Walk the Line | Kritik | Film | critic.de

Walk the Line – Kritik

James Mangolds Film über Johnny Cash reiht sich schmucklos in die Reihe aktueller Biopics ein und verlässt sich ganz auf seine Schauspieler.

Walk the Line

Kaum war Ray Charles tot, schon trällerte Jamie Foxx oscarprämiert seine Songs. Wieso also nicht die einige Monate zuvor verstorbene Countrylegende Johnny Cash ehren? Der Abspann verrät, was ohnehin schon medial verbreitet worden war: Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon haben alle im Film zu hörenden Lieder selbst interpretiert. Großartig. Man erinnert sich an Achtziger-Jahre-Fernsehshows, in denen Imitatoren äußerlich und stimmlich täuschend echt den Elvis gaben. Diesem Ideal sind auch die neuesten Hollywood-Biopics noch verpflichtet. Man denke nur an The Life and Death of Peter Sellers, als Geoffrey Rush geradezu hinter dem englischen Genie verschwand. Immerhin lassen die Macher Joaquin Phoenix in Walk the Line wie Joaquin Phoenix aussehen. Geht auch nicht anders, mit operierter Hasenscharte. Selbst der dämonische Blick aus Johnny Cashs schwarzen Augen ist in phoenixscher Qualität multipliziert. Wenn er überhaupt jemandem bei seinen Auftritten ähnelt, dann Elvis, der in diesem Film auch optisch recht gewagt gedoubelt wird.

Aber das stört nicht, denn Joaquin Phoenix ist einer der grandiosesten Darsteller des aktuellen amerikanischen Kinos und an seiner Seite wächst sogar Reese Witherspoon zu einer ausdrucksstarken Schauspielerin. Beide verkörpern das ewig verliebte und doch nicht zueinanderfindende Paar in dem Liebesfilm Walk the Line.

Walk the Line

Johnny Cash ist eine der herausragenden musikalischen Künstlerpersönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts. Selbstredend hat er sein Leben gleich mehrfach für die Nachwelt in Buchform komprimieren lassen. Zwei dieser Biographien dienen als Grundlage für James Mangolds neuen Film. Natürlich ist es schwierig, die über fünfzig Jahre dauernde Bühnen- und Plattenkarriere dieses Mannes publikumswirksam in allgemeinverträglicher Dauer auf die Leinwand zu bannen. Also fiel die Entscheidung, sich auf einen Zeitraum von 14 Jahren zu beschränken, mit Rückgriff auf die Kindheit. 1954 begegnet J.R. Cash zum ersten Mal June Carter, 1968 hält er um ihre Hand an, kurz nach dem denkwürdigen Auftritt im Folsom Prison. Dort beginnt Walk the Line, um nach wenigen Minuten den ersten chronologischen Rückgriff auf die Kindheit des Musikers zu tätigen.

In seiner erzählerischen Struktur ist Walk the Line konventionell, was zunächst neutral zu verstehen ist, gäbe es da nicht gleich zwei Filme, die vor kurzem im selben Genre genau dieselbe Struktur und inhaltliche Motivik verwandt hätten. Taylor Hackfords Ray begann auch in den schillernden Sechzigern, mit einem Star nach etlichen Comebacks mal wieder auf der Höhe seines Ruhms, und suchte dessen Genese aus dem Tod des Bruders zu erklären. In akzeptablen knapp zweieinhalb Stunden wurden dort Drogensucht und Probleme mit der Frauenwelt aufgerollt, genauso, wie es auch hier geschieht. Natürlich wird das Anfangsbild kurz vor Ende nocheinmal aufgegriffen und dann schließt der Film sozusagen inmitten der Karriere der noch lebenden Legende, die sich gerade von den Drogen befreit und wahre Liebe gefunden hat - garniert mit den obligatorischen Texttafeln. Es ist wie ein déjà-vu, zumal auch der Fernsehzweiteiler Elvis (2005) mit Jonathan Rhys-Meyers vor einem Live-Comeback-Konzert 1968 beginnt. Wie dort der King, sitzt hier Cash von Zweifeln und Lampenfieber geplagt in den Katakomben. Schnitt zurück in die frühen Fünfziger Jahre und schon sind wir bei Robert Patrick, der in beiden Produktionen den Südstaaten-Vater des jeweiligen Stars mimt. Wenig später suchen Elvis/Johnny den Produzenten Sam Phillips in dessen Sun Studios auf und der weiß in beiden Fällen und Filmen dasselbe zu sagen: sie sollen nicht kopieren, sondern ihren eigenen Sound kreieren. Ja, bis hier hätte man die Filme auch gut verbinden können.

Walk the Line

Wer Bekanntes und Immerselbiges im Kino zu schätzen weiß, der nimmt dies hin und fühlt sich dank der mitreißenden Schauspieler gar nicht mal so schlecht unterhalten. Fans mag auch schon die nicht enden wollende Nummernrevue genügen. Die bebilderte Best-of-CD bzw. der Longtimevideoclip zum folgenden Soundtrack. Dennoch stellen sich einige brennende Fragen: Wenn sich Taylor Hackford wenigstens noch Mühe in der Farb- und Lichtgestaltung seines Filmes gab, warum inszeniert James Mangold seinen Beitrag dann so, wie andere Leute ein Theaterstück? Wieso lässt sich aus dem aufregenden Leben dieser schillernden Persönlichkeit nichts anderes filtern, als das, woran sich Hollywood schon seit eh und je abarbeitet, ein Vaterkonflikt, ein Kindheitstrauma, Drogen als Kehrseite der Medaille und die richtige Frau als Rettung?

Es scheint beinahe, als müssten uns alle diese Filme vermitteln: Seid froh, dass ihr kein Star seid, die haben alle mindestens genauso große Probleme wie ihr und waren Zeit ihres Lebens unglücklich. Schlimm genug, wenn man nichts anderes zu erzählen hat. Aber warum das dann auch noch mit nicht enden wollenden Konzertnummern? Es kann doch nur undankbar sein, ein halbes Jahrhundert alte Konzerte im Zeitalter hochinnovativer Videoclips nachzustellen.

All dies wäre nicht so traurig, gäbe es nicht zwei, drei Momente, in denen der Film beinahe ein eigenes Profil gewinnt. Doch schon folgt der nächste Zeitsprung, zur nächsten Bühne, und die Schauspieler geben sich mehr schlecht als recht gealtert.

Es bleibt zu hoffen, dass so bald keine Musiklegende mehr stirbt, denn auf Dauer können diese déjà-vus im Kino ganz schön zermürben.

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Kommentare


Coal

Wenn ich jemand wie Bob Dylan, Mick Jagger oder ein sonstiger bemerkenswerter Musiker wäre, würde ich in den jetzigen Zeiten meine Leibwächter-Zahl beträchtlich erhöhen. Sonst kommt Hollywood noch auf dumme Ideen...


evi

ich finde den film ganz besonders gut gelungen ,die musik ist spitze die darsteller auch,ich hab ihn 2mal angeschaut!!


Andi

Wenn man sich mit dem Leben von Johnny Cash noch nie beschäftigt hat und einem gerade mal 2 Lieder bekannt vorkommen, dann ist das bestimmt ein ganz hübscher Film. Vor allem für Frauen, da es sich hier ja wohl eindeutig um eine Liebesgeschichte im Stil von Titanic und Pearl Harbor handelt, nur ohne die ganzen Toten. Reese Witherspoon tritt hier als Retterin des verirrten Helden auf, was wohl jedem weiblichen Wesen im Kino das Herz höher schlagen ließ. Ich fand es sehr Schade, dass man aus dem bewegenden Leben des Johnny Casch eine derartige Schnulzenversion gemacht hat, publikumswirksam halt. Besser wäre es gewesen, die bewegenden Siebzigerjahre von Cash zu verfilmen, statt sich auf die platten Jahre bis zu seiner Hochzeit mit June vorzunehmen. Hollywood macht halt aus jeder historischen Figur dass, was ihnen am Besten für das Publikum erscheint. So wurde ja auch aus dem homosexuellen Nazi-Kolaborateur Graf Almásy, der herzensbrechende Heroe und Frauenliebhaber aus "Der englische Patient" (dargestellt von Ralph Fiennes).


Jane

Ich fand den Film auch wirklich sehr gut gelungen. Beachtlich find ich dabei, dass die Songs zum größten Teil von den Schauspielern selbst gesungen wurden und Joaquin Phoenix sich aufgrund von der langen und intensiven Vorbereitung perfekt in die Rolle des Johnny Cash einfügte.
Meine Meinung ist,dass man Respekt für diese tolle Leitung zeigen sollte, auch wenn ich find das Reese nicht so ganz überzeugend war in ihrer Rolle und Johnny Cash erste Frau etwas zu psychopathisch in meinen Augen wirkt. Am meisten beeindruckt haben mich die vielen Vorführungen auf der Bühne,da es so leidenschaftlich wirkte und díe Stimmung auf der Leinwand rüberkommt.


Kritiker

Genau Herr Keilholz sie haben bestimmt recht mit ihrer Aussage, dass die Intention des Filmes ist die Menschen davor zu warnen ein Star zu werden. Sie haben die verfilmte Version des Lebens von Johnny Cash genau richtig durchblickt!!! Meine Gratulation!!! Ich denke eine der Stärken des Filmes sind eben die eigen inszenierten Konzertszenen die sie hier ja auch anmahnen mit ihren Worten "Es kann doch nur undankbar sein, ein halbes Jahrhundert alte Konzerte im Zeitalter hochinnovativer Videoclips nachzustellen.".... Ich bin wie schon in meinem zu erst aufgeführten Punkt zu einer anderen Meinung gekommen. Und denke, dass der Film Walk the Line ein lohnender Film ist, nicht nur für Frauen, die gerne Liebesfilme gucken oder Musik- (J.Cash) Liebhaber!Ihre Aussage "Es bleibt zu hoffen, dass so bald keine Musiklegende mehr stirbt, denn auf Dauer können diese déjà-vus im Kino ganz schön zermürben." finde ich sehr unpassend und makaber. Der Umgang mit dem Tod wird ihrerseits dort sehr lapidar drgestellt.Ich denke die Zeitspanne des Filmes ist gut gewählt, da der Film nicht unbedingt nur als Biographie zu sehn sein sollte. Ich denke der Film ist lohnenswert nicht zu letzt wegen den Schauspielern: Einem wirklich alles überragendem Joaquin Phoenix und einer Reese Witherspoon die ihr Können, welches sie ihr ja in manchen Punkten absprechen (n seiner Seite wächst sogar Reese Witherspoon zu einer ausdrucksstarken Schauspielerin.), absolut beweist und sich an der spitze der US-Schauspielrinen festsetzt.






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