Kohler glaubt an Meisterschaft vom BVB & äußert Kritik am FC Bayern
Home>Fußball>Bundesliga>

Kohler glaubt an Meisterschaft vom BVB & äußert Kritik am FC Bayern

Bundesliga>

Kohler glaubt an Meisterschaft vom BVB & äußert Kritik am FC Bayern

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

„Der größte Fehler der Bayern“

In der Bundesliga steigt am Samstag das große Meister-Finale zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern. Vor dem Fernduell spricht Jürgen Kohler im SPORT1-Interview über den Showdown und die Lage bei seinen zwei Ex-Teams.
Edin Terzic hat auf der Pressekonferenz vor dem Bundesligaspiel gegen den FSV Mainz 05 einen sehr fokussierten Eindruck gemacht.
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Ein Sieg trennt Borussia Dortmund noch vom Gewinn der deutschen Meisterschaft. Dieser soll am Samstag im Heimspiel gegen Mainz 05 (15.30 Uhr im LIVETICKER) eingefahren werden.

{ "placeholderType": "MREC" }

Der FC Bayern steht in der Tabelle zwei Punkte hinter dem BVB und hofft auch noch auf den Titelgewinn. Die Münchner spielen zeitgleich beim 1. FC Köln.

Die Vorbereitungen für die XXL-Party in Dortmund laufen seit Tagen. Jürgen Kohler spielte von 1995 bis 2002 für den BVB, gewann mit dem Verein zwei Mal die Meisterschale (1996 und 2002) und 1997 die Champions League. Im SPORT1-Interview spricht der 57-Jährige über den Meister-Showdown.

SPORT1: Herr Kohler, wie schätzen Sie die Situation im Titelkampf vor dem letzten Spieltag ein?

{ "placeholderType": "MREC" }

Jürgen Kohler: Der Favorit ist Borussia Dortmund - aufgrund des Heimspiels und des Sieges vergangenen Sonntag. Ich habe schon vor dieser Saison gesagt, dass der BVB für mich der Topfavorit auf den Titel ist, damals wurde ich belächelt. Und jetzt werden die Dortmunder Meister.

Lesen Sie auch

Haller: X-Faktor für Borussia Dortmund

SPORT1: Warum waren Sie sich da sicher?

Kohler: Ich habe mir den Kader der Dortmunder vor der Runde ganz genau angeschaut. Das Mannschaftsgefüge ist besser als das der Bayern. Hätte Sébastien Haller nicht seine Krebs-Erkrankung gehabt, wären es im Winter keine neun Punkte Rückstand auf die Bayern gewesen. In der Rückrunde hat man gesehen, wie wichtig Haller ist. Er verändert das komplette Spiel des BVB.

SPORT1: BVB-Trainer Edin Terzic sagte am Donnerstag auf der PK, dass Haller die schönste Geschichte der Saison ist. Sehen Sie es auch so?

{ "placeholderType": "MREC" }

Kohler: Auf jeden Fall. Wenn man nach solch einer Schock-Diagnose wieder zurückkommt und es ihm wieder gut geht, dann freut mich das natürlich. Dass Haller diesen Kampf angenommen und gewonnen hat, ist so schön. Er wird sich gedacht haben: ‚Ich habe einen großen Gegner besiegt, warum soll ich jetzt nicht auch sportlich die Gegner besiegen?‘ Und dieses Gefühl nimmt er jetzt mit.

SPORT1: Der BVB hat eine Hand an der Meisterschale, muss er nur noch zugreifen? Oder ist die Situation auch gefährlich? 2001 war Schalke schon Meister, dann schaffte Bayern es doch.

Kohler: Ich denke nicht, dass sich der BVB das noch nehmen lässt. Sie müssen mit klarem Verstand an die Sache rangehen. Terzic wird die richtigen Worte finden. Das Spiel muss nicht in der ersten Minute entschieden werden. Die Jungs müssen über 90 Minuten hoch konzentriert sein. Ich bin überzeugt, dass der BVB gegen Mainz gewinnen wird. Die Dortmunder werden diese Chance nutzen, die kommt nicht jedes Jahr wieder.

Alaba-Abgang der „größte Fehler“ vom FC Bayern

SPORT1: Wie sehen Sie generell die Entwicklung des BVB in dieser Saison?

Kohler: Der BVB hat auch einige Spiele knapp gewonnen, da hat man nicht gut gespielt. Das beste Beispiel war das Heimspiel gegen den FC Augsburg. Das war richtig schlecht. Aber dennoch zeigte der BVB Nehmer-Qualitäten. Und das war nötig für das große Ziel. Terzic steht mit seinem Team jetzt zurecht ganz oben. Wie gesagt: Mit einem gesunden Haller wäre es anders gelaufen, er hat immer seine Tore gemacht. Und er macht nicht die Tore zum 5:0, sondern zum 1:0.

SPORT1: Hat man beim FC Bayern den Abgang von Niklas Süle unterschätzt?

Kohler: Nein. Aus ihrer Sicht haben die Bosse so gehandelt, wie sie es für richtig gehalten haben. Sonst hätten sie Süle behalten. Wenn Du nicht überzeugt bist von einem Spieler, dann musst du ihn gehen lassen. aber das ist gar nicht entscheidend. Viel schlimmer war etwas anderes…

SPORT1: Was denn?

Kohler: Man hätte David Alaba nie verkaufen dürfen. Das war der größte Fehler der Bayern in den vergangenen Jahren. Er war eine wichtige Figur in dem System. Dann hat man Robert Lewandowski verloren und Manuel Neuer hat sich verletzt. Und seit zwei, drei Jahren hat man keinen richtigen Sechser. Das ist ein Riesen-Problem bei Bayern. Mich kotzt aber eine Sache an…

SPORT1: Nämlich?

Kohler: Diese Häme, die jetzt wieder über den FC Bayern ausgeschüttet wird, ist nicht okay. Wäre Bayern München in der Vergangenheit nicht da gewesen, wo würde Deutschland in der Fünf-Jahres-Wertung im internationalen Fußball stehen? Das müssen sich alle Kritiker fragen. Davor ziehe ich bei Bayern den Hut. Es gibt immer Phasen, in denen ein Bruch entsteht aufgrund eines Umbruchs. Das ist bei Barca, Real Madrid und anderen großen Klubs auch so. Die Bayern waren zehn Jahre eingespielt.

Kohler vermisst Weltklasse bei den Bayern

SPORT1: Wie ist Ihre Meinung über Süle?

Kohler: Er ist ein guter Verteidiger, aber ist Süle wirklich dieser Unterschieds-Spieler? Die Bayern haben in den zurückliegenden Jahren nicht so gut eingekauft wie früher. Den Verein hat immer stark gemacht, dass man deutsche Nationalspieler geholt hat und dazu drei, vier überragende Ausländer wie Ribéry, Robben, Lewandowski oder Martinez. Da hatte man zuletzt nicht immer ein glückliches Händchen. Matthijs de Ligt ist sicher wie Süle ein guter Fußballer, ist Niederländer und hat ordentlich Ablöse gekostet und verdient sicher nicht wenig. Nico Schlotterbeck war auf dem Markt, warum hat man ihn nicht geholt? Er ging dann nach Dortmund. Aber: Wäre der BVB nur Zweiter, hätten alle gesagt Bayern hat alles richtig gemacht.

SPORT1: Was ist ein großes Problem bei den Bayern?

Kohler: Das große Problem vom FC Bayern ist, dass die absolute Weltklasse fehlt. Gnabry, Sané oder Mané wurden geholt, okay, aber das sind doch keine top Spieler wie einst Ribery oder Robben? Diese drei Spieler haben über einen längeren Zeitraum nie 100 Prozent gebracht. Du musst bei Bayern Spieler finden, die diese Mentalität mitbringen Woche für Woche abzuliefern. Auch eine berechtigte Frage: Hat sich Upamecano bei Bayern wirklich verbessert? Nein.

SPORT1: Ist denn Schlotterbeck der kommende Abwehrstar in Deutschland?

Kohler: Er hat in der Hinrunde oft Fehler gemacht, den einen oder anderen Elfmeter verursacht oder war auch öfter an Gegentoren beteiligt. Aber er hat solche Fehler abgestellt und sich deutlich stabilisiert in seinen Leistungen. Für mich ist aber dann einer ein Abwehrstar, wenn er zehn Jahre seine Hausaufgaben macht und nicht eine Halbserie gut spielt. Schlotterbeck ist mit seinen 23 Jahren noch jung und kann ein großer Abwehrspieler werden.

Hoeneß-Video: Kohler verteidigt Bayern-Boss

SPORT1: Wie sehen Sie Matthijs de Ligt?

Kohler: Dieser Spieler war oft verletzungsanfällig. Wenn er gesund bleibt und kontinuierlich starke Leistungen abrufen kann, dann kann er ein Großer werden. Er ist wie Schlotterbeck auch noch jung. Die guten Abwehrspieler sind zwischen 24 und 30 in der Blüte ihrer Jahre.

SPORT1: Kann man das aktuelle Team des BVB mit der Mannschaft aus Ihrer Dortmunder Zeit vergleichen?

Kohler: Nein. Weil sie heute besser aussehen. (lacht laut) Spaß beiseite, das kann man nicht vergleichen, weil es eine ganz andere Zeit war. Der Fußball hat sich sehr verändert und weiterentwickelt.

SPORT1: Ein älteres Video von Uli Hoeneß geistert gerade durch die sozialen Medien. Er sagte damals auf die Frage, wie er den BVB in der nächsten, also in der aktuellen Saison, aufgestellt sieht ‚2. Platz sicher‘.

Kohler: Das wird natürlich rausgeholt. Da muss Hoeneß drüber stehen. Bayern ist durch ihre Mia san mia-Mentalität groß geworden. Es gibt eine nette Geschichte: Als ich damals von Köln nach München wechselte, saß ich mit Hoeneß vor einem Heimspiel am Tegernsee zusammen. Er fragte mich: ‚Wie war es in Köln? Warst du zufrieden mit dem 2. Platz?‘ Ich sagte ‚ja‘ und er meinte nur: ‚Das ist beim FC Bayern anders. Da ist der 2. Platz der Verlierer-Platz.‘ Und diese Aussage macht etwas mit einem Spieler. Bei Bayern München wird es einen Umbruch geben. Ansonsten sehe ich schwarz. Aber der Verein hat schon zu viel für den deutschen Fußball getan.

Kohler nimmt Kahn und Salihamidzic teilweise in Schutz

SPORT1: Oliver Kahn hat vor einem Jahr auf dem Rathaus-Balkon getönt, dass sich der BVB sich in der nächsten, also dieser Saison den Meistertitel abschminken kann. Fällt ihm diese Aussage jetzt auf die Füße?

Kohler: Es muss erstmal der letzte Spieltag gespielt werden. Ich bin 100 Prozent davon überzeugt, dass der BVB gegen Mainz gewinnen wird. Dann war es das für die Bayern. Ich hätte das in der Situation an Kahns Stelle auch gesagt. Das hat nichts mit Arroganz zu tun, sondern mit viel Selbstbewusstsein. Bayern wurde zehn Jahre hintereinander Meister, das war ungewöhnlich.

SPORT1: Ist das Scheitern der Bayern nicht auch ein Scheitern von Hasan Salihamidzic und Kahn?

Kohler: Nein. Brazzo und Kahn haben nicht alles richtig gemacht und sie werden sicher eine Fehler-Analyse machen. Da werden bestimmt Kalle Rummenigge und Uli Hoeneß dabei sein. Aber alles muss bei Bayern nicht umgeschmissen werden. Du brauchst Nachhaltigkeit und Loyalität. Beide empfinden viel für den Klub. Sie leben den FC Bayern. Die Sehnsucht nach Kalle und Uli ist groß. Wenn Brazzo und Olli schlau sind, dann werden sie sich Rat holen bei beiden.

SPORT1: Ist Thomas Tuchel der falsche Trainer für den FC Bayern?

Kohler: Es wäre geschickter gewesen erst nach dieser Saison bei Bayern einzusteigen. Jetzt kann man das aber leicht sagen. Tuchel musste sich schnell entscheiden. Es scheint ein Fehler gewesen zu sein, aber das sagt ja nichts über die Qualität von Tuchel aus. Es sind generell einige Dinge falsch gelaufen.

SPORT1: Wo sehen Sie das Hauptproblem bei Bayern?

Kohler: Dass man vor dieser Runde nicht die richtigen Spieler ausgewählt hat. Diese Nummer mit Toni Tapalovic war nicht gut. Es war der falsche Zeitpunkt. Und der Fünfjahresvertrag für Nagelsmann war ein Riesenfehler. Viele Entscheidungen bei Bayern sind gerade diskutabel.

Kohler sieht keine Parallelen zwischen Klopp und Terzic

SPORT1: Kann Terzic zum neuen Klopp werden?

Kohler: Nein. Weil Klopp einmalig ist und Terzic nichts kopieren sollte. Weil dann bist du immer schlechter als das Original. Terzic wird unabhängig vom Meistertitel seinen Weg gehen, aber einen großen Trainer zeichnen irgendwann große Titel aus. Wenn Terzic in den nächsten zehn Jahren nichts mehr gewinnt, ist er dann ein großer Trainer?

SPORT1: Wie überrascht sind Sie, dass Mats Hummels beim BVB nochmal um ein Jahr verlängert hat?

Kohler: Das habe ich erwartet. Warum auch nicht? Er hat sich offenbar mit der neuen Rolle abgefunden, dass er öfter auch mal nicht gespielt hat. Als er aber zuletzt gebraucht wurde, hat er gut gespielt. Ich finde es in Ordnung, dass er noch ein Jahr dran hängt.