Das Private ist politisch – Giffey bekommt es zu spüren

Das Private ist politisch – Franziska Giffey bekommt es zu spüren

Franziska Giffeys Ehemann wurde als Beamter entlassen. Was bedeutet das für die politische Karriere der Familienministerin?

Berlin-Franziska Giffey, Bundesfamilienministerin und eine Hoffnungsträgerin der SPD, ist 41 Jahre alt, also etliche Jahre zu jung, um mit einem Slogan der Studentenbewegung aufgewachsen zu sein: Das Private ist politisch,so hieß es damals – gemeint war, dass der doch eigentlich private Umgang von Mann und Frau gesellschaftlich relevant ist. Doch es kann gut sein, dass Franziska Giffey den Spruch, der ja bis heute wahr ist, jetzt in aller Härte kennenlernt. Wie es aussieht, könnte eine Verfehlung ihres Ehemanns ihre öffentlichen Ambitionen gefährden.

Franziska Giffey.
Franziska Giffey.dpa

Am Donnerstag berichtete der Branchendienst Business Insider, dass Giffeys Ehemann, ein verbeamteter Veterinärmediziner des Landes Berlin, aus dem Amt entfernt wird. Er hat nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Dienstzeiten falsch aufgeschrieben und abgerechnet.

Der Fall könnte Franziska Giffeys Karriere gefährden

Jetzt stellen sich einige Fragen: Was bedeutet das für Franziska Giffey? Wusste sie womöglich davon? Kann sie jetzt noch darauf hoffen, bei der Bundestagswahl SPD-Kanzlerkandidatin oder erneut Ministerin zu werden, wenn es für die Sozialdemokraten erneut zu einer Regierungsbeteiligung reichen sollte?

Könnte sie, wenn sie wollte, noch in Berlin Michael Müller an der Spitze der Berliner Landes-SPD ablösen und damit ersten Zugriff auf die Spitzenkandidatur fürs Rote Rathaus haben? Und was wissen wir eigentlich über den Mann, dessen vermeintliche Verfehlungen – das Urteil ist noch nicht rechtskräftig – jetzt die Karriere seiner Frau gefährden können?

Giffeys Ehemann soll Dienstzeiten falsch aufgeschrieben haben

Das Paar hat 2008 geheiratet. Viel mehr ist über diese Ehe kaum bekannt. Im Internet findet sich ein freundlicher Bericht der Bild-Zeitung zur Ernennung Giffeys zu Neuköllns Bezirksbürgermeisterin 2015. In dem Artikel kommt auch der Ehemann zu Wort. Er sagt, er sei „absolut stolz auf sie“. Sonst findet sich bis auf einige teils schwer zuzuordnende Fotos nichts über Giffeys Mann im weltweiten Netz. Wir wissen nicht, ob er ein guter Veterinärmediziner ist. Wir wissen nicht einmal, was seine Aufgabe bei der Lebensmittelaufsicht im Landesamt für Gesundheit und Soziales ist. Wieso auch? Der Mann ist einer unter Zehntausenden Berliner Beamten. Solche Leute stehen selten in der Zeitung. Er soll Dienstzeiten falsch aufgeschrieben haben, sagt das Gericht. Wie viele Beamte tun das?

Die Senatssozialverwaltung als dienstführende Behörde gibt zu „Einzelpersonalangelegenheiten“ keine Auskunft. Aus dem Familienministerium heißt es: „Die Ministerin äußert sich nicht zu persönlichen Angelegenheiten von Familienmitgliedern.“

Wir wissen nicht, ob Giffeys Mann während seiner Laufbahn im Öffentlichen Dienst von seiner Ehe mit der Politikerin profitiert hat. Wir wissen auch nicht, ob ihm das auch schon geschadet hat, weil Vorgesetzte ihn anders behandelt haben als Kollegen, aus Furcht vor dem Geruch der Begünstigung. Ist er am Ende vielleicht angeschwärzt worden, weil er mit einer Prominenten verheiratet ist? Neid ist ein starker Antrieb.

Nur wenige Disziplinarverfahren enden mit Entfernung aus dem Dienst

Wir wissen, dass es im Disziplinarrecht fünf Stufen gibt. Die niedrigste ist ein Verweis, den die Behörde selbst verhängen kann – das gilt auch für die Geldbuße und die Kürzung von Dienstbezügen beziehungsweise des Ruhegehalts. Ab Stufe 4, der Zurückstufung, ist das Verwaltungsgericht zuständig. Nur die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis steht noch darüber.

Wir wissen, dass ein Richter des Berliner Verwaltungsgerichts Verfehlungen erkannt hat, die ihn dazu veranlasst haben, Giffeys Mann aus dem Dienst zu entfernen. Wir wissen, dass das selten vorkommt. Nach Aussage eines Gerichtssprechers enden von den etwa 100 Disziplinarverfahren pro Jahr vor dem Verwaltungsgericht „fünf bis zehn“ mit einer Entfernung aus dem Dienst. Im konkreten Fall liegt noch keine schriftliche Urteilsbegründung vor. Sobald es die gibt, wird Giffeys Mann wohl über eine mögliche Berufung entscheiden.

Giffeys Ehemann kann nichts dafür, dass er mit einer Politikerin verheiratet ist

Giffeys Mann ist keine Person der Zeitgeschichte, deshalb nennt die Berliner Zeitung seinen Namen nicht. Wucht und öffentliche Aufmerksamkeit erhält der Fall durch seine Ehe. Wäre er nicht mit einer Politikerin verheiratet, änderte das zwar nichts an seiner mutmaßlichen Verfehlung, aber der Fall hätte kein politisches Gewicht. Der Verurteilte kann nichts dafür, dass seine Frau Politikerin ist. Man kann das tragisch nennen. Das müsste aber erst recht für Franziska Giffey gelten. Auch sie kann nichts dafür, dass ihr Mann verurteilt wurde. Sippenhaft mag keine juristische Kategorie sein. Vielen wird das jedoch egal sein, sie bilden sich Urteile. Erst recht bei einer Ministerin, die gerade erst glimpflich aus einer Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit gekommen ist. Hätte sie nun von sich aus erklären sollen, dass ihr Mann bereits am 12. Dezember ein schwieriges Urteil entgegennehmen musste. Oder ist das auch bei einer so prominenten Politikerin absolute Privatsache?

Bei Veranstaltungen strahlte Giffey zuletzt wie eh und je, gut gelaunt, einen lockeren Spruch mit Berliner Akzent auf den Lippen. Beim SPD-Bundesparteitag im Dezember bekam sie von den Genossen Rückenwind. Sie wurde im ersten Wahlgang in den Vorstand gewählt. Das schaffte nicht mal Außenminister Heiko Maas, der zwei Wahlgänge brauchte.

Bei dieser Gelegenheit hielt sie leidenschaftliche Reden, geschickt unterfüttert mit Bemerkungen wie diesen: „Ich mache das hier nicht, weil ich an meinem Amt klebe. Ich glaube, ich habe dieses Jahr bewiesen, dass ich das nicht tue.“ Ein Hinweis darauf, dass Giffey angekündigt hatte, von ihren Ämtern zurücktreten zu wollen, falls ihr der Doktortitel aberkannt werden sollte.

Stroedter: Die Causa Giffey ist privat

Aus der Berliner SPD hört man am Tag nach Bekanntwerden des Urteils gegen ihren Mann, dass man Politik und Privates trennen müsste – und dass genau das in der Praxis ziemlich schwierig sei. Vize-Fraktionschef Jörg Stroedter betonte im Gespräch mit der Berliner Zeitung, dass die Causa Giffey privat sei. „Politiker sollte man an ihrer persönlichen Leistung messen und an nichts anderem. Und Giffey macht einen hervorragenden Job als Ministerin – so wie sie es auch   als Bezirksbürgermeisterin gemacht hat“, so Stroedter.

„Man kann Frau Giffey nicht über das Verhalten ihres Mannes beurteilen“

So sieht es auch der SPD-Umweltpolitiker Daniel Buchholz. „Frau Giffey ist die Person in der Öffentlichkeit und nicht ihr Ehemann. Man kann Frau Giffey nicht über das Verhalten ihres Mannes beurteilen, das ist ungerecht“, sagt er. Klar sei aber auch, dass die Öffentlichkeit hier kaum trenne. „Das wird man nicht verhindern können. Fair ist es aber nicht“, sagte Buchholz der Berliner Zeitung.

Clara West, ebenfalls stellvertretende Fraktionsvorsitzende, glaubt, dass man die Sicht auf Politiker nicht direkt beeinflussen könne. Man könne nur dafür werben, dass man im Umgang mit ihnen menschlicher agiere. „Ich würde mir wünschen, dass auch die Öffentlichkeit ihre Ansprüche an Politiker mehr der Realität anpasst“, sagte West. Privates bleibe in der Politik selten so privat, wie man es gern hätte. Auch sie habe diese Erfahrung schon machen müssen. „Meine Familie und ich wurden dafür kritisiert, dass wir in den Urlaub fahren. Dürfen mein Mann und mein Kind nicht in den Urlaub fahren, weil ich Politikerin bin? Die Familie wird immer einbezogen.“