschweig in der N�he von Fulda fast im Handstreich �berrumpelt werden
und die ersten Sch�sse in unmittelbarer N�he des w�rttembergischen
Hauptquartiers fallen, verlustiert sich Carl Eugen dort auf einem Ball "in
den Armen der mit ins Lager gereisten Damen" (ebd.)
und ist Zuschauer eines dabei aufgef�hrten Sch�ferspiels. Nat�rlich
verstummt der Festl�rm augenblicklich und die Musik bricht abrupt ab und in
heilloser Panik macht sich der Herzog davon, um der schm�hlichen
Gefangennahme zu entgehen. (vgl.
ebd.,vgl.
Walter 1987, S.183)
Erfahrungen Johann Caspar
Schillers im Krieg
Ganz anders fallen die Erfahrungen aus, die Johann Caspar in den Tagen des
Siebenj�hrigen Krieges macht.
Die Seiten des Soldatenlebens und des Krieges, die Johann Caspar dabei zu
Gesicht bekommt oder auch nur die
Wahrnehmung derselben, unterscheiden sich
offenkundig von seinem
abenteuerlichen Husarenleben in den Niederlanden.
Das liegt zum einen an den
Soldaten selbst. Die meisten von ihnen sind brutal zum Kriegsdienst
gezwungen, gepresst worden, wie man sagt.
Einer der Taufpaten Friedrich
Schillers ist in Württemberg dafür sogar berühmt berüchtigt:
Oberst Rieger,
ein enger Berater des Herzogs. Mit brutalen und groß angelegten
Menschenjagden auf Bauern, kleine Handwerker und Tagelöhner, stampft er die
6.000 Mann zählende Truppe aus dem Boden, die der Herzog im Rahmen
seines
Subsidienvertrags mit Frankreich 1752 zugesagt hat.
Dem preußischen Vorbild folgend
greifen seine Werbeoffiziere Männer besonders gern in Wirtshäusern oder bei
Dorffesten und sonstigen Tanzveranstaltungen auf, wenn sie betrunken sind.
Dann werden sie kurzerhand eingesperrt und so lange ohne jegliche Nahrung
festgehalten, bis sie sich "freiwillig" anwerben lassen. Wer danach
desertiert, und Desertationen sind eine fast massenartige Erscheinung, wird
mit einer Denunziationsprämie von 18 Gulden der Öffentlichkeit zur Treibjagd
präsentiert.
Zum Teil entzündet sich daraus ein regelrechtes "Jagdfieber": Glocken rufen zur Treibjagd auf den Verdächtigen auf, Wege werden versperrt,
Brücken bewacht und Heuhaufen werden mit Heugabeln durchstochert. (vgl. (Safranski
2004, S.19)
Dass Johann Caspar in seinen Lebenserinnerungen "die
Scheußlichkeiten der damaligen rechtswidrigen und gewalttätigen Werbungen
und die Meutereien der ausziehenden Truppen“ kaum erwähnt und wenn, dann
Revolten dagegen als "aus einer von Übelgesinnten ausgestreuten Furcht vor
einem Religionskrieg“ (Johann Caspar Schiller) abtut, resultiert offenbar
aus seiner unbedingten Loyalität als Offizier gegenüber seinem Landesherrn,
die bis in solche privaten Aufzeichnungen hinein zu spüren ist.
Wie groß der
Unterschied dabei zu den Auffassungen seines Sohnes Friedrich ist, macht
dessen frühes Drama "Kabale und Liebe“ deutlich, in der dieser den
Soldatenhandel entschieden kritisiert. Dies jedoch als schlichten
Generationenkonflikt zu verstehen (vgl.
Buchwald 1959, S.44f.), wie
dies mitunter gesehen worden ist, greift gewiss zu kurz.
Zu solchen, unter Soldaten wie auch unter der
Bevölkerung verhassten Praktiken kommt noch, dass die gepressten Soldaten,
selbst überwiegend Protestanten, dann auf der Seite des katholischen
Frankreichs und Österreichs sowie für ihren katholischen Regenten gegen die
preußischen Glaubensbrüder Krieg führen müssen (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 38) .
So wundert es nicht, dass die Motivation solcher
gewaltsam zum Kriegsdienst gepresster Soldaten sehr gering gewesen ist. Und
selbst die Gefahr, das eigene Leben bei einer Festnahme zu verlieren, kann
nicht verhindern, dass bei den Gefechten in Böhmen mehr als die Hälfte von
ihnen vor den anrückenden preußischen Truppen in einer Massendesertation das Weite sucht.
Johann Caspar, der in der Schlacht bei Leuthen ( 5. Dezember 1757) sein
Pferd verliert, kommt beinahe in einem Morast um, muss wie die anderen noch
bei der Fahne verbliebenen Soldaten zehn Tage ohne Zelt über dem Kopf im
Freien campieren. In einem Brief an seinen Sohn und die Schwiegertochter
berichtet er später einmal davon:
"Da geschah es, dass ich mich auf eben die
Seite [wo ihm vordem in Holland die Kugel herausgeschnitten worden war] zum
Feuer legte und einschlief. Indessen hellte sich der Himmel auf, und alles
fror zusammen. Als ich aufwachte, war mein Fuß bis über die Knie in den
Morast eingefroren, und, die Stiefel zu schonen, musste ich mich mit warmem
Wasser losmachen lassen.“ (zit. n.
Buchwald 1959, S.45)
Johann Caspar dagegen hält der Fahne die Treue. Mehr noch: Er
veranstaltet, da auch der Militärpfarrer desertiert ist, sogar
Feldgottesdienste, um die angeschlagene Moral der Truppe zu wieder zu heben.
Doch auch solche individuellen Taten nützen nichts.
Johann Caspar kämpft auf
der Seite der Verlierer. Die schlecht vorbereiteten, ungenügend
ausgestatteten und von inkompetenten Offizieren geführten württembergischen
Truppen werden geschlagen. Da hilft es auch nicht weiter, dass der Herzog
die Truppenstärke auf 12.000 Mann erhöhen lässt und sogar selbst den
Oberbefehl über sein Heer übernimmt. Nach der vernichtenden Niederlage
seiner Husaren gegen die preußische Infanterie im Oktober 1760 an der Elbe
ziehen sich die Württemberger ins Winterquartier zurück. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 39)
Johann Caspar Schiller im
b�hmischen Winterquartier 1757
Zum anderen zeigt auch der
Krieg selbst für Johann Caspar ein grausameres Gesicht als zu
Husarenzeiten. Als sich sein Regiment 1757 ins böhmische Winterquartier
zurückzieht, ist nur noch die Hälfte der ehemals 6.000 Mann dabei,
denen, wie Johann Caspar später berichtet, "ein bösartiges Faulfieber"
zusetzt.
Die Lazarette, in denen der Feldscher Schiller seinen Mann steht,
stinken zum Himmel, die Toten bleiben einfach liegen, weil sich die vom
Faulfieber Verschonten ständig besaufen, in der Hoffnung der Alkohol könne
sie vor Ansteckung bewahren.
Lazarette sind so etwas wie "wahre Vorhöllen",
die auch Johann Caspar berühren, als er schreibt: "Aus dem Lazarett in Saaz
sind manchen Tag fünfzehn bis zwanzig Tote aus Wagen ausgeführt und ohne
Bahren zusammen in große Gruben verscharrt worden." (zit. n.
Lahnstein 1981, S. 17)
Im Frühjahr 1758 wird das württembergische Korps, dabei Johann Caspar, in
die Heimat zurückgeführt, muss aber noch im Sommer des gleichen Jahres, im
Herbst des darauf folgenden Jahres und im Sommer 1760 noch einmal, in
Sachsen und Thüringen, in die Kampfhandlungen des »Siebenjährigen
Krieges (1756-63), wenngleich
ohne Erfolge, eingreifen.
Das Ehepaar Schiller w�hrend
des Kriegsdienstes von Johann Caspar
Johann Caspar ist seiner Heimat während des Krieges nicht immer
fern. Und wenn sein Regiment in Württemberg von Garnison zu Garnison zieht,
ist seine Frau Dorothea meist in der Nähe.
Ansonsten wohnt sie, nachdem der
Goldene Löwe unter den Hammer gekommen ist, in Marbach, wo ihr Vater nun als
schlecht bezahlter Stadttorwächter sein Leben fristet, ehe er, daran
zerbrochen, 1771 stirbt.
Nach 1756 lebt Dorothea drei Jahre in der
Nachbarschaft des Goldenen Löwen, im Beck-Schmid'schen Haus,
ab 1759 zur Miete im Erdgeschoss des Hauses eines Ledergebers namens
Ulrich Schölkopf.
In Marbach kommt am
4. September 1757, während der Vater Johann
Caspar im Krieg in Schlesien steht, das erste Kind, Friedrich Schillers
ältere Schwester, Christophine, eigentlich
Elisabeth Christophine Friederike, zur Welt.
Zwischen ihr und ihrem Bruder
Friedrich wird zeitlebens ein
innig-vertrauensvolles Verhältnis bestehen.
Geburt des zweiten Kindes:
Friedrich
Im Herbst 1759 erwartet
Dorothea ihre nächste Niederkunft. Als die ersten Wehen einsetzen, ist sie
gerade zu Besuch im Militärlager ihres Mannes in der Nähe von Ludwigsburg.
Schleunigst wird sie, Johann Caspar kann sie aus militärischen Gründen nicht
begleiten, noch Marbach zurückgebracht und entbindet in der
Erdgeschosswohnung des Schölkopf'schen Hauses am
10. November 1759 ihr zweites Kind, das
tags darauf auf den Namen Johann
Christoph Friedrich getauft wird.
Friedrich, so der Rufname, bleibt der einzige Sohn von
Johann Caspar und Dorothea Schiller, die aber noch insgesamt fünf Töchter
haben.
Drei von ihnen sterben aber früh, zwei davon sind Opfer der hohen
Kindersterblichkeit der Zeit. Seine
Schwester Maria Charlotte (geb. 20.11.1768) stirbt
mit fünf Jahren an einer Lungenentzündung (29.3.1774), die Schwester
Beata Friederike (geb. 4.5.1773) schon als 7
Monate alter Säugling an einer Genickstarre (22.12.1773), noch ehe sie von ihrem Bruder,
der zu dieser Zeit schon an der
Karlsschule ist, gesehen wird. Friedrich
Schillers jüngste Schwester Nanette (eigentl. Karoline
Christiane, geb. 8.9.1777) stirbt 18-jährig am 23. März 1796 an einem
Nervenfieber, wenige Monate vor dem Tod ihres Vaters (7.9.1796).
Johann Caspars Reaktion auf
die Geburt des "Stammhalters"
Johann Caspar freut sich offensichtlich über die Geburt eines männlichen
Stammhalters. Er dankt Gott in einem Gebet, das zugleich zeigt, dass er an
die weitere Entwicklung des Sohnes bestimmte Erwartungen knüpft. Von Anfang
an wird das Baby damit zum Objekt der Phantasien des Vaters: "Du Wesen aller
Wesen! Dich hab ich nach der Geburt meines einzigen Sohnes gebeten, dass du
demselben an Geistesstärke zulegen möchtest, was ich aus Mangel an
Unterricht nicht erreichen konnte, und du hast mich erhöret. Dank dir,
gütigstes Wesen, dass du auf die Bitten der Sterblichen achtest!“ (zit. n.
Buchwald 1959, S.40)
Das Eheleben der Schillers
Wie das Eheleben von Johann Caspar und Dorothea Schiller während ihrer über
47 Jahre dauernden Ehe (Heirat am 27.7.1749) im einzelnen ausgesehen hat,
lässt sich nicht mit letzter Bestimmtheit sagen.
Dorothea, die als sanft,
fromm und liebevoll gilt und im Haushalt sicher und zuverlässig Regie führt,
fühlt sich auf öffentlichem Parkett nicht sonderlich wohl, zeigt sich dort
eher schüchtern und ängstlich (vgl.
Safranski
2004, S.24).
Keine
Frau also unbedingt zum Repräsentieren oder Angeben im gesellschaftlichen
Leben des Offiziers, auch wenn sie im wesentlichen das Leben führt, das von
einer Frau ihrer sozialen Lage gesellschaftlich verlangt ist. Sie arbeitet
unentwegt im Haushalt, hält dem Mann, dessen Leben sich vor allem außer
Hauses abspielt, den Rücken frei, versorgt die Kinder, muss sich ihrem Mann
unterordnen und sich ihm auch sexuell willfährig verhalten und hat dadurch
zahlreiche Schwangerschaften und sechs Geburten.
Sie muss sich dem Willen
ihres Mannes, so wie es in der patriarchalischen Gesellschaft der Zeit
üblich ist, unterwerfen und entwickelt keine über die konventionelle
Rollenbiographie hinausgehenden Vorstellungen von einem eigenen Leben. Und
auch da, wo sie eigene Vorstellungen über die Zukunft ihrer Töchter
artikuliert, scheitert sie an andersgearteten Vorstellungen ihres Mannes.
Dieser findet ihre Wünsche nach einer höheren Bildung und Teilnahme der
Töchter am gesellschaftlichen Leben nämlich gleichermaßen unschicklich wie
finanziell zu teuer und unnötig (vgl.
ebd., S.25)
Johann Caspar Schiller und
der Pietismus
Auch die zum
Pietismus neigende Frömmigkeit der Mutter bleibt dem Vater
fremd, wenngleich gemeinsame Morgen- und Abendandachten, für die er hin und
wieder eigene Gebetstexte verfasst (vgl.
Buchwald 1959, S.68ff., vgl.
Alt Bd. I, 2004,
S. 71, ein gerade von ihm streng eingehaltenes Ritual der Familie
darstellen. In diesen Texten, die er zum größten Teil in ein Gebetbuch
einträgt, das im Jahre 1791 bei Cotta in Stuttgart erscheint, kommt seine
dankbare Anerkennung göttlicher Allmacht ebenso deutlich zum Ausdruck wie
sein Selbstverständnis, das eigene, persönliche Schicksal göttlicher Fügung
zu verdanken. (vgl.
Buchwald 1959, S.70f.)
Das ist aber
auch keineswegs außergewöhnlich in einer Zeit, in der der regelmäßige Kirchgang
ebenso selbstverständlich ist wie die Tatsache, dass das Kirchenleben
überhaupt Motor gesellschaftlicher und kultureller Aktivität ist.
Trotzdem:
Johann Caspar ist keiner der frommen Pietisten, die, z. B. den
Lehren �Johann Albrecht Bengels folgend, mit gemeinsamer Bibellektüre, mit
Gesang und Erbauungsstunden ihre privatisierende Frömmigkeit und Frömmelei
kultivieren. Derart religiöse Gefühlsgemeinschaften passen gewiss nicht in
das Selbstverständnis und die Männerbündelei der württembergischen
Offiziersgemeinschaft.
Aber da auch die protestantische Landeskirche schon
1733 erklärt hat, dass pietistische Auffassungen mit denen der
protestantischen Amtskirche vereinbar sind, gibt die unterschiedliche
protestantische Glaubensauffassung offenbar keinen Anlass für
Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten.
"Sich dem Willen Gottes
hinzugeben, sich ihm würdig zu zeigen, um von ihm angenommen zu werden und
dafür Verzicht auf die Genüsse des Lebens zu üben" (Aufenanger
2006, S.17) ist ihr gemeinsames religiöses Fundament, das sie
auch an ihre Kinder weitergeben.
Allerdings greift Vater Johann Caspar, da
auch schon mal zu etwas
seltsamen Methoden. Er soll, "wie erzählt wurde,
während des Essens, gerade dann, wenn es am besten schmeckte, plötzlich
aufgehört haben zu essen, und habe von der Familie, also auch von Friedrich,
verlangt, seinem Beispiel zu folgen." (ebd.)
Mutter Dorothea jedenfalls liest gerne in pietistischen
Andachtsbüchern von �Bengel und lebt ihrem Sohn eine Frömmigkeit vor, die,
auch wenn sie dem Vater übertrieben vorkommt, Friedrich in seiner Jugend stark beeinflusst.
Die religiösen Neigungen Friedrichs werden auch durch die Sammlung von Erbauungs- und Gesangbüchern
gefördert, die zu der bescheidenen Büchersammlung der Familie gehören.
Zu
ihnen zählt auch das populäre Evangelien-Predigtbuch (1758) des schwäbischen
Pietisten Immanuel Gottlob Brastberger (1716-1764), der 1738 auch für einige
Zeit Garnisonsprediger in Ludwigsburg gewesen ist.
Auch die gemeinsame Bibellektüre, die ein in der
Familie wiederkehrendes und niemals in
Frage gestelltes Ritual darstellt (vgl.
Alt Bd. I, 2004,
S. 71), zeigt, dass sich die Eheleute über alle Unterschiede ihrer
religiösen Auffassungen hinweg, doch in religiösen Dingen im Grundsatz einig
waren.
So bringt es offenbar wenig Probleme, dass sich Dorothea eher vom Empfindsamen und Poetischen der Religion
angezogen fühlt, während Johann Caspar eher "an einen Gott, der für die Menschen sorgt, wenn
sie den Mut haben, für sich selbst zu sorgen" glaubt (Safranski
2004, S.18). Für ihn ist Religion im Grunde "Sanktionierung einer
gesellschaftlichen Ordnung" (ebd.,
S.30).
Auf diese Weise vermittelt der Vater seinen Kindern "eine Religion
des Verstandes, die Mutter eine des Herzens" (ebd.)
Insbesondere bei seinem im Familienkreis gesprochenen Morgengebet kann sich
der Vater stets auf einen konzentriert zuhörenden Sohn verlassen, wie dessen
ältere Schwester später berichtet.
Alles passt in die Zukunftspläne, die der
Vater mit seinem Sohn hat. Er soll einmal Pfarrer werden und damit das
erreichen, was Johann Caspar wegen des frühen Todes seines eigenen Vaters
verwehrt geblieben ist. (vgl.
Alt Bd. I, 2004,
S. 74)
Erst sehr viel später, 1796, als Johann Caspar vor seinem Tod daniederliegt,
beklagt sich Mutter Dorothea in einem Brief vom April bei ihrem Sohn Friedrich über
den Ehemann und Vater und hält ihm vor, dass er sich stets nur um sein eigenes
Wohlergehen kümmere; ja, "eine Magd", schreibt sie, "würde ihm alles
versehen, was eine Frau tun könnte." (zit. n .
Safranski
2004, S.25)
Familienbeben der Schillers
Christophine und Fritz, wie Friedrich gerufen wird, lernen jedenfalls in den ersten Jahren ihres Lebens,
als der Vater im Krieg oder mit seinem Regiment unterwegs ist, kein
geordnetes Familienleben kennen.
Sein Regiment zieht, oft wohl ohne rechten Plan, von Garnison zu Garnison, mal ist man in
Urach, dann in Cannstatt, dann wieder in Ludwigsburg. Und Dorothea reist mit
ihren Kindern, wann immer es geht, hinterher und bezieht mal hier mal da,
immer in der Nähe des Regiments, Quartier.
Im Alltag bedeutet dies, ständig
das Nötigste zur Unterbringung zu organisieren, sich mit Provisorischem,
räumlicher Enge und hygienischen Unzulänglichkeiten in einem tristen, kaum Anregungen
bietenden Leben zufrieden zu geben, physisch und psychisch zurechtzukommen
mit einer insgesamt
"misslichen Lebenssituation, die Ruhe und Intimität nie aufkommen lässt." (Alt Bd. I, 2004,
S. 68)
Johann Caspar Schiller als
Werbeoffizier in Schw�bisch Gm�nd 1763 und Familienleben in Lorch
Nach vier Jahren,
in denen Frau Schiller mit den beiden Kindern dem Vater von Garnison zu
Garnison hinterher zieht, wird Johann Caspar im Dezember 1763 zum
Werbeoffizier in Schwäbisch Gmünd
ernannt.
Zuständig für die Aushebung von Rekruten und ihre Ausbildung übt er
sein neues Amt pflichtbewusst, aber ohne jene Skrupellosigkeit und
Menschenverachtung aus, die so manchem seiner Mitoffiziere nachgesagt
werden.
Von nun an kann sich im benachbarten Dorf Lorch, wo sich
die Schillers wegen der dort wesentlich geringeren Lebenshaltungskosten niederlassen, so etwas wie ein normales bürgerliches
Familienleben entwickeln.
Man richtet sich in Lorch zunächst im Gasthof zur
Sonne ein und zieht dann in eine Wohnung über der Schmiede des
Schmiedemeisters Molt (vgl.
Lahnstein 1981, S. 24).
Dort kommt am 24. Januar 1766 auch das dritte Kind,
Tochter Luise Dorothea Katharina zur Welt. Wenn Johann Caspar zu Hause ist,
sitzen auch die beiden ihm unterstellten Unteroffiziere am Tisch, die der
Hauptmann zu verköstigen hatte. (vgl.
Lahnstein 1981, S. 24)
Johann Caspar und sein
junger Sohn Friedrich
Im Alter von vier Jahren findet der junge
Friedrich in Lorch eine Umgebung, die ihn noch im
Erwachsenenalter zum Schwärmen
bringt.
Sein Vater nimmt ihn hin und
wieder auf seinem Fußmarsch zur Arbeit nach Schwäbisch Gmünd mit und
beschreibt ihm unterwegs die Landschaft und erzählt ihm allerlei Sagen und
Geschichten, bei denen der Junge gespannt zuhört.
Johann Caspar ist als
Vater das unumstrittene Oberhaupt der patriarchalisch organisierten Familie,
der sein eigenes Verständnis von Pflicht auch Frau und Kindern abverlangt.
Seine Rolle als Vater lebt er kompromisslos autoritär, mitunter auch
cholerisch aus (vgl.
Lahnstein 1981, S. 11).
Nicht
dass er seine Aufgabe als Erzieher unreflektiert ausübt. Er macht sich seine
Gedanken darüber, hat sogar vor, diese einmal in einer »eigenen Betrachtung«
über »die gute Auferziehung der Jugend« niederzulegen, wobei ihm die
körperliche Zucht und Abhärtung als Schutz vor drohender Verweichlichung
offenbar besonders am Herzen liegt. (vgl.
Buchwald 1959, S.73)
Doch von
der in dieser Zeit in gehobeneren Schichten kultivierten Empfindsamkeit, die
emotional tiefer gehende Beziehungen zu den Kindern wie auch der Eheleute
untereinander allmählich entstehen lässt (vgl.
Demel 2005, S.90 f.), ist bei
den Schillers, auch wenn
Karoline von Wolzogen in
ihrer Biographie (1830) das wahrscheinlich im Lichte solcher
emotionalisierter familiärer Beziehungen
anders sieht und idealisiert,
sicher nur wenig zu spüren.
Seine Ehe mit Dorothea hat Johann Caspar wohl
positiv gesehen, auch wenn sie für seine Frau Dorothea eine "entsagungsvolle
Aufgabe" darstellt, "für sie das Opfer ihres persönlichen Lebensglücks"
bedeutet und sich in den letzten Jahren der Ehe "zu einem wahren Martyrium"
auswächst. (vgl.
von Wiese 1959/63, S.5)
Johann Caspar Schillers
Vorstellungen von Erziehung
Johann Caspars Verhältnis zu den
Kindern ist im Großen und Ganzen so "unsentimental, kurz, streng,
distanziert, von Disziplin und Gehorsam, Arbeit und Prügel bestimmt" (Nipperdey
4. Aufl. 1987, S. 117), wie es eben im traditionellen
Familientypus üblich ist.
Zugleich zeigt die strenge Fürsorge, mit er sich
um die schulische Ausbildung seines Sohnes kümmert, dass er ein bürgerliches
Erziehungsinteresse entwickelt, das für die sich gesellschaftlich gerade entwickelnde moderne bürgerlichen Familie
typisch ist.
Insofern sind auch in seinem Erziehungshandeln Tendenzen des
Wandels zu erkennen, wenn er sich darum müht, aus seinen Kinder,
insbesondere aus seinem Sohn, "»gesittete«, vernünftige Menschen zu bilden"
(Demel
2005, S. 90)
Allerdings führt die damit einhergehende stärkere Orientierung auf
die Kinder,
zumindest die männlichen, auch zu Problemen und "Freigabe und mehr sich
kümmernde Sorge, Zuwendung und mehr Erziehung, Kontrolle und Autorität" (ebd.,
S. 121) gehen stets miteinander einher und stehen in einem
fortwährenden Spannungsverhältnis zueinander.
Ohne
tyrannisch zu sein, ist es für Johann Caspar selbstverständlich, dass Kinder zu
gehorchen haben und ihr unbändiger Freiheitsdrang durch Zucht und Ordnung in
Schranken zu halten ist. Grenzen zu
setzen, wie wir es heute gerne nennen, aus Fürsorge für die Kinder, ist für
ihn eine der Maximen seines erzieherischen Handelns, eine andere sein
ausgeprägter, ja strenger und pedantischer Ordnungssinn, mit
dem er seine Arbeit wie auch seine Familie zu organisieren pflegt (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 74).
Es
ist nicht einfach dem Erziehungshandeln von Johann Caspar aus heutiger
Perspektive gerecht zu werden. Benno
von
Wiese (1959/63, S.4 ) hat ihn einen "Karl
Eugen im Kleinformat" genannt und betont, dass sich die diesen prägenden
Eigenschaften sowohl im familiären als auch außerfamiliären Bereich gezeigt
hätten:
"Manche Eigenschaften verraten den geborenen Tyrannen.
In seinem Hause herrschte er unumschränkt, und jeder Widerstand gegen seine
aus dem kraftvollen Bewusstsein der väterlichen Autorität und Weisheit
getroffenen Entscheidungen ist schon darum ausgeschlossen, weil er die
Quelle seiner Autorität in einem von Gott gegebenen Auftrag sieht. Er kann
hart und gewalttätig sein und zeigt im Umgang mit Untergebenen und mit
seiner Familie Unberechenbarkeit und Rechthaberei. Auffallend ist die
Unempfindlichkeit, mit der er den Nöten und Leiden gerade der ihm am engsten
verbundenen Menschen gegenüberstehen kann. Der Maßstab, nach dem er die
Menschen beurteilt, ist die Leistung und die Bewährung, die ein jeder bei
der Erfüllung des Pflichtgebots zeigt, das ihm im Schöpfungsplan zugedacht
ist." (von
Wiese 1959/63, S.4)
Mit großer Strenge kontrolliert er die schulischen Arbeiten
seines Sohnes, in dem er, wie in dieser Zeit üblich, weniger das Kind als
den künftigen Erwachsenen" sieht, lässt den ehrgeizigen Jungen Gedächtnisübungen machen und
nötigt ihn zu ersten Schreibversuchen.
Seinem Sohn Friedrich jedenfalls
scheint das väterliche Erziehungshandeln und die von ihm repräsentierte
"Welt, auch wenn man darunter litt [...],
ein Gefühl von Sicherheit und
Geborgenheit" zu vermitteln (Safranski
2004, S.23).
Er liebt seinen Vater, aller von ihm ausgehenden psychischen und
physischen Härten zum Trotz. Er bringt ihm sogar, wie
Safranski
(2004, S.24) betont, "lebenslang eine fast kindliche
Verehrung" entgegen. (vgl.
von Wiese 1959/63, S.3 u. a.)
Das scheint nur auf den ersten Blick verwunderlich.
Psychologisch gesehen, handelt es sich dabei um die in
autoritären Vater-Sohn-Beziehungen
oft stattfindende
Reaktionsbildung.
Dieser
Abwehrmechanismus des Ich
macht den
übermächtigen Vater, dem eigentlich Aggressionen und Hassgefühle entgegengebracht
werden, zu
einem Objekt der Liebe, um dem aussichtslosen Kampf mit ihm ausweichen zu
können.
Das aus der Reaktionsbildung entstehende ambivalente Gefühl Friedrichs
seinem Vater gegenüber hat
Safranski
(2004) so beschrieben: "Gewiss fürchtete Friedrich seinen Vater,
aber da er ihn auch liebte, wurde aus Furcht Ehrfurcht." (Safranski
2004,
S.23)
Im Gegensatz zu ihrem Ehemann strahlt Dorothea, die Mutter, komplementär dazu, die emotionale Wärme aus,
die ihre Kinder beim Aufwachsen erfahren.
Johann Caspar Schiller als
Hauptmann und Kompaniechef ab 1766/70 in Ludwigsburg
1766 wird Johann Caspar auf eigenen Wunsch in die
Residenzstadt Ludwigsburg
versetzt, wo er, im Range eines Hauptmanns, ab 1770 eine eigene Kompanie
führt. Der eigentliche Grund für seinen Versetzungswunsch ist allerdings
seine Hoffnung, jetzt in der Nähe des herzoglichen Hofes, endlich wieder
regelmäßig bezahlt zu werden.
Seit seinem Umzug nach Schwäbisch Gmünd hat er
drei volle Jahre lang nur von seinen Ersparnissen gelebt, mit dem Verkauf
eines kleinen Weinbergs in Marbach seine letzten Reserven mobilisiert und davon sogar
noch zwei ihm untergeordneten Unteroffizieren aus eigener Tasche den Sold
bezahlt. Es gehört zu den Pflichten des Hauptmanns, seine Unteroffiziere an
seinem Tisch zu verköstigen (vgl.
Lahnstein 1981, S. 23)
Das Ganze wegen eines angeblichen Buchungsfehlers, der allerdings
erst neun Jahre später durch Zahlung des ihm amtlich zugesprochenen Geldes
bereinigt wird.
Nicht zuletzt aus dieser Erfahrung nährt sich das
ausgeprägte Versorgungs- und Sicherheitsdenken von Johann Caspar, das später
auch seine Kritik an dem aus Württemberg geflohenen Sohn kennzeichnet (vgl.
Alt Bd. I, 2004,
S. 69).
Es ist indessen nicht allein seiner unbedingten Loyalität zum Herzog
geschuldet, was ihn diese herabwürdigende Behandlung erdulden lässt. Es
bleibt ihm schlicht keine andere Wahl, zumal die Zahlungsmoral des Herzogs
auch sonst nicht in besonders gutem Ruf steht.
Und Johann Caspar ist auch
kein Einzelfall. Wer als Offizier wegen nicht erhaltener "Gage"
dienstunwillig ist oder gar die Dienste verweigert, wird entlassen, wie ein
Beispiel aus dem Jahre 1766 zeigt, das sich in Ludwigsburg zugetragen hat.
(vgl.
Sting 2005, S.195)
Das
Soldatenleben im Heer Carl Eugens ist eintönig. Die Soldaten, die sich der
Herzog weiterhin im Stil eines absoluten Herrschers in seinem stehenden Heer
hält, sind, wenn sie nicht selbst zum Wegebau oder zum Anlegen von Gärten
oder Alleen eingesetzt werden, seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges
(1763) "nur noch Mittel zur Unterhaltung und zur Freude im Anschauen der
wohlgeordneten Soldaten beim Paradieren und Manövrieren zu Fuß und zu Pferd
in ihren prächtigen, vielfarbigen Uniformen." (ebd.,S.218)
Über die Art, wie Johann Caspar seine Soldaten in Ludwigsburg behandelt, ist
nichts bekannt. Dass er aber, sich dabei so verhalten hat, wie es gemeinhin
üblich ist, zeigt sein Vorgehen
gegen fronende Bauern am Monrepos, über die sogar ein Gerichtsprotokoll existiert.
(vgl.
Sting 2005, S.462f.)
Als Führer eines Arbeitskommandos lässt er, so das Protokoll, "unter lauten
Fluchen, Schwören und Schelten, wie wenn jene nur Hunde gewesen wären“, auf
sie einprügeln. (vgl.
Buchwald 1959, S.49)
Umzug der Familie nach
Ludwigsburg 1776
Als die Familie im gleichen Jahr 1766 nach Ludwigsburg zieht, ist dies
weitaus mehr als ein einfacher Umzug. Es ist ein "jähe(r) Wechsel von der Natur in die Kultur" (Safranski
2004,
S.26) "von der idyllischen Weltabgeschiedenheit" Lorchs (ebd., S.26)
mitten hinein in das städtische Treiben der Residenzstadt des Herzogs von
Württemberg. Für seinen Sohn Friedrich ist das Ganze wie eine
Vertreibung aus dem Paradies.
Zunächst wohnt die Familie Schiller in der Hinteren Schlossgasse 26 (im »Maucler'sches
Haus«, heute: Mömpelgardstraße 26) in einer
Wohnung, die zum Haus des herzoglichen Leibarztes Reichenbach gehört und
sonst eigentlich nur Adeligen vorbehalten ist.
So sind die Schillers in den
wenigen Wochen, während denen sie dort wohnen, auch keine Mieter, sondern gelten
als Hausbesuch, zumal der Bruder des Hausherrn als Feldscher in Johann
Caspars Regiment dient und beide miteinander befreundet sind (vgl.
Lahnstein
1981, S. 30)
Zu Beginn des Jahres 1767 ziehen die Schillers
innerhalb von Ludwigsburg erneut um. Mit der
Offiziersfamilie des Hauptmanns
von Hoven ziehen sie in ein neu errichtetes Haus ein, das zum Besitz des Hofbuchdruckers Christoph Friedrich Cotta zählt. In der Wohnung im
Quartier an der Stuttgarter Straße in der Karlsstadt lebt die Familie bis zum Umzug in
die kleine Dienstwohnung in der Solitude, dem Jagd- und
Repräsentationsschloss des Herzogs, im Dezember 1775.
Von dem Cotta'schen
Haus aus geht auch Friedrich in den folgenden sechs Jahren zur Lateinschule
im sog. Tübinger Amtshaus in der Oberen Marktstraße 1, das bis 1767 21 Jahre
lang als Rathaus gedient hat. (vgl.
Sting 2005, S. 82) Im
Cotta'schen Haus lebt Friedrich, bis er am 16. Januar
1773 als Dreizehnjähriger auf Geheiß des Herzogs Carl Eugen in die
Karlsschule eintreten muss.
Vom Cotta'schen Haus aus kann man auf den
Exerzierplatz der 1767 knapp 3.000 Soldaten zählenden Garnisonsstadt (vgl.
Sting 2005, S. 616) sehen und
Kommandorufe, Trommeln und Pfeifen den ganzen Tag herüberhören.
Wahrscheinlich, dass Friedrich Schiller, dem die Begeisterung fürs
Militärische gänzlich abgeht, auch hier jene Vorliebe für Marschmusik
entwickelt, die sein Leben lang währt. (vgl.
ebd.,
S.40) Was
sich sonst noch auf dem Exerzierplatz gegenüber abspielt, mag der junge
Friedrich mit eigenen Augen auch nicht gesehen haben, gehört aber auch zum
Alltag: Exekutionen und �Spießrutenlaufen
(Gassenlaufen)
Familienleben in Ludwigsburg
Das Familienleben in Ludwigsburg folgt zunächst bewährten Mustern.
Die Familie hat zunächst, seit der 1766 noch in Lorch geborenen Tochter
Luise Dorothea Katharina drei Kinder, zu der im Jahr 1768 Maria Charlotte
(stirbt sechsjährig 1774) und die 1773 geborene und im selben Jahr schon im
Säuglingsalter verstorbene Tochter Beata Friederike dazukommen.
Die Tochter Caroline Christiane (Nanette)
wird
erst 1777 geboren.
Auch in Ludwigsburg sind die mehr oder minder täglichen Morgen- und Abendandachten
festes Familienritual, sitzt man im Familienkreis zur gemeinsamen
Bibellektüre zusammen und rezitiert christliche Oden. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 78)
Johann Caspar bleiben schon in dieser Zeit die besonderen Talente seines Sohnes
nicht verborgen. Als dieser 1769 ein Neujahrsgedicht
an die Eltern verfasst,
zu dem er eine Übersetzung in lateinischer Prosa anfügt, überrascht er
seinen Vater.
Ebenso müssen den
Vater die ersten lateinischen Gedichte mit Stolz erfüllt haben, die sein
Sohn Friedrich mit gerade mal zehn Jahren verfasst oder die von ihm
geschriebenen lateinischen
Gedichte, die er zwei Jahre später zu bestimmten offiziellen Anlässen in der
Lateinschule gestaltet.
Und in Erinnerung ist seinem Vater noch 1790, wie
sein Sohn mit dreizehn Jahren ein Trauerspiel schreibt mit dem Titel "Die
Christen", dessen Text aber später verloren gegangen ist.
Wenn dem Vater
freilich der Ausdruck eines Gedichtes von Friedrich allzu frömmelnd
daherkommt, hält er auch mit seiner Kritik nicht hinterm Berg. So bezeichnet
er ein Gedicht, das Friedrich zu seiner Konfirmation in der Ludwigsburger
Garnisonskirche verfasst, schlicht weg als "närrisch", weil er mit dieser
eher seiner Frau und damit den Frauen zugeordneten religiösen Empfindsamkeit
seines männlichen Sprosses als Mann offenbar nicht anders umzugehen
versteht.
Hin und wieder scheint er seinem Sohn auch einen gewissen Einblick
in seine berufliche Arbeit gegeben zu haben, ohne allerdings im Geringsten
zu beabsichtigen, diesen auf eine Militärlaufbahn hin zu orientieren. So
nimmt er den Siebenjährigen im Sommer 1767 einmal mit in das große
Musterungslager.
Aber auch zu anderen Anlässen darf der Junge seine Eltern
hin und wieder begleiten. So besucht er als Neunjähriger mit ihnen erstmals
die 1765 in Ludwigsburg eröffnete pompöse
Oper, zu der die Offiziere der württembergischen Regimenter, wie
auch alle anderen in der Regel adeligen Zuschauer freien
Zutritt haben. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 46, 49).
Die ausgezeichneten Leistungen seines Sohnes Friedrich bei den ersten drei Landesexamen, die
dieser während der Zeit in der von autoritären und repressiven
Unterrichtspraktiken geprägten
Lateinschule jährlich ablegen muss, machen
auch seinen Vater Johann Caspar stolz, wenngleich ihm die mangelnde Sorgfalt
und mangelnde Ordnungsliebe, die man seinem Sohn zuletzt vorhält, angesichts
seinem eigenen Hang zur Pedanterie gewiss missfallen hat.
Johann Caspar Schiller als
Intendant der Hofg�rtnerei ab 1775
In der Wohnung im Quartier an der Stuttgarter Straße lebt die Familie bis
zum Umzug
in die kleine Dienstwohnung in der Solitude, dem Jagd- und
Repräsentationsschloss des Herzogs, im Dezember 1775.
Grund für den erneuten
Umzug ist die Ernennung Johann Caspar Schillers zum Intendanten (= Leiter) der
Hofgärtnerei Anfang Dezember 1775.
Gerade vierzehn Tage ist es zu diesem
Zeitpunkt her, dass die Karlsschule, in der sein Sohn der Erziehungstyrannei
des Herzogs ausgesetzt ist, von der Solitude nach Stuttgart verlegt worden
ist. Ein klares Kalkül des Herzogs, wie Peter-André Alt (Bd. I, 2004, S. 87) betont, demzufolge allzu enge private Bindungen
der Karlsschüler (Eleven), auch zu den Eltern, unerwünscht sind und die
Vorstellung der symbolischen Adoption der Eleven durch den Herzog stören.
Johann Caspar Schiller muss
sich gegen seinen Willen dem Herzog wegen des erzwungenen Eintritts
Friedrichs in die Karlsschule beugen
Als Friedrich vom württembergischen Herzog
1773 in seine
"Militär-Pflanzschule", die Karlsschule, beordert wird, wo ein
Theologiestudium nicht möglich ist, lösen sich die beruflichen Zukunftspläne
von Vater und Sohn bald in Luft auf.
Trotzdem versucht der Vater alles,
um seinem Sohn das Kommende zu ersparen. Er wird zweimal beim Herzog vorstellig,
um die Sache seines Sohnes, ohne Erfolg freilich, zu vertreten. Gegen seinen
und den Willen seines Sohnes muss er Friedrich schließlich an der
Karlsschule in die Hände des Herzogs geben. Was sich im Vorfeld seines
Einritts in die Karlsschule ereignet, hat das Bild Friedrichs von seinem
Vater stark beeinflusst und dieses Bild im Laufe der Zeit immer mehr
verklärt.
(vgl.
Safranski
2004, S.23)
Dabei hat Friedrich die väterliche Autorität indessen nie in Frage gestellt.
Die ehrfürchtige Verehrung, die er seinem Vater zeitlebens entgegenbringt, rührt
aber auch daher,
dass sich sein Vater, als der Herzog nach ihm greift, schützend vor seinen
Sohn stellt.
Friedrich will nämlich seit seinem Lateinunterricht bei dem von
ihm bewunderten Pastor Moser in Lorch Theologie studieren
und wird in diesem Wunsch von seinem Vater und seiner Mutter entschieden
unterstützt, so dass sein Weg vorgezeichnet zu sein scheint: "Klosterschule,
Stift, ein geistliches Amt" (Lahnstein 1981, S. 41)
Das
entspricht dem ausgeprägten ökonomischen
Versorgungsdenken des Vaters und ist
in einer Zeit, in der das kulturelle
und gesellschaftliche Leben noch stark von kirchlichen Einflüssen geprägt
ist, nichts Außergewöhnliches.
Was auf den ersten Blick der Soldatennatur
des Vaters zu widersprechen scheint, erklärt sich doch aus der Tatsache,
dass Johann Caspar eine geistliche Karriere in seiner Jugend auch angestrebt
haben mag. Ebenso wichtig jedoch ist auch die Tatsache, dass das Erreichen
eines statusträchtigen geistlichen Amtes dem gleichen sozialen
Aufstiegswillen entspricht, dem der Vater stets gefolgt ist.
In diesen
Kreisen pflegt man, insbesondere in Württemberg, einen
Standesstolz und ein Elitebewusstsein, das auf dem hohen intellektuellen
Niveau der Klosterschulen und Predigerseminare des Landes basiert. Und: "Bei der Vergabe von Kirchenämtern entschieden nicht allein
Herkunft und Tradition, sondern auch Leistungskriterien wie Examensnoten,
Begutachtungen und Qualität der besuchten Lehrinstitute." (Alt Bd. I, 2004,
S. 51)
Diese bürgerliche Sicht der Dinge muss dem Emporkömmling bürgerlicher
Herkunft Johann Caspar umso mehr gefallen, je mehr er sich im Warten auf
seinen noch immer ausstehenden Sold innerlich in Groll verzehrt und dabei
täglich die Prasserei und Verschwendungssucht des adeligen Hofes vor Augen
hat. Dazu erbittert ihn noch die Arroganz mancher adeliger Offiziere, die er gerne
als "vornehmen Pöbel" bezeichnet (vgl.
Lahnstein 1981, S. 31)
Friedrichs erzwungener Eintritt in die Karlsschule zieht nicht nur einen
Schlussstrich unter die beruflichen Zukunftspläne von Eltern und Sohn,
sondern entzieht den Dreizehnjährigen fortan ganz bewusst dem elterlichen
Einfluss. Gerade in den oft kritischen Jahren seines Heranwachsens in der
Adoleszenz, in der die Kinder in der Pubertät zu Jugendlichen bzw. jungen
Erwachsenen reifen, gerät Friedrich damit in eine Anstalt, die den "totalen
Freiheitsentzug" zum Erziehungsprinzip erklärt (vgl.
ebd., S.48).
Friedrichs �bergabe an den
Intendanten der Karlsschule - 16. 1.1773
Was sich am
16.
Januar 1773, dem Tag seiner Übergabe an den Intendanten der Karlsschule, die
in einem Nebenflügel des Karlsschlosses untergebracht ist, nach dem
tränenreichen Abschied von der Mutter, in dem Jungen vorgegangen sein mag,
ist unschwer zu ergründen.
Es fällt ihm schwer, in seiner traurigen
Benommenheit, jene "männliche Fassung" zu bewahren, die ihm das
herrschende Modell von Maskulinität eigentlich abverlangt.
In jedem Fall
erlebt der Junge diesen Tag wie im Schock, in einem Wechselbad der Gefühle
zwischen Angst und verstohlenem Trotz (vgl.
ebd., S.52, vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 89).
Der
Vater, der der gesellschaftlichen Konvention entsprechend, das Kommende wohl
eher emotionslos betrachtet haben mag oder nur innerlich verärgert über den Willkürakt
des Herzogs gewesen sein mag, hat mit dem militärischen Drill der
Erziehungsdiktatur, die auf den Sohn in den folgenden Jahren zukommt, als
Soldat sicher wenig Probleme.
Auch wenn er den Sohn fortan kaum mehr zu
Gesicht bekommen soll, weiß er ihn doch, gesellschaftlich betrachtet, in den
besten Händen. Und solange der soziale Aufstieg des Sohnes als Absolvent der
Karlsschule für die Zukunft gesichert zu sein scheint, ist es auch für ihn
zu ertragen, dass sich Herzog Carl Eugen in einem symbolischen Adoptionsakt
zum "neuen" oder zumindest zweiten Vater Friedrichs wie aller anderen
Karlsschüler erklärt. "Kein Cavalier noch Eleve", so steht es in einem
herzöglichen Befehl dieser Zeit, " wird aus dem Hauss gelassen, es wäre
denn, dass Vater oder Mutter tödtlich wäre, alsdann selbiger mit einem
Offizier und einem Aufseher dahin zu schicken ist."
Und einem Schüler, der
selbst zu seinem im Sterben liegenden Vater nicht reisen darf, erklärt er
unumwunden: " Tröst Er sich, Ich bin sein Vater -" (zit. n. vgl.
Lahnstein 1981, S.48)
Herzog Carl Eugen lässt sich diese Praxis auch durch
den Geheimrat und Staatsrechtler Gottfried Daniel Damm von der
Universität Tübingen bestätigen, der dem Herzog mit staatsrechtlicher
Begründung bescheinigt, "dass die Freiheit des Souveräns, die Bildungswege
seiner jüngsten Untertanen zu steuern, möglich Ansprüche der Eltern aufhob".
(Alt Bd. I, 2004,
S. 137)
Dem privaten bürgerlichen Erziehungskonzept wird damit durch das
öffentliche, vom Konzept staatlicher Vormundschaft über die Untertanen
ausgehende Erziehungsprivileg des Herzogs die Legitimationsgrundlage
entzogen.
Die Unterzeichnung des
Revers der Karlsschule f�r Friedrich
Wie von den Eltern aller Karlsschüler verlangt, erklären Friedrichs
Eltern am 23.9. 1774 daher schriftlich in einem Revers, der in diesem Jahr
erstmalig den Eltern der Karlsschüler zur Unterschrift vorgelegt wird, dass sie ihren Sohn zum Dank für die ihm
zuteil gewordene Ausbildung ganz den herzöglichen Diensten überlassen. Als
Gegenleistung ist in dem Revers eines Anstellungsgarantie in herzöglichen
Diensten festgeschrieben (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 83, 91,
s. Abb.)
Die bewusste Entfremdung der Eleven von ihren Eltern durch
das herzogliche Erziehungskonzept führt in der Folge dazu, dass Friedrich
Schiller in den Karlsschuljahren seine Eltern, insbesondere aber seinen
Vater, nur wenig zu
Gesicht bekommt.
Die Regeln, die für solche Kontakte vorgesehen sind,
verlangen, vor einem Besuch einen schriftlichen und gut begründeten Antrag
der Eltern.
So bekommt Friedrich vom weiteren Familienleben mit seinen Höhen
und Tiefen nur noch per Brief etwas mit oder bei Besuchen der Mutter, die
wie die anderen Mütter der Zöglinge offenbar auch, so
Karoline von Wolzogen in ihrer
Schiller-Biographie aus dem Jahre 1830, sonntags mit den jüngeren
Schwestern Friedrichs zu Besuch kommen darf.
Für den jungen Schiller bedeutet diese erzwungene und
zugleich abrupte Ablösung von seinem Elternhaus und seiner vertrauten
Umgebung eine traumatische Erfahrung, die, literarisch verarbeitet, an
vielen Stellen seines späteren Werkes als
Motiv der verlorenen Kindheit
wiederkehrt. (vgl.
Alt Bd. I, 2004,
S. 89)
Die Baumschule der Solitude
als Erf�llung des Lebens f�r Johann Caspar Schiller
Vielleicht ist Johann Caspar aber auch erst dann innerlich wieder mit seinem
Herzog versöhnt, als er drei Jahre nach dem Eintritt Friedrichs in die
Karlsschule zum Intendanten der Hofgärtnerei befördert wird. Sein Interesse
an Ökonomie und und seine Kompetenz in land- und forstwirtschaftlichen
Dingen, das sich schon in den 1767 beim Hofbuchdrucker Cotta erschienenen
"Betrachtungen über Landwirtschaftliche Dinge" niederschlägt, ist dem
Herzog, der ein ausgesprochener Liebhaber großer Parklandschafen ist,
natürlich nicht verborgen geblieben. (vgl.
ebd., S. 34, 74)
Hier in der Baumschule findet "dieser Mann die
Erfüllung seines Lebens" (Lahnstein 1981, S. 16)
Endlich, mit 52
Jahren, scheint Johann Caspar gefunden zu haben, was ihn wirklich interessiert.
Zugleich ist er auch an der Stelle angelangt, an der er seinem Herzog, der
wegen seiner barocken Verschwendungssucht chronisch in Geldnöten ist, am
besten dienen bzw. nützlich sein kann.
Vor allem seine erfolgreiche
Baumschule bringt nämlich dem Herzog erkleckliche Geldsummen ein. Mit Stolz
weist er nach, dass er Zehntausende von Bäumen für Chausseen und Parks
herangezogen und geliefert hat, und seine rationelle Art Obstbäume
heranzuzüchten, die er auch zum Teil publizieren kann, macht ihn weit über
die Grenzen hinaus bekannt (vgl.
Buchwald 1959, S.55)
So erwirbt
sich Johann Caspar mehr und mehr die Gunst seines Landesherrn, der seinem
stets loyalen und pflichtergebenen Diener auch in schwierigeren Zeiten, nach
der späteren Flucht Friedrichs nach Mannheim (1782), die Gunst nicht mehr
entzieht, die ihn spätestens nach seinem Wechsel auf die Solitude 1775 zu
einem seiner Favoriten gemacht hat. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 137, 139)
In den Jahren auf der Solitude, die nun
folgen, tritt Johann Caspar auch wieder als Autor von Fachbüchern in
Erscheinung, in denen er sich mit Ackerbau, Viehzucht und Weinkultur
beschäftigt. Für seinen Ansatz kennzeichnend ist dabei eine rein
ökonomischen Kriterien unterworfene Betrachtung der Natur. Darauf liegt auch
der Schwerpunkt seiner Schriften über die Baumpflege und Baumzucht, darunter
die erst auf Vermittlung seines Sohnes Friedrich bei Salomo Michaelis in
Neustrelitz herausgegebene, systematisch angelegte Abhandlung "Die Baumzucht
im Großen aus zwanzigjährigen Erfahrungen im Kleinen". Mit der ihm eigenen
pedantischen Akribie beschreibt Johann Caspar darin die Zucht und
Kultivierung von Obstbäumen verschiedenster Art, listet die Erlöse auf, die
bei ihrem Verkauf zu erzielen sind, befasst sich mit Düngungs- und
Bewässerungsmethoden und der Schädlingsbekämpfung. (vgl.
Alt Bd. I, 2004,
S. 74)
Bis zu seinem Tod am 7. September 1796 erfüllt Johann Caspar Schiller die
Aufgaben seines Amts mit eiserner Disziplin und - seiner hinlänglich
bekannten Pedanterie.
Er ist zuständig für Personal und Organisation des
ganzen Betriebes, überwacht Gärtner, Tagelöhner und Handwerker, kontrolliert
z. B. Düngung und Bewässerung, inspiziert die Treibhäuser in der Orangerie,
macht die Buchführung und berichtet dem Herzog in regelmäßigen Abständen
über alles. Wenn es ihm nötig erscheint, setzt er sich auch mit aller Macht
durch. So ist sein Verhalten als Vorgesetzter der Hofgärtnerei gegenüber den
Fronarbeit leistenden Bauern häufig auch von der gleichen
Rücksichtslosigkeit gekennzeichnet,
die er schon als Kompaniechef gezeigt
hat. Ohne daran zu denken, dass die Bauern auch ihre eigenen
Felder bewirtschaften müssen, fordert er von Mensch Tier oft mehr als diese
zu leisten in der Lage sind. (vgl.
Buchwald 1959, S.56f.)
Entt�uschungen Johann Caspar
Schillers gegen�ber Herzog Carl Eugen
Als Friedrich nach Abschluss seiner Militärakademiezeit im Dezember 1780 nur
als Regimentsmedicus in Feldscheruniform dem Grenadierregiment Augé
zugeteilt wird, das in Stuttgart kaserniert ist, erleben Vater und Sohn eine
bittere Enttäuschung. Sowohl Vater wie Sohn waren sich der Sympathie und
Gunst des Herzogs sicher und schenkten seinem Versprechen, eine gute
"Versorgung" Friedrichs zu schaffen, Glauben.
Nun müssen sie enttäuscht zur
Kenntnis nehmen, dass der frischgebackene Absolvent der Hohen Karlsschule,
wie die Akademie nach ihrem Umzug nach Stuttgart genannt wird, seinen Dienst
bei dem Militärregiment anzutreten hat, das in dem Ruf steht, "der
erbärmlichste Haufen unter dem ohnedies wenig ansehnlichen württembergischen
Militär" zu sein und in dem, wie man sagt, nur Leute dienen, "die man
anderswo hatte los werden wollen" (Lahnstein 1981, S.84)
Das Ganze gar für den miserablen Lohn von gerade mal
18 Gulden pro Monat, von denen man kaum leben kann. Es lohnt sich diese Zahl
ins Verhältnis zu setzen: Europa berühmtester Tänzer Gaetano Vestris erhält
für sein Dreimonatsengagement in Ludwigsburg 12.000 Gulden, ein einziges,
der dauernden Feuerwerke, die Herzog Carl Eugen abfeuern lässt, kostet
allein 50.000 Gulden, eine Liste, die sich angesichts der
Verschwendungssucht des Herzogs beliebig erweitern ließe (vgl.
Alt Bd. I, 2004,
S. 35)
Nicht nur dass Friedrich
damit auch weiterhin auf die finanzielle Unterstützung seines Vaters
angewiesen ist, resultiert daraus, sondern dass der Sohn am Ende seiner
Ausbildung in einer der angesehensten Schulen ihrer Art in Deutschland,
beruflich gerade mal das erreicht, was der Vater als einfacher
Klosterbarbiergeselle erreicht, lastet auf Vater wie Sohn gleichermaßen,
vielleicht sogar auf dem Vater noch mehr.
Er fürchtet, dass seine eigene, im Großen
und Ganzen doch erfolgreich verlaufene Aufsteigerbiographie dem Sohn
versperrt bleiben könnte. Und der Sohn: Seine Hoffnungen, den Vater
einstmals zu übertreffen, scheinen ein für alle Mal zerplatzt.
Mehr noch:
Beide empfinden es wohl schon als eine Art Demütigung, dass sie für einen
solchen Platz im herzöglichen Staatsgebilde, gegen den ein Einspruch oder
gar Widerrede nicht möglich ist, dem Herzog zur Danksagung dafür sogar noch
ihre Aufwartung machen müssen. (vgl.
Safranski
2004, S.122)
Friedrich Schiller zu Besuch
bei seinen Eltern
Immerhin nach Jahren der erzwungenen Entfremdung kommt es jetzt wieder
häufiger zu persönlichen Begegnungen Friedrichs mit seiner Familie, die etwa
Stunden Fußmarsch von ihm entfernt auf der Solitude wohnt. Aber auch für solche
Besuche muss er um Urlaub nachsuchen.
Johann Caspar, seine Frau Dorothea und
die Schwestern erhalten in den folgenden knapp eineinhalb Jahren häufiger
einmal Besuch von ihrem Sohn, der nicht selten Freunde mitbringt. Gemeinsam
genießen sie den unbegrenzten Blick von ihrer Wohnung über den
Orangengewächshäusern in die weite Umgebung und den Duft der Orangenblüten.
Sämtliche Freunde sind dabei von der warmen Gastfreundschaft von Friedrichs
Mutter Dorothea angetan, erleben aber auch seinen Vater Johann Caspar als
durchaus angenehmen und wissbegierigen Gastgeber, insbesondere dann, wenn er
die Gelegenheit nutzt, aus seinem abenteuerlichen Leben zu erzählen. (vgl.
Lahnstein 1981, S.87)
Reaktionen des Vaters auf
die ersten Auseinandersetzung Friedrichs mit Herzig Carl Eugen von
W�rttemberg
Im Sommer 1782 wird Friedrich Schiller wegen seiner nicht genehmigten
zweiten Reise nach Mannheim, wo mittlerweile sein Drama "Die
Räuber" seit dem 13. Januar des gleichen Jahres auf dem Spielplan
des Theaters steht, zum Herzog zitiert, dem man erst im Juni die
Angelegenheit zugetragen hat. Von der ersten heimlichen Reise zur
Uraufführung weiß er indessen nichts. Es ist zugleich die letzte persönliche
Begegnung Friedrich Schillers mit dem Herzog.
Sicherlich weiß auch Johann
Caspar davon. Was sich genau in dieser Audienz abgespielt hat, weiß man
nicht. Was die Quellen darüber hergeben, ist sehr widersprüchlich, gut
möglich allerdings, dass der Herzog auch mit der Amtsenthebung von Johann
Caspar gedroht hat. (vgl.
Damm 2004, S.166)
Wegen dieses Vorfalls wird Friedrich Schiller zwei Wochen inhaftiert und
bekommt vom Herzog zudem ein Schreibverbot erteilt, Grund genug für Schiller
sich zur Flucht aus Württemberg zu entscheiden. Dabei st er
sich klar, dass der Herzog Himmel und Hölle in Bewegung setzen wird, um des
Deserteurs wieder habhaft zu werden. Zugleich muss er auch damit rechnen,
dass der Herzog, der für seine persönliche Rachsucht in solchen Fällen
bekannt ist (vgl.
Alt Bd. I, 2004,
S. 29) seinen Vater dafür ebenso in Ungnade fallen lassen wird.
Um
dem Vater wenigstens die Möglichkeit zu lassen, reinen Gewissens jede
Mitwisserschaft an der Flucht seines Sohnes zu bestreiten, weiht er im
Vorfeld nur seine Schwester Christophine in sein Vorhaben ein, ehe er am 22.
September 1782 mit seinem Freund Andreas Streicher von Stuttgart nach
Mannheim flieht. (vgl.
Safranski
2004, S.139)
Vater und Sohn nach der
Flucht Friedrichs aus dem Herzogtum W�rttemberg
Es ist
wohl eine Mischung aus Eigennutz, Gnadenerweis und Begünstigung sowie
Anerkennung der unzweifelhaften Loyalität Johann Caspars, dass der Herzog
dem Vater des Deserteurs auch weiterhin gewogen bleibt. (vgl.
ebd. S.
137, 139)
Nach der Flucht seines Sohnes zeigt sich der
Vater in mehreren Briefen nach Mannheim und Leipzig so hart, wie er es
manchmal sein kann, wenn er den Eindruck hat, dass "sein Streben nach
materieller Sicherheit und geordneten Lebensverhältnissen" missachtet wird.
(Alt Bd. I, 2004,
S. 69)
Dass Friedrich aus Württemberg flieht und sich den Theaterleuten
anschließt, geschieht ausdrücklich gegen den erklärten Willen des Vaters,
"der ihm rät, in der vom Herzog vorgezeichneten Laufbahn eines Mediziners zu
bleiben." (Safranski
2004,
S.24)
So spürt der Vater wohl auch kaum heraus, dass er damit Schuldgefühle
bei seinem Sohn erzeugt, der sich, seiner eigenen Auffassung nach, gerade
erst anschickt, mit dem gleichen Ehrgeiz seine Ziele zu verfolgen, wie es
auch Johann
Caspar selbst stets getan hat und tut. Unter diesen Vorzeichen
fällt es dem Sohn natürlich schwer, seinem Vater zu beweisen, dass mehr als
nur ein schlecht bezahlter Regimentsmedicus in ihm steckt.
Johann Caspar
Schillers Skepsis, was die Zukunft seines Sohnes anbetrifft, ändert sich so
schnell nicht. Die massiven Vorwürfe, die er seinem Sohn macht, werden noch
schlimmer als sich die finanziellen Verhältnisse des Sohnes noch
verschlechtern. "Ich hab ihn treulich dafür gewarnt," lässt er seinen Sohn
in einem seiner Briefe wissen, "ihm die beste Anweisung gegeben, allen
Aufwand, der sein Einkommen übersteigt, zu vermeiden, um sich in keine
Schulden zu verwikeln ..." (zit. n.
Damm 2004, S.170)
Das Leben
eines freien Schriftstellers, für den Sohn "ein Experiment mit ungewissem
Ausgang", stellt sich für den Vater als zu laxer Umgang mit Geld, als
anhaltendes Über-seine-Verhältnisse-Leben dar und Friedrichs "selbstverständliche
Annahme, der Vater werde für ihn gegenüber seinen Stuttgarter Gläubigern
eintreten" ist für Johann Caspar mehr als eine reine Geduldsprobe. (vgl.
Damm 2004, S.170)
Hier sieht
er sein Lebensmodell mit seiner Geradlinigkeit angegriffen, die ihn als
Mensch und Offizier auszeichnet.
Aber immerhin: Ein paar Jahre später kann
er seine Haltung zu seinem Sohn ändern und neu definieren.
Neubestimmung der
v�terlichen Beziehung zum Sohn ab 1783
Als Friedrich zur Freude seiner Eltern 1783 wieder nach
Mannheim zieht, wo er einen Ein-Jahres-Vertrag als Theaterdichter
unterschrieben hat, ist Johann Caspar, auch wenn ihm Theaterstücke seines
Sohnes gefallen, zwar weiterhin der Meinung, dass er damit nur in England sein
Glück machen könne, in Deutschland aber derentwegen ständig auf der Hut sein
müsse, "um nicht in die Nachstellung eines oder des anderen Fürsten
... zu fallen" (zit. n.
Safranski 2004, S. 184),
zeigt er sich wieder verständnisvoller und gibt damit , wie Sigrid
Damm (2004, S.170) meint,
eine "berührende Solidaritätserklärung" ab.
Ob
Friedrich, der sich zu diesem Zeitpunkt sehr optimistisch zeigt, seinen
Vater wirklich beruhigen konnte, lässt sich nicht sagen, immerhin: er
versucht es.
An eine persönliche Begegnung mit den Eltern auf heimischem
Boden ist zu dieser Zeit, da Friedrich Schiller als Deserteur gilt,
natürlich nicht zu denken.
Dennoch nimmt der Vater aus der Distanz noch in
Grenzen Anteil am Leben seines Sohnes. Als diesem z. B. 1783 nachgesagt
wird, er wolle die Schauspielerin Katharina Baumann heiraten, will er
wissen, wie ernst Friedrich das ist. Und als Ende August 1784 Friedrichs
Vertrag in Mannheim ausläuft und ihm sogar der Schuldturm droht, versucht
ihm sein Vater noch einmal unter die Arme zu greifen, ist aber dafür
finanziell überfordert. Friedrich hat zu diesem Zeitpunkt noch beträchtliche
Schulden, die aus den Druckkosten des im Selbstverlag herausgegebenen Dramas
"Die Räuber" und des "Almanachs" entstanden waren. Hinzu kommt noch, dass
man ihn verdächtigt, mit bei der Kreditaufnahme mit unsauberen Geschäften zu
tun gehabt zu haben.
Auch besteht für Johann Caspar durchaus die Gefahr,
auch noch in die Angelegenheit hineingezogen zu werden, da er auch für
seinen Sohn gebürgt hatte.
In Briefen an Friedrich verschafft er sich Luft
und macht ihm deshalb heftige Vorwürfe. Von den entschuldigenden Einlassungen
Friedrichs will er nichts wissen und hält diesem unumwunden vor, "dass er in
alle seine Verlegenheit nicht gekommen wäre, wenn er hier geblieben wäre,
und dass er überhaupt glücklicher, mit sich selbst zufriedener und in der
Welt brauchbarer wäre, wenn er mehr in der Mittelstraße hätte bleiben und
nicht Epoche hätte machen wollen." (zit. n.
Safranski
2004, S. 200)
Folgerichtig lehnt Johann Caspar, der auf einen Hilferuf seines Sohnes nur 2
Louisdor schickt, am 23.9.1784 jede weitere finanzielle Unterstützung seines Sohnes ab. (vgl.
Wais 2005, S. 61).
Trotzdem
reißt das Band zwischen Vater und Sohn nicht gänzlich ab. Ende der
achtziger/Anfang der neunziger Jahre überwindet Johann Caspar die
Vorwurfshaltungen gegenüber seinem Sohn. In seinem Brief zum 32. Geburtstag
seines Sohnes Friedrich im November 1791 bekennt der Vater,
"dass er zu
wenig Vertrauen in den Weg seines Sohnes gehabt habe; mehr Furcht als
Hoffnung sei in ihm gewesen. [...] Bringt die Sorge um die Gesundheit
des Sohnes den Vater dazu, sind es andere Gründe? Was immer es sei, es ist
ein erstaunlicher Brief, weil der autoritäre, in seinen eigenen Lebensbahnen
gefangene Mann über seinen Schatten springt, dem Sohn gegenüber eine Art
Abbitte leistet, um Versöhnung bemüht ist. Er gesteht offen ein - das ist das Kernstück des Briefes - , dass die
Absichten des Sohnes über seinen horizont hinausgegangen
seien. Das heißt, er respektiert dessen anderen, von seinem eigenen so
verschiedenen Weg." (Damm
2004, S.170f.)
Auch wenn sich darin Johann Caspars
Fähigkeit zur selbstkritischen Reflexion
zeigt, belastet ihn das Ganze auch emotional. Zu wissen, dass er dem Sohne
lange nicht vertraut hat, ihn mitunter vor den Kopf gestoßen und auch
zurückgestoßen zu haben, macht ihm zu schaffen, auch wenn er sich selbst für
schuldlos hält, und dies, wie er selbst sagt, "vornehmlich deswegen, weil
ich ihn zur Erreichung seiner über meinen horizont gegangenen Absichten,
niemals unterstützen konnte." (zit. n.
Damm 2004, S.171)
Erstes Wiedersehen mit dem
Sohn am 70. Geburtstag von Johann Caspar 1793
Erst 11 Jahre nach der Flucht
Friedrich Schillers wird es, zum 70. Geburtstag seines Vaters (1793), ein persönliches Wiedersehen
mit dem Vater geben, der in Begleitung von Friedrichs jüngerer Schwester
Luise mit offizieller Genehmigung des Herzogs in die
Freie Reichsstadt
Heilbronn reist und seinen Sohn vom 9. bis 10. August 1793 im Gasthof "Zur
Sonne" besucht.
Vom September des gleichen Jahres an kann Friedrich,
der in Begleitung seiner hochschwangeren Ehefrau
bis zum 6. Mai 1794 im
württembergischen Ludwigsburg, vom 15.
3.94 an in Stuttgart wohnt, die elterliche Familie häufiger sehen.
Eine
bemerkenswerte Vision der Begegnung von Vater und Sohn lässt Sigrid Damm in
ihrer Schiller-Biographie vor ihren und unseren Augen als
Leser entstehen.
"Ich sehe," notiert sie, " Vater und Sohn auf der Solitude
Seite an Seite durch Gewächshäuser, Gartenanlagen und Obstplantagen gehen.
Den fast Siebzigjährigen und den Dreiunddreißigjährigen, den kleinen,
rundlich gewordenen Vater, neben ihm den schlanken, hochgewachsenen Sohn,
sechs Fuß zwei Zoll, 1 Meter 81 Zentimeter groß. Was haben sie sich zu sagen
nach den elf Jahren?[...] Spricht der Vater vom Okulieren, vom Baumschnitt,
Bewässerungs- und Düngungstechniken, von seinen Publikationen zu diesem
Thema? [...] Ein möglicher Gesprächsstoff zwischen Vater und Sohn. Der
Vorteil ist auf seiten des Vaters, denn von organischen Dingen, von Pflanzen
versteht der Sohn nicht viel; nie hat er sich dafür interessiert; Aber er engagiert sich verlegerisch für seinen Vater. Im Jahr des
Wiedersehens lässt er eine kleine Denkschrift Johann Caspars über Techniken
der Baumpflege auf eigene Kosten in Jena drucken und durch seinen Leipziger
Verleger Göschen vertreiben. [...] Vater und Sohn verlassen die Wege durch die Baumreihen, haben die Weite vor
sich. Ihr Blick von der auf einer Anhöhe liegenden Schlossanlage Solitude
hinunter nach Ludwigsburg. Vielleicht hier die Erinnerung an jenen
16. Januar 1773." (Damm
2004, S. 172f.)
Friedrich Schillers enthusiastische Begrüßung durch vierhundert Schüler der
Hohen Karlsschule im November 1793, die nach dem Tod Herzog Carl Eugens von
Württemberg am 24. Oktober 1793 vor der Auflösung steht, mag dabei auch dem Vater
eine späte Genugtuung gewesen sein. (vgl.
Safranski
2004, S.379)
Als
sein Sohn, von seiner langwierigen Krankheit längst gezeichnet, im Frühjahr
1794 vor dem herannahenden Krieg mit seiner kleinen Familie, die ihn begleitet,
überstürzt aus Ludwigsburg abreisen will, wird das Vorhaben durch eine
Nachricht unterbunden, die das weitere Schicksal der väterlichen Familie
zwar nicht existenziell bedroht, die psychische Gesundheit des Vaters jedoch
sehr anzugreifen scheint: Der neue Herzog beabsichtigt eine Zeit lang, die
Baumschule auf der Solitude, und damit das Lebenswerk Johann Caspar
Schillers aufzugeben und zu beseitigen.
Aus diesem Grund verschiebt sein
Sohn Friedrich die Abreise und zieht stattdessen am 15. März 1795 für
weitere zwei Monate nach Stuttgart, um der Dinge zu harren, die sich aber
dann doch letzten Endes wieder zum Guten wenden: Sein Vater kann
weitermachen und wird sogar noch zum Major befördert. (vgl.
ebd.,
S.380)
Am 6. Mai des gleichen Jahres reist Friedrich mit seiner Frau Lotte
und seinem etwa halbjährigen ersten Sohn Karl Friedrich Ludwig (geb.
14.9.1793 in Ludwigsburg) nach Jena zurück, wo er am 14. Mai 1795 wieder
eintrifft.
Als er sich von seinen Eltern verabschiedet, ahnt er schon, dass
es kein Wiedersehen mehr geben wird, auch wenn sich der Vater fürs kommende
Jahr vornimmt, auf eigenem Pferd zu seinen Kindern nach Meiningen und Jena
zu reiten.
Tod Johann Caspar Schillers
Doch daraus wird nichts:
Am 29. Februar 1796, einen Monat vor ihrem eigenen tragischen Tod, teilt die
Schwester
Christiane (=Nanette) ihrem
Bruder Friedrich Schiller in einem Brief die schwere Erkrankung des Vaters
mit (vgl.
Wais 2005, S.211), an der
Johann Caspar
am 7. September 1796 stirbt, ohne seinen Sohn noch einmal gesehen zu haben. (vgl.
Safranski 2004,
S.382)
Friedrich erfährt dies erst zwölf Tage später und verzichtet
zugunsten seiner Mutter Dorothea aus sein Erbteil (vgl.
Wais 2005, S. 220) Dorothea
darf mit ihrer noch unversorgten Tochter danach ab der Jahreswende 1796/97
im Leonberger Schloss wohnen. Dort erhält sie freie Wohnung und eine Pension
von hundert Gulden, halb in Bargeld, halb in Naturalien. (vgl.
Sting 2005, S.547)
Auch im späteren Leben bleibt der Vater Johann Caspar eine der wichtigsten
Personen für Friedrich Schiller.
Vielleicht liegt dies, sieht man einmal von
den (früh-)kindlichen Prägungen ab, auch daran, dass Johann Caspar, wie sein
Biograph
Buchwald (1959, S.56) betont,
sein Leben lang Irrtümer habe zugeben können.
In der Familie Schiller seien
nach der Flucht des Sohnes alle Bedingungen zu einem dauerhaften und nicht
mehr lösbaren Vater-Sohn-Konflikt gegeben gewesen. Der Vater habe seinem
Sohne damals vorgeworfen, dass er durch eigene Schuld sich nicht
herausfinde. Wie er das tat und wie er später offen darüber
gesprochen hat, dass der Sohn im Rechte gewesen war, […]“ (ebd.,
S. 58), zeige seine Fähigkeit zur selbstkritischen Reflexion auf. Und diese
sei zugleich die Voraussetzung dafür gewesen, "dass das Verhältnis zu einem
so ganz anders gearteten Sohn so schön ausklang, wie dies geschehen ist.“ (Buchwald
1959, S.56)
In einem Brief an seine Schwester
Christophine
notiert er am 19. Juni 1780 unter dem Eindruck des Todes eines seiner
engsten Freunde,
August von Hoven: "Ich habe das Glück vor vielen Tausenden, (das
unverdiente) Glück den besten Vater zu haben." (zit. n.
Safranski
2004, S.24).
Von ihm, der sich ehrgeizig und
beharrlich stets nach oben gearbeitet hat, so sieht er es bald, rührt auch
sein Ehrgeiz. Ihn zu übertreffen; höher zu steigen als er, ist einer seiner
Antriebe. Und doch geschieht dies im Bewusstsein der Achtung vor dem, was
der Vater erreicht hat, gerade deshalb "will er ihn überbieten", will er
triumphieren in der väterlich bestimmten Welt, deren Ordnung er
internalisiert hat. (vgl.
ebd., S.23f.)
Autor: Gert Egle
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.02.2022
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