Familiensache? | Jüdische Allgemeine

Sozialdemokratie

Familiensache?

Jessica Rosenthal folgt auf Kevin Kühnert an der Juso-Spitze. Foto: picture alliance/dpa/dpa/Pool

Frische Köpfe bringen frische Ideen, heißt es oft. »Wir wollen wirklich was verändern«, erklärte denn auch prompt die designierte Juso-Chefin Jessica Rosenthal voller Selbstbewusstsein, als bekannt wurde, dass sie wohl die besten Karten hat, die Nachfolge von Kevin Kühnert an der Spitze der Jugendorganisation der SPD anzutreten. Doch zugleich sorgten die Jusos für einige weitere Schlagzeilen, die den Wunsch nach Veränderung bei den Jungsozialisten in ein etwas anderes Licht rücken.

Denn auf ihrem virtuellen Bundeskongress Ende November verabschiedeten sie auch einen Antrag, in dem sie sich solidarisch mit der Fatah-Jugend erklärten. Dieser trägt den Titel »Unsere Vision für das Willy Brandt Center Jerusalem«, gleich dreimal ist darin von der »Shabibeht Fateh« als einer »Schwesterorganisation« die Rede. Genau diese Bezeichnung ist das Novum, das für Irritationen sorgen sollte, die bis heute nachhallen.

existenzrecht Der Antrag stieß nicht nur bei den Vertretern anderer Parteien auf Unverständnis. Zudem hagelte es auch aus den eigenen Reihen reichlich Kritik. »Der Beschluss der @jusos vom vergangenen BuKo ist für uns eine Mahnung, für die #Jusos Leipzig eines deutlich zu machen: We stand with Israel! Für uns wird es weiterhin keine Kooperation mit Organisationen geben, welche das Existenzrecht Israels negieren. #Fatah«, twitterten beispielsweise die Jusos in Leipzig.

Der Antrag stieß nicht nur bei den Vertretern anderer Parteien auf Unverständnis. Zudem hagelte es auch aus den eigenen Reihen reichlich Kritik.

Ähnliches war von der Jugendorganisation der SPD in Halle zu hören. Und Stephan Horn, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Eppelborn, schrieb: »Ich bedauere zutiefst, dass ich mich als Sozialdemokrat auf diesem Planeten maximal 20.000 km von euch distanzieren kann.«

PODCAST Für Kevin Kühnert, den Noch-Bundesvorsitzenden der Jusos, scheint die Diskussion »aus dem Ruder gelaufen zu sein«, wie er in dem Podcast »Die K-Frage« im Gespräch mit Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD, erklärt. Darin betont Kühnert, dass auf dem Bundeskongress nicht etwas Neues beschlossen wurde, sondern allenfalls ein Kooperationsprojekt bekräftigt wurde, das das Willy Brandt Center in Jerusalem bereits seit Jahrzehnten betreibt.

»Wir haben dort einen Raum geschaffen, in dem junge Menschen von allen Seiten in einer der entscheidendsten Zeiten, in der politische Prägung stattfindet, nämlich in der Jugend, sich kennenlernen und ihre Narrative infrage stellen können.« Außerdem habe sich die Fatah schon zu Arafats Zeiten von dem Anspruch verabschiedet, Israel von der Landkarte tilgen zu wollen. »Das ist nicht mehr deren Position, auch nicht in der Jugendorganisation.«

Klingbeil betont in dem Gespräch mit Kühnert, dass die Jusos immer schon eine klare Haltung gezeigt hätten.

Klingbeil betont in dem Gespräch mit Kühnert, dass die Jusos immer schon eine klare Haltung gezeigt hätten. »Das Existenzrecht Israels ist von uns nicht einen Millimeter infrage gestellt worden.« Auch nicht mit dem neuen Antrag. Deswegen ärgere ihn die ganze Diskussion gewaltig. Er vermutet dahinter sogar ein Ablenkungsmanöver. »Ich hatte heute schon den Eindruck, dass die CDU-Jungs, also gerade die Junge Union, dass die wirklich so in der Defensive waren wegen Sachsen-Anhalt, dass die einen Ausweg gesucht haben und wahrscheinlich in ihrer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe verabredet haben, sie ziehen das Thema nun irgendwie hoch.« Und Kühnert ergänzt: »Man muss mit den politischen Strukturen arbeiten, die man vorfindet vor Ort.«

Doch trotz aller Solidarität mit Israel und den Erläuterungen zur Arbeit des Willy Brandt Center in Jerusalem: Der Generalsekretär der SPD und der Noch-Bundesvorsitzende der Jusos geben in ihrem Podcast keinerlei Erklärung dafür ab, warum man die Fatah-Jugend plötzlich ganz offiziell als »Schwesterorganisation« bezeichnet.

DACHVERBAND Diese liefern die Jusos dann in einer offiziellen Stellungnahme nachträglich ab. »Wir beschließen nicht, wer Schwesterorganisation ist und wer nicht. Schwesterorganisationen sind Organisationen unserer Parteienfamilie, mit denen wir eine enge und aktive Zusammenarbeit betreiben. Viele hiervon finden sich in unseren übergeordneten internationalen Dachverbänden, wie der International Union of Socialist Youth oder den Young European Socialists. Die Fateh Youth wurde 1996 in unserem internationalen Dachverband IUSY aufgenommen.« Was nun an der Jugendorganisation der Fatah sozialistisch sein soll, wäre in diesem Kontext vielleicht ebenfalls eine interessante Diskussion wert gewesen.

Genauso wie auch die Frage, wer dort eigentlich das Sagen hat und was man von demokratischen Spielregeln oder dem Verhältnis zwischen den Geschlechtern hält – von dem progressiven Partner, von dem regelmäßig in dem Juso-Antrag die Rede ist, bliebe dann wohl recht wenig übrig.

Die Jusos verhalten sich in der ganzen Debatte so, als ob sie in einer Art luftleerem Raum schweben würden.

Dafür verhalten sich die Jusos in der ganzen Debatte so, als ob sie in einer Art luftleerem Raum schweben würden, in dem keinerlei Kontexte existieren und es allein schon reicht, eine Äquidistanz zu Israelis und Palästinensern gleichermaßen aufzubauen, um als die viel beschworene »Third Party« zu agieren, als die sie sich in dem Antragstext selbst wahrnehmen.

Entsprechend dünnhäutig fallen auch die Reaktionen auf die Kritik aus, der sich nun auch der Arbeitskreis Jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten anschloss. »Man kann, darf und soll unsere Beschlüsse kritisieren!«, schreibt beispielsweise Leo Schneider, Vorsitzender der Juso-Hochschulgruppe in Hamburg auf Twitter. »Dabei sollte man sich aber nicht auf populistische Artikel aus der Springer-Presse verlassen, welche jeglichen Kontext ausklammern und teilweise falsche Tatsachen behaupten.« Argumente sehen anders aus.

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