Janine Wissler: „Manchmal machen wir es den Menschen schwer, uns zu wählen“ - WELT
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„Manchmal machen wir es den Menschen schwer, uns zu wählen“

Linke-Chefin Janine Wissler, 41 Linke-Chefin Janine Wissler, 41
Linke-Chefin Janine Wissler, 41
Quelle: Marlene Gawrisch
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In der Existenzkrise der Linkspartei gesteht die Vorsitzende Wissler ein, dass sie öffentlicher Streit von Parteifreunden „kirre“ mache. Sie verrät, warum sie dennoch im Amt bleiben will. Und was sagt sie zur immer noch großen Russland-Nähe mancher Parteifreunde?

WELT: Frau Wissler, Sahra Wagenknecht und Fraktionschefin Amira Mohamed Ali rufen mit anderen Parteimitgliedern zu einer „populären Linken“ auf – „verschiedene Auffassungen“ müssten innerhalb der Linken toleriert werden. Inwiefern ist das ein Angriff auf Sie?

Janine Wissler: Es ist normal, dass es vor einem Parteitag verschiedene Debattenbeiträge gibt. Die Schwerpunkte des Aufrufs stehen aus meiner Sicht nicht im Widerspruch zum Leitantrag des Parteivorstands.

WELT: 18 Prozent der Wähler könnten Sie laut einer Studie erreichen. Wie sehr ärgert es Sie, dass die Partei sich selbst im Weg steht?

Wissler: Erst einmal ist das eine gute Nachricht. Wir haben es selbst in der Hand. Dabei dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, um wen es geht: Jene, die ihre Hoffnung in uns setzen, die in Armut leben und beispielsweise nicht wissen, wie sie die Gasrechnung zahlen sollen. Die Linke ist kein Selbstzweck, sondern will die Gesellschaft verändern.

Wir müssen uns auf den politischen Gegner fokussieren. Steigende Preise und Mieten, keine Verbesserung bei den Pflegekräften, verschobene Pläne zur Kindergrundsicherung – die Ampel lässt viel Raum für linke Politik. Den müssen wir nutzen. Aber ja: Wenn ich dann sehe, wie sich einige von uns öffentlich streiten, macht mich das schon kirre.

Selbstverständlich ist die Linke eine plurale Partei. Dennoch müssen besonders die bekannten Gesichter die demokratisch beschlossenen Positionen der Partei nach außen vertreten. Wer das bei einem Thema nicht kann, sollte dazu dann nicht im Namen der Linken sprechen. Die Linke ist in einer so schwierigen Lage, dass wir uns öffentliche Widersprüche nicht leisten können. Manchmal machen wir es den Menschen schwer, uns zu wählen.

WELT: Auf dem Parteitag wird über einen Leitantrag diskutiert, in dem Sie Schlüsse aus dem Ukraine-Krieg ziehen. Welche Veränderungen empfinden Sie als am weitgehendsten?

Wissler: Die Forderung nach gezielten und wirkungsvollen Sanktionen. Völlig unumstritten ist die Verurteilung des russischen Einmarschs als verbrecherischer Angriffskrieg. Was wir klarziehen: Wir messen nicht mit zweierlei Maß. Wir verurteilen Angriffskriege, egal wer sie wo führt. Menschenrechte gelten für alle, für die geflüchteten Menschen aus der Ukraine genauso wie für die russische Opposition oder die Gefangenen in Guantánamo.

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WELT: Das imperialistische Großmachtstreben von Wladimir Putin wird in dem Antrag klar benannt. Warum gibt es Genossen, denen das immer noch schwer über die Lippen geht?

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Wissler: In der Verurteilung des Krieges sind wir uns alle einig. Unsere Kritik an der Nato ist deshalb natürlich nicht obsolet – aber das Agieren der Nato ist keinerlei Rechtfertigung für diesen Krieg. Es ist ein Unterschied, ob man sich mit Russland oder dem Kreml verbunden fühlt. Ersteres trifft auf viele in der Partei zu, Zweites nicht. Putin ist kein Linker, sondern steht für eine neoliberale und rechtsnationale Politik.

„Der Ukraine ist nicht geholfen, wenn sich am Ende zwei Atommächte in einem offenen Konflikt gegenüberstehen“
„Der Ukraine ist nicht geholfen, wenn sich am Ende zwei Atommächte in einem offenen Konflikt gegenüberstehen“
Quelle: Marlene Gawrisch

WELT: Ihre Partei fordert von der Regierung mehr diplomatische Bemühungen. Wie würden Sie vorgehen, wenn Sie in der Verantwortung wären?

Wissler: Es mag Sie überraschen, aber vieles, was Olaf Scholz vor Beginn des Krieges getan hat, fand ich richtig: die Zurückhaltung bei Waffenlieferungen, sein Besuch in Moskau. Nun gilt es, die Sanktionen gegen Oligarchen konsequenter durchzusetzen. Im Zentrum steht für uns die Frage, was Deutschland tun kann, damit es zu Friedensverhandlungen kommt.

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WELT: Sie sind weiterhin gegen Waffenlieferungen. Wie soll die Ukraine sich selbst verteidigen ohne Waffen?

Wissler: Natürlich hat die Ukraine das Recht, sich zu verteidigen. Tausende Menschen sterben, Millionen fliehen. Es ist aber ein Trugschluss, dass schwere Waffen diesen Krieg schnell beenden würden, zumal viele dieser Waffensysteme erst ab Oktober einsetzbar sind. Die Eskalationsgefahr durch weitere Waffenlieferungen und schweres Gerät darf nicht ignoriert werden. Auch weil Deutschland und die Nato Gefahr laufen, zur Kriegspartei zu werden.

Der Ukraine ist nicht geholfen, wenn sich am Ende zwei Atommächte in einem offenen Konflikt gegenüberstehen. Dieser Krieg wird nur durch eine Verhandlungslösung beendet werden können.

WELT: Ihr Landesverband in Hessen wird von MeToo-Vorwürfen erschüttert. Ihnen wird vorgeworfen, von übergriffigem Verhalten Ihres damaligen Partners gewusst und nichts unternommen zu haben. Sie weisen diese Anschuldigung zurück. Was überwiegt: Bestürzung über die Vorwürfe oder Wut, weil die Anschuldigungen gegen Sie aus Ihrer Sicht nicht zutreffen?

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Wissler: Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst und bemühen uns um Aufklärung. Dazu haben wir eine externe Expertinnen-Kommission eingesetzt und werden weitere Maßnahmen auf den Weg bringen. Wir dürfen weder sexistisches Verhalten noch sexuelle Übergriffe dulden.

WELT: Es geht aber auch um Sie direkt. Was haben die vergangenen Wochen mit Ihnen gemacht?

Wissler: Natürlich war ich schockiert über den Vorwurf. Ich habe nichts verschwiegen. Als ich vergangenen Jahreswechsel erstmals von Vorwürfen gegen meinen Ex-Freund erfahren habe, habe ich sofort reagiert. Also lange, bevor darüber öffentlich berichtet wurde.

WELT: Die Vorwürfe haben Ihnen politisch massiv geschadet. Warum glauben Sie, dass Sie dennoch die Richtige für den Parteivorsitz sind?

Wissler: In Hessen ist die Linke seit 2008 viermal in den Landtag gewählt worden, zweimal mit mir als Spitzenkandidatin. In einem westdeutschen Flächenland. Das haben wir geschafft, weil wir als Team zusammengearbeitet haben, das sich vertraut. Wir haben durchaus strittig nach innen diskutiert, aber die Position der Linken gemeinsam nach außen vertreten.

So konnten wir Vertrauen aufbauen bei Gewerkschaftsmitgliedern, Umweltinitiativen, Sozialverbänden, Bündnissen gegen rechts. Wir haben gute Oppositionsarbeit im Landtag gemacht und gezeigt, dass es die Linke einen Unterschied macht. Diese Erfahrungen möchte ich auf Bundesebene einbringen.

WELT: Unter anderem kandidieren die Bundestagsabgeordneten Heidi Reichinnek und Sören Pellmann. Manche sehen darin den Versuch der Fraktionsführung, ihre Macht auf die Parteiführung auszuweiten. Sie auch?

Wissler: Ich möchte konkurrierende Kandidaturen nicht kommentieren. Notwendig ist aus meiner Sicht, eine gute Teamlösung zu finden.

WELT: Die Kandidatur des Europapolitikers Martin Schirdewan wird als Team-Kandidatur mit Ihnen gewertet. Aber was, wenn das Wahlergebnis ein Team Wissler-Pellmann ergibt?

Wissler: Wer die Partei führt, entscheidet der Parteitag. Dieses Votum ist zu akzeptieren. Das Ziel sollte eine Parteiführung sein, die die Pluralität der Partei abbildet und mit einer Stimme spricht.

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Rücktritt an der Parteispitze

WELT: Seit Amtsantritt waren Sie mehr Krisenmanagerin als Parteichefin. Warum wollen Sie sich das weiter antun?

Wissler: Wenn ich sehe, wie viele Mitglieder sich mit Herzblut für die Partei engagieren, motiviert mich das. Ich möchte, dass sie wieder stolz auf die Linke sein können und nicht die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wenn sie morgens Zeitung lesen.

Ich habe mir den Wechsel auf die Bundesebene sehr genau überlegt. Ich bin ja erst seit letztem Jahr Parteivorsitzende, und ich hab noch vieles vor. Deutschland braucht eine linke Opposition.

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