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Was echt ist in „Rush“ - und was Legende

Das Original: Niki Lauda mit der Startnummer eins beim Grand Prix von Belgien in Zolder, dahinter verdeckt James Hunt, links neben Lauda fährt dessen Teamkollege Clay Regazzoni. Hunt siegte, Lauda schied aus Das Original: Niki Lauda mit der Startnummer eins beim Grand Prix von Belgien in Zolder, dahinter verdeckt James Hunt, links neben Lauda fährt dessen Teamkollege Clay Regazzoni. Hunt siegte, Lauda schied aus
Das Original: Niki Lauda mit der Startnummer eins beim Grand Prix von Belgien in Zolder, dahinter verdeckt James Hunt, links neben Lauda fährt dessen Teamkollege Clay Regazzoni. Hu...nt siegte, Lauda schied aus
Quelle: picture alliance / HOCH ZWEI
Das Kino-Epos über den Zweikampf in der Formel 1 zwischen Niki Lauda und James Hunt 1976 fasziniert. Es rasen Original-Rennwagen durch die Kulisse. Der Film wurde aber auch dramaturgisch angespitzt.

In der Formel 1 ging es vor 40 Jahren um mehr als um Sieg oder Niederlage. Es ging ums Überleben. 16 Mal im Jahr entbrannte ein brutaler Kampf: Mann gegen Mann, Mensch und Maschine gegen die Naturgesetze. Wer triumphieren wollte, musste dem Tod unbeeindruckt entgegensehen. Wie James Hunt und Niki Lauda in der Saison 1976. Unerschrocken stürmten sie los.

Es war die Zeit, als Konstruktionspläne für die Rennwagen mit Kreide ans Garagentor gezeichnet wurden. Brach etwas an der Aufhängung der Boliden, wurde nicht umgebaut, sondern die Schwachstelle einfach verstärkt. „Mein Wagen ist ein Sarg an der Spitze einer Bombe“, sagt James Hunt völlig unaufgeregt zu Suzy, seiner zukünftigen Frau, als die schöne Jetsetterin den Draufgänger in der Garage besucht.

Er streicht dabei fast liebevoll über das Cockpit. Auch wenn er sich vor jedem Rennen übergeben muss, scheint er ein Weltmeister im Verdrängen der Gefahr zu sein.

Die Autos sind zu dieser Zeit schwer zu bändigen. Auf der Geraden machen die Motoren einen infernalischen Lärm, und beim Bremsen vor der Kurve drohen sie auszubrechen. Der Pilot dirigiert nicht nur vier Räder, er hat ein ganzes Orchester an Mitspielern in Gleichklang zu bringen, damit sich die gewaltige Kraft an den richtigen Stellen entfaltet. Dafür braucht es Fingerspitzengefühl, Ausdauer, Konzentration.

Playboy und Antiheld

Beide, Hunt und sein WM-Rivale Niki Lauda, haben diese Eigenschaften verinnerlicht, aber interpretieren sie auf den Weg zum WM-Titel unterschiedlich: Hier der Romantiker Hunt, ein Bauchmensch und Playboy. Dort der kühle Analytiker Lauda, ein kauziger Antiheld, den auch der härteste Schicksalsschlag nicht kleinkriegt.

Das ist der Stoff, aus dem sich Legenden stricken lassen. Grandios verfilmt hat diesen epischen Zweikampf Regisseur Ron Howard („Apollo 13“, „Da Vinci Code“) nach einem Drehbuch von Peter Morgan („The Queen“). Am kommenden Donnerstag läuft das mitreißende Rennsport-Drama „Rush“ in den deutschen Kinos an.

Seine Anziehungskraft bezieht der Film aus seiner Liebe zum Detail. Da röhrt in einigen Szenen Hunts originaler Weltmeisterwagen McLaren M23-8 über die Piste, gedreht während der Historic Formula One Championship, die 2012 mit den Boliden von damals auch auf dem Nürburgring Station machte und erst in dieser Saison aus Kostengründen aus dem Kalender des Automobilweltverbandes Fia gestrichen wurde.

Darüber hinaus baute ein Team zwei McLaren und drei Ferrari 312 originalgetreu für rund 100.000 Euro auf Basis ausrangierter Formel-2-Autos nach, hinzukamen ausgefallene Exemplare wie ein Ligier JS5, ein Brabham BT 45 sowie zwei BRM P160. Die Replikas wurden in den Trickszenen eingesetzt – oder wenn es der Lärmschutz nicht zuließ, dass Laudas Original-Ferrari Vollgas fuhr. In den Cockpits saßen Stuntmänner, manche mit einer Kamera am Helm, und ehemalige Rennfahrer wie Jochen Mass.

Falsche Filmschnitte

Formel-1-Nerds werden bemängeln, dass Howard die Wagen aus der 76er-Saison auch im Jahr zuvor durch die Kulisse rasen lässt und dass der Schnitt nicht passt, als Lauda aus der Boxengasse in die Nordschleife biegt und in der nächsten Einstellung ins Caracciola-Karussell bei Streckenkilometer 14 einbiegt.

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Auch in Monza sieht man die Piloten heftig am Steuer kurbeln. Dabei gibt es auf dem italienischen Hochgeschwindigkeitskurs kaum scharfe Kehren.

Es ist der Dramaturgie geschuldet. Was die Auswahl der Requisiten betrifft, gingen die Filmemacher so gewissenhaft vor wie PS-Held Lauda bei der Abstimmung seines Ferrari. Auf einem Flugplatz in der englischen Grafschaft Hampshire ließ Howard eine Boxengasse mitsamt dazugehörendem Fahrerlager und Tribünen nachbauen. Je nach Rennstrecke konnte die Kulisse modifiziert werden.

Drehgenehmigungen bekam die Crew nur für die Strecken in Brands Hatch und auf dem Nürburgring. Monza wurde nach Snetterton nachgestellt, das Finale in Fuji nach Donnington verlegt.

Fahrersitzung getürkt

„Es war mir ein besonderes Anliegen, den Sport und all jene Leute zu ehren, die ihn aufgebaut haben. Es klingt pathetisch, aber es wäre schlimm, wenn wir das nicht erreicht hätten“, sagt Autor Morgan über den Spagat zwischen Fiktion und Wahrheit. „Du musst die Fakten respektieren, aber auch den Spannungsbogen aufbauen.“

So wurde die Rivalität zwischen Hunt und Lauda dramaturgisch etwas angespitzt. Die Fahrersitzung vor dem verhängnisvollen Nürburgring-Grand-Prix, in der Laudas Vorschlag, das Rennen abzusagen, auf Initiative Hunts abgeschmettert wurde, ist frei erfunden. Denn die alltäglichen Sorgen um die Sicherheit schweißten die Piloten eher noch zusammen. Sie verabredeten untereinander, wo auf der Piste sie sich überholen konnten.

Daran hielten sie sich meist. „Im Grunde waren wir Amateure, die die Freiheit genossen, etwas Gefährliches zu tun“, erinnert sich der WM-Dritte von 1975, Jackie Ickx. „Ich bin froh, am Leben zu sein.“

Ickx, Lauda, Hunt und ihre tollkühnen Kollegen zogen ihre Kreise, als Rennfahrer noch greifbar waren. Es war die Zeit, als die Fahrer zusammen Urlaub machten, nach der Qualifikation mit ihren Frauen ins Freibad gingen, weil damals Hotelpools noch selten waren, und abends vor dem Rennen auf ein Bier.

Nach dem Rennen schnell eine Zigarette

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Hunt trug Burberry-Jacke und coole Sonnenbrille und hatte nach den Rennen eine Embassy-Zigarette im Mund. Ex-Champion Niki Lauda fand, dass beim goldblonden Rennfahrer „die Frauen weiche Knie bekommen konnten“.

Um den kühlen Technokraten Lauda zu mimen, hat Darsteller Daniel Brühl die Fernsehübertragungen der Saison 1976 studiert. In Wien trainierte er Laudas englische Aussprache und reiste im Privatjet des Ex-Champions zu einem Formel-1-Rennen nach Brasilien. Er ließ sich zeigen, wie genau man die Rennhandschuhe überzieht und sich den Helm überstülpt.

Aufgepeppt werden musste dagegen Laudas Feuerunfall auf dem regennassen Nürburgring 1976. Vom Crash im Bergwerk existiert nur das Video eines Amateurfilmers. Es wurde um die nachgestellten Trickaufnahmen ergänzt und am Computer retouchiert – sogar das Grün der Eifelwälder, weil im April gedreht wurde, Lauda aber im August verunglückte.

42 Tage später gibt Lauda in Monza mit einem vierten Platz sein Comeback. Nie aufgeben, das zählt überall im Sport, aber im Motorsport, wo der Tod, die finale Kapitulation, immer mitspielt, zählt es doppelt. Es sind Momente wie diese, die Niki Laudas Ruf zementieren.

Er ist ganz offensichtlich nicht nur ein Rennfahrer, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Er ist auch eine Persönlichkeit, wie sie die Rennfahrer noch nie hervorgebracht haben.

Versöhnung zwischen den Rivalen

Und es ist der Moment, in dem die Rollenverteilung kippt: Der Antiheld wird zum Sympathieträger. Um die Antrittsgage nicht zu verlieren, drängt Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone beim Saisonfinale in Fuji die Piloten, trotz prasselnden Regens zu starten. Lauda spielt zwei Rennrunden das fragwürdige Spiel mit. Dann stellt der Titelverteidiger seinen Ferrari ab. Damit ist die Chance da für Hunt. Der Brite muss mindestens Dritter werden, um Lauda zu schlagen. Er wird – hinter Mario Andretti im Lotus und Patrick Depeiller im Tyrrell – Dritter. Im Alter von 29 Jahren kommt er so 1976 zu seinem einzigen Formel-1-Titel.

Lauda, der die Rennstrecke verlässt, als das Rennen noch läuft, erfährt davon erst am Flughafen in Narita. Er sagt: „Am Leben zu sein ist wichtiger, als Weltmeister zu sein.“ Für das Happy End im Film dichtete Autor Morgan einen Versöhnungsgipfel zwischen den Rivalen der Rennbahn dazu.

Hunt wird nie wieder um den WM-Titel mitfahren und erklärt 1979 seinen Rücktritt, Lauda kämpft nach dem Saisonfinale dagegen um seine Reputation. Für Enzo Ferrari ist Fuji das Eingeständnis, dass der Rennfahrer Lauda auf dem Nürburgring gestorben ist. Er macht Carlos Reutemann zur Nummer eins bei Ferrari. Laudas Rache ist der Titelgewinn 1977. Aber das ist der Stoff für eine andere Geschichte.

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