Hans-Jürgen Papier: „Ein Parteiverbot schafft bloß Märtyrer und Spaltung, keine Integration“
Die Ampel will das Bundesverfassungsgericht widerstandsfähiger gegen „Feinde der Demokratie“ machen. Im Interview erläutert der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, was er von dem Vorstoß hält, wie er zu Parteiverboten steht und was ihn trotz allem hoffnungsvoll stimmt.
Aktuell reicht eine einfache Mehrheit im Bundestag aus, um das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht zu ändern. Die Ampel will das Gericht nun „resilienter“ machen und es im Grundgesetz verankern. Sie haben sich für eine solche Änderung ausgesprochen. Warum?
Weil die Regelungen etwa bezüglich der Zusammensetzung des Bundesverfassungsgerichts nicht im Grundgesetz, sondern im sogenannten einfachen Gesetz geregelt sind. Und solche einfachen Gesetze können mit einfacher Mehrheit im Bundestag geändert werden. Mir geht es nicht darum, aus einer Krisenstimmung heraus mit einem Schnellschuss die Verfassung zu ändern. Meine Überlegungen sind getragen von einer langfristigeren Perspektive. Es fehlen Regelungen im Grundgesetz über die Dauer der Amtstätigkeit, über den Ausschluss einer erneuten Wahl, sowie überhaupt Regelungen, die das Bundesverfassungsgericht so institutionalisieren, wie es ihm nach inzwischen unbestrittener Auffassung eigentlich zukommt: Nämlich, dass das Gericht eines der fünf obersten Verfassungsorgane des Bundes ist. Die übrigen Verfassungsorgane – also Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundespräsident – erhalten im Grundgesetz eigene Kapitel und eine umfassende Regelung, das fehlt für das Bundesverfassungsgericht. Derzeit wäre es zum Beispiel möglich, mit einfacher Mehrheit im Bundestag einen neuen, dritten Senat mit dann den politischen Mehrheiten „genehmeren“ Mitgliedern einzurichten, oder die Amtszeit der Richter und Richterinnen zu verlängern, sodass politische Einflussnahmen auf die Zusammensetzung möglich sind – wie wir am Beispiel Polens gesehen haben.
Auch unabhängig von diesem Thema fällt auf, das derzeit viele Debatten über juristische Maßnahmen geführt werden. Erinnert sei nur an den Vorschlag, die AfD zu verbieten oder an die Petition zum Höcke-Grundrechtsentzug, die fast 1,7 Millionen Unterschriften erhielt. Ist dies auch ein Anzeichen dafür, dass eine allgemeine Ratlosigkeit angesichts der Umfragewerte der AfD besteht?
Dass so viele Debatten über juristische Mittel geführt werden, ist schon erstaunlich. Es ist doch zu beobachten, dass wir seit Jahren in der Gesellschaft, aber auch in der Politik, eine Tendenz zum Autoritären feststellen müssen. Das wurde ganz besonders deutlich während der Pandemiezeit. Hier war die Versuchung des Autoritären latent vorhanden und hat sich in einem massiven Regelwerk mit Verboten geäußert. Und das Gleiche stellen wir in Bezug auf den politischen Extremismus fest. Im Bereich der Politik, aber auch zivilgesellschaftlich und medial – weniger unter Juristen – besteht die Tendenz, sich mit juristischen Verboten zu wappnen, um die Demokratie zu schützen. Das Parteienverbot ist im Artikel 21 des Grundgesetzes ja ausdrücklich vorgesehen und wichtiges Mittel einer sogenannten wehrhaften Demokratie. Wie das Bundesverfassungsgericht einmal gesagt hat, ist es die schärfste, aber auch die zweischneidigste Waffe der rechtstaatlichen Demokratie gegen ihre organisierten Feinde. Es ist ein Instrument zum Schutz der Demokratie, das an sich undemokratische Mittel einsetzt. Denn durch das Verbieten einer Partei wird von staatlicher Seite in den politischen Willensbildungsprozess eingegriffen. Es wird einem Teil der Bevölkerung praktisch das Wahlrecht genommen; Wähler können natürlich die nicht-verbotenen Parteien wählen, aber es ist dennoch ein massiver Eingriff in die demokratischen Rechte. Das will daher gut überlegt sein.
Wodurch ist garantiert, dass diese „zweischneidige Waffe“ nicht für politische Zwecke missbraucht wird?
Es ist eine wichtige Lehre aus der Geschichte, zum Schutz der Demokratie auch undemokratische Mittel zuzulassen. Weil diese Mittel aber so zweischneidig sind, stellt die Verfassung sehr strenge Voraussetzungen auf, um zu verhindern, dass politische Mehrheiten die Möglichkeit haben, die politische Konkurrenz auszuschalten. Um einige der Voraussetzungen zu nennen: Zum einen ist die Befugnis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei und die Verhängung eines Verbotes beim Bundesverfassungsgericht konzentriert. Politische Einflussnahme ist dabei also nicht möglich. Außerdem muss bewiesen werden, dass die Partei einen Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung führt. Und drittens muss hinzukommen, dass die Partei – und zwar in Gänze, nicht nur in Einzeläußerungen – die Grundprinzipien des Rechtsstaates und der Demokratie nicht nur mit Meinungen und Bekenntnissen attackiert, sondern mit einer kämpferisch-aggressiven Haltung. Die Voraussetzungen sind also streng. Ich empfehle nur dann einen solchen Antrag zu stellen, wenn die Antragsteller diese Voraussetzungen auch wirklich beweisen können. Ich persönlich bin, mit Ausnahme von extremen Fällen der eindeutigen Verfassungsfeindlichkeit einer Partei, der Meinung, dass der Weg des argumentativen Bekämpfens der sinnvollere ist. Der Weg des Verbotes ist möglicherweise einfacher, aber er schafft keine größere Akzeptanz der parlamentarischen Demokratie. Ein Verbot schafft bloß Märtyrer und Spaltung, keine Integration.
Mit dem Mittel der inhaltlichen Auseinandersetzung haben die etablierten Parteien aber bisher kaum Erfolg. Welche Themen sind Ihrer Meinung nach entscheidend, um der Demokratieverdrossenheit entgegenzuwirken und Vertrauen in die Politik zu stärken?
Ich glaube, dass wir weniger eine Politikverdrossenheit beklagen müssen, sondern eine Politiker- oder Parteienverdrossenheit. Diese hat ihren Ursprung in der kritikwürdigen Ausübung des gegenwärtigen politischen Systems. Die parlamentarische Demokratie ist getragen von dem Gedanken der Repräsentation, also dass das Volk nicht unmittelbar entscheidet, sondern dass es Repräsentanten wählt, die zwar nach eigenem Gewissen, aber in Vertretung des Gesamtvolkes, entscheiden. Und hier gibt es Fehlentwicklungen in den letzten 15 bis 20 Jahren. Man glaubte lange, Repräsentation stelle sich schon von allein ein, und man verstand es als juristisches Instrument, um die Demokratie überhaupt handhabbar zu machen. Aber Repräsentation darf nicht nur auf dem Papier stehen, nicht nur ein formales, juristisches Zuordnungsinstrument sein, sondern es muss tatsächlich gelebt werden. Es muss in der praktischen Politik mit Substanz ausgefüllt sein. Wenn sich aber ein beachtlicher Teil der Bevölkerung nicht mehr repräsentiert fühlt, weil deren Interessen und Belange schlicht ignoriert oder ganz unzulänglich aufgegriffen werden, dann entstehen solche Repräsentationslücken – und damit Einfallstore für Extremisten, die das ganze System der Repräsentation in Frage stellen und damit sehr schnell auf Zustimmung stoßen.
Bei welchen Themen sehen Sie ein solches Versagen?
Die tradierten Volksparteien der Mitte haben etwa beim Beispiel Migrationspolitik seit etwa 15 bis 20 Jahren die Forderungen und Belange eines erheblichen Teils der Bevölkerung nicht aufgegriffen. Und eine wirklich grundlegende Lösung ist bis heute nicht erfolgt. Natürlich ist einiges heute gar nicht mehr auf nationalstaatlicher Ebene lösbar, sondern nur europäisch. Aber dennoch ist auch hier ein Unterlassen der Politik festzustellen. In anderen EU-Staaten ist das Thema bereits viel stärker angegangen worden als in Deutschland.
Wie blicken Sie auf den Umstand, dass sich immer mehr Länder von rechtstaatlichen Prinzipien verabschieden?
Ein Blick in die Welt nötigt uns anzuerkennen, dass autoritäre Bestrebungen überall zunehmen, wie wir etwa am erschreckenden Beispiel Russlands sehen. Als Präsident des Bundesverfassungsgerichts war ich mehrfach beim russischen Verfassungsgericht, und es gab damals wirklich brauchbare Ansätze für die Einführung einer liberalen, rechtstaatlichen Demokratie. Die Entwicklung zum Autoritären, wie sie sich heute ereignet, war damals nicht abzusehen. Auch China hatte ich – natürlich mit schwächeren Erwartungen – besucht. Auch dort hatte es Ansätze einer rechtsstaatlichen Entwicklung gegeben. Das ist heute alles vorbei, und andere Staaten brauche ich erst gar nicht aufzuführen.
Woher kommt diese Tendenz zum Autoritären, die sich vielerorts Bahn bricht?
Solche Entwicklungen zum Autoritären vollziehen sich stufenweise: Für Demokratien ist die Entstehung von Zuschauerdemokratien gefährlich, wo die Leute eigentlich zwar wissen, dass Politik wichtig ist, gleichzeitig aber unbeteiligt vom Fernseher aus zusehen. Und die nächste Stufe ist dann, dass in Teilen der Bevölkerung nicht nur eine politische Abstinenz vorherrscht, sondern echter Hass und Feindschaft gegenüber dem Staat entstehen. Dieses Entstehen echter Feindschaft gegenüber dem Staat, wie wir es heute beobachten, ist brandgefährlich. Denken Sie nur an verschiedene Auswüchse bei den Bauernprotesten, oder an die teilweise sehr aggressiven Proteste gegen Israel im Gaza-Konflikt.
Ich bin Teil der „Generation Z“ (Geboren um das Jahr 2000) und empfinde meine Generation als sehr politisch – eher aber in dem Sinne, dass es uns auf die Straße als in Parteien treibt …
Es reicht aber nicht, einmal in der Woche auf eine Demonstration zu gehen, so wichtig das auch sein mag; man muss sich auch für das Gemeinwohl, für die demokratische Ordnung engagieren. Nötig ist ein stärkeres Engagement für die Gemeinschaft und für staatliche Belange; sonst ist die Demokratie langfristig der Erstarrung und womöglich sogar dem Tod geweiht. Vielleicht ist diese Fehlentwicklung auch unvermeidbar. Aber man sollte verstehen, dass unsere Demokratie – ich will sagen: notwendigerweise – eine repräsentative Demokratie ist. In einer solchen mittelbaren Demokratie fallen Entscheidungen nicht auf der Straße, auch nicht in Ersatzparlamenten wie Sachverständigengremien. Sie haben im Parlament zu fallen. Und der Parlamentarismus ist in einem großen Land wie Deutschland ohne Parteien nicht denkbar. Und so steht und fällt alles mit einer Stärkung der Akzeptanz demokratischer Parteien und dem Engagement in und für diese demokratischen Parteien.
Sie sind also skeptisch gegenüber Bürgerinitiativen, die behaupten, wir bräuchten „mehr“ Demokratie – also Bürgerräte oder andere direkte Formen der Beteiligung?
Ja, ich bin ein entschiedener Gegner solcher Hilfskonstruktionen. Was hier passiert, ist, wichtige Fragen der politischen Gestaltung aus dem Parlament herauszunehmen und sogenannten „unabhängigen“ Gremien zu übertragen. Das fing mit der sogenannten Hartz-Kommission an, wogegen ich mich auch damals schon gewandt habe. Die Entscheidung der Gestaltung von Sozialhilfen, Arbeitslosenhilfen usw. einem externen Gremium faktisch zu übertragen, war ein Fehler. Allein schon zu meinen, dass in solchen Gremien allein ein „wissenschaftlicher Sachverstand“ waltet, ist eine naive Vorstellung. Auch in solchen Ausschüssen spielen Parteien und Interessen eine wesentliche Rolle. Daher bin ich ein entschiedener Gegner der Entparlamentarisierung der Politik, die sich im Bestreben zeigt, das kränkelnde parlamentarische System durch die Schaffung von Bürgerräten oder anderer Gremien außerhalb des Parlamentes zu reparieren.
Viele Menschen haben heute das Gefühl, unsere Demokratie sei der Vielzahl an Herausforderungen nicht mehr gewachsen. Soziologen sprechen von einer „Polykrise“: Also einer Überlagerung von Klimakrise, großen Flüchtlingsbewegungen, einer Weltordnung in Wandel, der rasanten Entwicklung künstlicher Intelligenz mit Konsequenzen für Wirtschaft und Öffentlichkeit. Sie waren höchster Richter der Bundesrepublik und haben die gesamte Bundesrepublik miterlebt: Was stimmt Sie, trotz all dem, hoffnungsvoll?
Ich bin nicht von Pessimismus und Untergangsstimmung beseelt, wie manch andere Personen der medialen Öffentlichkeit. Es ist ja nicht so, als wären die früheren Jahrzehnte der Bundesrepublik spannungsfrei verlaufen. Als jemand, der in West-Berlin aufgewachsen ist, habe ich als Kind und Jugendlicher ganz erhebliche politische Krisen miterlebt. Etwa die Krise um Berlin, oder die Kuba-Krise, wo wir als Menschheit wirklich am Abgrund einer Weltvernichtung standen. Aber ja, die globalisierte und digitalisierte Welt bringt in sehr viel engeren Zeitabständen neue Herausforderungen hervor. Aber wenn ich daran denke, wie vor 10 oder 15 Jahren etwa Fachleuten der Digitalwirtschaft vortrugen, dass Deutschland im Begriff sei, die wichtige Transformation zu verschlafen – da kann doch nicht die Rede davon sein, man hätte von dieser Entwicklung nichts gewusst und sei ganz ohnmächtig in diese Krisen geworfen! Vieles ist eben nicht so überraschend gekommen, dass die Politik nichts hätte tun können – etwa bei der Digitalisierung, der Bildung, der Migration, den Wohnungsproblemen, der maroden Infrastruktur. Viele Probleme sind auch hausgemacht.
Das klingt nun aber nicht unbedingt hoffnungsvoll …
Man darf die Erwartung an die Problembewältigungsfähigkeit des Staates nicht zu hochschrauben. Der Staat ist nicht Garant eines risikofreien Lebens. Einer der ersten Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts, Fritz Werner, sagte einmal, die Deutschen neigten dazu, Schicksal als einklagbaren Rechtsverlust zu verstehen. In einem freiheitlichen Staat ist vieles aber auch Aufgabe des Einzelnen. Er hat nicht nur Rechte, sondern auch Verantwortung für sich und die Gemeinschaft. In seiner Rede Von deutscher Republik sagte Thomas Mann 1922 den Satz: „Freiheit ist kein Spaß und Vergnügen (…). Ihr anderer Name lautet Verantwortlichkeit“. Dies galt damals und es gilt auch heute. Wenn dies wieder stärker in das Bewusstsein der Menschen gebracht wird, dann bin ich zuversichtlich, dass Deutschland und Europa auch weiterhin den autoritären Tendenzen, wie sie sich weltweit zeigen, widerstehen werden. Was wir heute in der Ukraine sehen, zeigt doch, dass der Wille zur Freiheit und Selbstbestimmung noch immer ein wichtiger Faktor ist. Mir scheint, viele von uns waren zu Beginn des Krieges 2022 wirklich überrascht, wie stark dieser Wille und damit die Bereitschaft der ukrainischen Bevölkerung war, dem Angriff Russlands entgegenzutreten. Das schicksalhafte Sich-Ergeben, worauf die russische Führung sicherlich gesetzt hatte, hat sich nicht ereignet. Es hat sich gezeigt, wie stark die Idee der Freiheit auch heute noch wirkt, wenn diese Freiheit ernsthaft bedroht ist. •
Weitere Artikel
Wer sind "Wir"?
Als Angela Merkel den Satz „Wir schaffen das!“ aussprach, tat sie dies, um die Deutschen zu einer anpackenden Willkommenskultur zu motivieren. Aber mit der Ankunft von einer Million Menschen aus einem anderen Kulturkreis stellt sich auch eine für Deutschland besonders heikle Frage: Wer sind wir eigentlich? Und vor allem: Wer wollen wir sein? Hört man genau hin, zeigt sich das kleine Wörtchen „wir“ als eine Art Monade, in der sich zentrale Motive zukünftigen Handelns spiegeln. Wir, die geistigen Kinder Kants, Goethes und Humboldts. Wir, die historisch tragisch verspätete Nation. Wir, das Tätervolk des Nationalsozialismus. Wir, die Wiedervereinigten einer friedlichen Revolution. Wir, die europäische Nation? Wo liegt der Kern künftiger Selbstbeschreibung und damit auch der Kern eines Integrationsideals? Taugt der Fundus deutscher Geschichte für eine robuste, reibungsfähige Leitkultur? Oder legt er nicht viel eher einen multikulturellen Ansatz nahe? Offene Fragen, die wir alle gemeinsam zu beantworten haben. Nur das eigentliche Ziel der Anstrengung lässt sich bereits klar benennen. Worin anders könnte es liegen, als dass mit diesem „wir“ dereinst auch ganz selbstverständlich „die anderen“ mitgemeint wären, und dieses kleine Wort also selbst im Munde führen wollten. Mit Impulsen von Gunter Gebauer, Tilman Borsche, Heinz Wismann, Barbara Vinken, Hans Ulrich Gumbrecht, Heinz Bude, Michael Hampe, Julian Nida-Rümelin, Paolo Flores d’Arcais.
Jan-Werner Müller: „Der Kulturkampf der Republikaner ist ein Ablenkungsmanöver“
Präsident Trump erkennt seine Wahlniederlage noch immer nicht an und verschärft so die Spaltung des Landes. Was hinter der polarisierenden Politik der Republikaner steht und warum die Demokraten eine wichtige Chance vergeben haben, um diese zu stoppen, erläutert der in Princeton lehrende Populismusforscher Jan-Werner Müller im Gespräch.
Hans Jörg Sandkühler: »Es hat uns nicht interessiert«
Die Gleichschaltung der deutschen Universitäten machte auch vor der Philosophie nicht halt. Unter den Philosophen, die nicht in die Emigration gingen, gab es kaum einen, der sich nicht dem nationalsozialistischen System angepasst hätte. Über Jahrzehnte verdrängte man nach dem Krieg die Tatsache, dass dieselben Personen, die sich in den 1930er Jahren noch zum Nationalsozialismus bekannt hatten, den Wiederaufbau der philosophischen Institute in der Bundesrepublik übernahmen. Interview mit Hans Jörg Sandkühler von Catherine Newmark.
Das Ende der Stellvertretung und die direkte Zukunft der Demokratie
Die repräsentative Demokratie lässt das Projekt der Aufklärung unvollendet. Statt selbst über unsere undelegierbaren Angelegenheiten zu entscheiden, setzen andere für uns Zwecke. Ein Plädoyer für den Ausbruch aus der institutionalisierten Unmündigkeit und mehr direkte Demokratie von Andreas Urs Sommer.
Bernhard Pörksen: „Trumps Erfolgsrezept ist die Gleichzeitigkeit von Total-Verwirrung und Brachial-Orientierung“
Der Sturm auf das Kapitol war wohl einer der letzten Tiefpunkte von Donald Trumps Präsidentschaft. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen erläutert im Interview, warum die Spaltung der Gesellschaft aber auch künftig Trumps Geschäftsmodell bleiben könnte und weshalb die „sanfte Ignoranz der Idiotie“ eine Zukunftsaufgabe des Qualitätsjournalismus ist.
Jürgen Habermas: „Es gibt keine unbeweglichen Identitäten“
Der bekannteste lebende Vertreter der Kritischen Theorie ist eine der einflussreichsten intellektuellen Stimmen der Gegenwart. Im Interview erinnert sich Jürgen Habermas an Theodor W. Adorno – und spricht über die großen Themen unserer Zeit: Coronakrise, Rechtsruck, Identitätspolitik und die Zukunft Europas.
Paul-Philipp Hanske: „In der Ekstase blitzt die Möglichkeit einer belebten Welt auf“
Seit jeher nutzen wir Pflanzen, um uns in andere Bewusstseinszustände zu versetzen. Der Soziologe Paul-Philipp Hanske, selbst ein Freund der Ekstase, erläutert im Interview, warum die Geschichte unserer Spezies eng mit psychoaktiven Pflanzen verwoben ist.
Wider die militarisierte Demokratie
Die von der Ampelkoalition angekündigte Aufrüstung Deutschlands ist ein historischer Fehler, meint Daniel Loick. Denn eine militarisierte Demokratie sei die Keimzelle für Autokratien. Mit Rosa Luxemburg setzt der Philosoph auf einen Frieden von unten.