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Die immer länger werdende Liste der Maskenskandale

Neue CSU-Kandidaten sollen Ehrenerklärung unterschreiben

Die Union leidet unter der Maskenaffäre. Einige Politiker sollen sich durch Geschäfte mit Corona-Masken bereichert haben. CSU-Chef Markus Söder zieht nun Konsequenzen: Alle neuen CSU-Kandidaten sollen eine Ehrenerklärung abgeben.

Quelle: WELT/ Isabell Finzel

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Innerhalb der CDU/CSU wurden in den vergangenen Wochen immer wieder Fälle bekannt, in denen Abgeordnete oder Kandidaten Maskendeals vermittelten – und sich zum Teil daran bereichert haben sollen. Eine Übersicht über die Fälle.

Im vergangenen Frühjahr waren Masken zum Schutz vor dem Coronavirus Mangelware. Das Bundesgesundheitsministerium und die Bundesländer mühten sich nach Kräften, auf dem damals leer gefegten Weltmarkt die begehrten Schutzmaterialien einzukaufen. Dies löste unter Lieferanten eine Goldgräberstimmung aus – von der auch einige Unionspolitiker profitierten. Sie nutzten die Notsituation offenbar aus, um Lieferanten an Bundes- und Landesregierungen zu vermitteln und dafür zum Teil Provisionen einzustreichen.

Die Union stürzte dies in eine Glaubwürdigkeitskrise. Ein Überblick über die Maskenskandale von CDU und CSU.

Georg Nüßlein

Der Fall Georg Nüßlein löste die Maskenaffäre in der Union aus
Der Fall Georg Nüßlein löste die Maskenaffäre in der Union aus
Quelle: picture alliance / Geisler-Fotopress

Die Maskenaffäre begann am 25. Februar: Der Bundestag hob die Immunität des CSU-Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein auf. Noch am selben Tag wurden sein Büro, sein Haus sowie elf weitere Objekte in Deutschland und Liechtenstein durchsucht.

Der Vorwurf: Nüßlein, früherer stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion, soll über seine Beraterfirma von einem hessischen Maskenlieferanten 660.000 Euro für die Vermittlung von staatlichen Aufträgen kassiert haben. Kunden waren sowohl das Bundesgesundheitsministerium als auch das bayerische Gesundheitsministerium. In letzterem Fall ermitteln Staatsanwälte wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern. Nüßlein weist die Vorwürfe zurück.

Schon im Dezember 2020 hatte die Münchner Generalstaatsanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen aus Liechtenstein erhalten. Die dortigen Ermittler waren bei einer Privatbank auf eine auffällige Überweisung gestoßen: 660.000 Euro im Zusammenhang mit einer „politisch exponierten Person“. In Liechtenstein war ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der Vorteilszuwendung beziehungsweise der Vorteilsannahme zur Beeinflussung eingeleitet worden. Am 8. März 2021 trat Nüßlein aus der CSU aus, sein Bundestagsmandat behält er aber vorerst.

Alfred Sauter

Der bayerische Landtagsabgeordnete Alfred Sauter (CSU)
Der bayerische Landtagsabgeordnete Alfred Sauter (CSU)
Quelle: picture alliance / dpa

Im März wurde bekannt, dass der CSU-Politiker – früher Bundestagsabgeordneter, heute Abgeordneter im bayerischen Landtag – einen Vertrag zwischen einem Maskenlieferanten und dem bayerischen Justizministerium entworfen hatte. Es ging dabei um jenes Geschäft, für das sein Parteikollege Georg Nüßlein die Provision von 660.000 Euro erhalten haben soll. Sauter gab an, von der Provision nichts gewusst zu haben. Schon früher stand er in der Kritik, seine Tätigkeit als Rechtsanwalt mit jener als Abgeordneter vermischt zu haben.

Einer Recherche von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ zufolge soll Sauter ebenfalls Provisionen – in sechsstelliger Höhe – dafür erhalten haben, Maskengeschäfte vermittelt zu haben. Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt gegen ihn und ließ am 17. März seine Geschäftsräume durchsuchen.

Am 22. März trat Sauter aus der CSU-Fraktion im Landtag aus. Sein Landtagsmandat will er jedoch bis zur Wahl im Herbst 2023 behalten.

Nikolas Löbel

Nikolas Löbel (CDU) legte mittlerweile sein Mandat nieder
Nikolas Löbel (CDU) legte mittlerweile sein Mandat nieder
Quelle: picture alliance/dpa

Anfang März sorgte der Mannheimer CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel für Negativschlagzeilen. Wie der „Spiegel“ zunächst erfuhr, soll er für die Vermittlung von Schutzmasken Provision verlangt und erhalten haben. Eine entsprechende Mail Löbels liegt auch WELT vor.

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Seine Firma kassierte offenbar Provisionen in Höhe von rund 250.000 Euro dafür, Kaufverträge über Masken zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim zu vermitteln. Löbel teilte mit, es habe sich dabei um eine „nach dem Marktüblichen bemessene Vergütung“ für die Projektmanagement-GmbH gehandelt. Er habe für die GmbH gehandelt und nicht in Ausübung seines Mandates.

Als Konsequenz zog Löbel sich aus dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags zurück. Die Staatsanwaltschaft Mannheim prüft derzeit, ob ein Anfangsverdacht besteht, um ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einzuleiten.

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Mark Hauptmann

Mark Hauptmann bei einer Rede im Bundestag
Mark Hauptmann bei einer Rede im Bundestag
Quelle: picture alliance / Flashpic

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann vermittelte im Jahr 2020 Geschäfte mit Corona-Schutzmasken. Er bestritt allerdings, dafür eine Provision erhalten zu haben. Mitte März wurde jedoch bekannt, dass ein Frankfurter Maskenlieferant im Januar 2021 eine Spende an seinen CDU-Kreisverband überwiesen hatte – in Höhe von 7000 Euro. Hauptmann war zu diesem Zeitpunkt der Vorsitzende des Kreisverbandes.

Hauptmann steht zudem im Zusammenhang mit der Aserbaidschan-Affäre mehrerer CDU-Bundestagsabgeordneter in der Kritik. Im März wurde bekannt, dass er sich regelmäßig politisch für die Belange Aserbaidschans und Taiwans eingesetzt hatte. Im Gegenzug hatten die beiden Länder offenbar Werbeanzeigen im von Hauptmann herausgegebenen CDU-Lokalblatt „Südthüringen Kurier“ geschaltet. Dort waren zeitgleich redaktionelle Beiträge zu diesen Ländern erschienen.

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Am 11. März kündigte Hauptmann an, sein Bundestagsmandat mit sofortiger Wirkung niederzulegen. Er bestritt die Korruptionsvorwürfe jedoch. Am 25. März kündigte die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft an, gegen Hauptmann im Zusammenhang mit Maskengeschäften ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern einzuleiten. Daraufhin erklärte er seinen Parteiaustritt.

Hubert Aiwanger

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zeichnet für die Beauftragung eines Autozulieferers mit teurer Maskenproduktion verantwortlich
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zeichnet für die Beauftragung eines Autozulieferers mit teurer Maskenproduktion verantwortlich
Quelle: picture alliance / Geisler-Fotopress

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) fädelte zu Beginn der Pandemie im vergangenen Frühjahr einen teuren Maskendeal mit einem Autozulieferer ein, der Firma Zettl. Das Unternehmen hatte zuvor noch nie ein solches Produkt hergestellt. Die nun gefertigten Masken entsprachen nicht dem FFP2-Standard. Aiwanger selbst ist zwar selbst nicht in der Union, allerdings rechtfertigte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Geschäft. Er sagte, die Zettl-Produkte seien „auf dem Weg zu einer FFP2-Maske“. Andere Firmen, die seit Jahren im Medizinsektor tätig sind, kamen in jener Zeit nicht zum Zug.

Obwohl die Masken zu dieser Zeit noch keine Marktzulassung besaßen, bestellte Bayern dort im März 2020 über eine Million Masken zum stolzen Preis von sechs Euro pro Stück. Ein interner Preisvergleich aus dem Bundeswirtschaftsministerium zeigt: Ende März 2020 lag der Marktpreis für FFP2-Masken bei weniger als fünf Euro.

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Der Bund der Steuerzahler und bayerische Oppositionspolitiker forderten Aufklärung über das Zustandekommen des Geschäfts. Auffällig war: Die Fabrik der Firma Zettl liegt nur 25 Kilometer von Aiwangers Bauernhof entfernt. Aiwangers Sprecher sagte jedoch, der Minister sei durch den Hinweis eines lokalen Landrats auf Zettl gestoßen. Aiwanger und der Geschäftsführer des Unternehmens hätten sich zuvor nicht gekannt.

Andrea Tandler

Die Schweizer Firma Emix lieferte im vergangenen Jahr Masken zu auffällig hohen Preisen an den Bund und an die Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern. Letztere sollen Medienberichten zufolge bis zu 9,90 Euro pro Stück für FFP2-Masken bezahlt haben.

Vermittelt wurden diese Geschäfte zum Teil von Andrea Tandler, der Tochter des langjährigen CSU-Generalsekretärs unter Franz Josef Strauß, Gerold Tandler. Sie kontaktierte dafür unter anderem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn persönlich und setzte sich für Emix Trading ein. Medienberichten zufolge sollen sich auch die Strauß-Tochter und CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier und der Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) für die Schweizer Firma eingesetzt haben. Bayerns Gesundheitsministerium wies die Vorwürfe zurück, zu überteuerten Preisen eingekauft zu haben.

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Niels Korte

Der CDU-Politiker, der für den Bundestag kandidiert, verhandelte Recherchen von WELT zufolge im vergangenen Jahr mit dem Bund über den Ankauf von 20 Millionen Schutzmasken. Auftragswert: 90 Millionen Euro. Der Jurist Korte, ehemaliger Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus, war einer von zwei Gesellschaftern der Firma Areal Invest, bei dem der Bund diese Masken kaufte.

Am 2. April 2020 nahm er per E-Mail direkt Kontakt zu seinem Parteikollegen Jens Spahn auf, weil es offenbar Probleme dabei gab, den Maskendeal einzufädeln. Den heutigen Gesundheitsminister hatte Korte schon 2011 bei einer gemeinsamen Diskussion über Ärztemangel kennengelernt. Spahns Haus zeigte sich trotz diverser Probleme mit den Maskenlieferungen großzügig, das Geschäft kam zustande.

Mittlerweile allerdings läuft eine juristische Auseinandersetzung zwischen Areal Invest und dem Bundesgesundheitsministerium. Es geht dabei um die Qualität der gelieferten Masken.

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