40 Jahre „Piece Of Mind“ von Iron Maiden: Rülpser, Satan und Karibik

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40 Jahre „Piece Of Mind“ von Iron Maiden: Rülpser, Satan und Karibik

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Foto: Paul Natkin/Getty Images

Piece Of Mind ist das Album, an das man denkt, wenn man von NWOBHM spricht. Vor 40 Jahren entfesseln Iron Maiden einen Klassiker, das die ruppige Naivität ihrer Frühphase mit der Monumentalität ihrer späteren Epen kreuzt – entstanden in einem leerstehenden Hotel.

von Björn Springorum

 Im Winter 1982 setzen ein paar langhaarige Briten von Englands Südküste auf die Kanalinsel Jersey über. Es ist Nebensaison, die windumtoste Insel praktisch menschenleer, die Strände verlassen, die Promenade eingemottet. Die Langhaarigen fallen ins Hotel Le Chalet ein, geschlossen zu dieser unwirtlichen Jahreszeit. In allerbester Shining-Manier füllen sie die langen Korridore (und die Bar!) mit Leben, schleppen ihre Instrumente ins Restaurant und fangen an zu spielen.

Der Heavy Metal lernt laufen

Die Band ist Iron Maiden. Und die Songs, die im Hotelrestaurant auf einer stürmischen Insel mitten im Ärmelkanal zwischen England und Frankreich entstehen, werden irgendwann deren viertes Studioalbum Piece Of Mind, eines der besten Werke ihrer langen und ruhmreichen Laufbahn. Diese Laufbahn kommt so langsam richtig ins, nun, Laufen: Im März 1982 veröffentlichen Maiden The Number Of The Beast, ihr erstes Album mit ihrem neuen Sänger Bruce Dickinson. Die Platte stürmt an die Spitze der UK-Charts, macht die Band auch außerhalb von Szenekreisen berühmt und berüchtigt.

Vom Regen auf die Bahamas

Mit ordentlich Vorschuss in der Tasche, mit jeder Menge Bock und Motivation und mit dem brandneuen Drummer Nicko McBrain in ihren Reihen werden Songs gedengelt und geklöppelt, die längst in den Heavy-Metal-Kanon übergegangen sind. Wir sagen nur The Trooper. Im Februar siedelt die Band dann vom nasskalten englischen Winter in die sonnige Karibikgewässer über. Ihr nächstes Reiseziel: Die Bahamas. Man gönnt sich ja sonst nichts. Klar gibt’s da Schirmchendrinks, Strände, Schwimmen mit Schweinen und leichtes Leben, doch Iron Maiden sind sogar zum Arbeiten hier: In den 1977 eröffneten Compass Point Studios soll das vierte Album Gestalt annehmen.

Es ist Maidens erster Trip auf die Bahamas, eine Entscheidung, die zu dieser Zeit viele Bands treffen. Die Compass Point Studios werden spätestens 1980 weltberühmt, als die Welt erfährt, dass Back In Black hier entstanden ist. Es ist der Place to be für Gitarrenmusik – lange Abende in den Strandpinten inklusive. Im März ist das Ding im Kasten, gemixt wird in den Electric Lady Studios in New York City, am 16. Mai 1983 steht es auch schon in den Läden – mit einer standesgemäß muskulösen, vor Kraft nur so strotzenden Produktion.

Ende einer Ära

Piece Of Mind ist eine Wasserscheide, das Ende einer Ära und der Beginn einer neuen, komprimiert in einem druckvollen Werk. Die ruppige Naivität von Killers schimmert hier immer noch durch, ebenso die fast schon punkigen Gangshouts und polternden Drums der frühen Tage; gleichzeitig kommt es zum vielleicht ikonischsten Einsatz der berühmten Twin-Gitarren überhaupt – Blaupause für Band und Genre gleichermaßen. Die Gitarren feuern eine Klassikersalve nach der anderen ab, McBrain spielt die Drums so hart, dass man fast meint, neben ihm zu stehen, Bruce Dickinson zeigt stimmlich noch mehr als auf The Number Of The Beast. Vom wuchtigen Opener Where Eagles Dare mit seinen genialen Drum-Fills über das hymnische Fight Of Icarus bis zum Übersong The Trooper ist das hier destillierte Maiden-Folklore, das Epitom in Sachen NWOBHM schlechthin.

Rückwärts rülpsen

Manch einer mag The Number Of The Beast vorziehen, manch einer kann Powerslave mehr abgewinnen. Genau zwischen diesen beiden Meisterwerken ruht aber eben Piece Of Mind, ein Album, das das Gestern mit dem Morgen verbindet. Was auf heutigen Platten hin und wieder zu verkopft, zu ausladend wirkt, ist hier stimmig, kohärent, da, wo es hingehört. Strahlender Beweis dafür ist die lange Abschlusshymne To Tame A Land, das mit ausgedehnten Instrumentalpassagen, Pathos und jubilierender Stimmung ganz nach oben in den Maiden-Kanon gehört. Humor beweisen die Briten auch: Als Reaktion auf die insbesondere in den USA schwelende Satanic panic rund um die Band spricht Nicko McBrain einen Nonsenssatz rückwärts ein und endet ihn mit einem saftigen Rülpser.

Ab dem Opener Where Eagles Dare, symbolischerweise von einem fetten Drum-Einsatz begonnen, damit auch jeder gleich kapiert, dass hier ein neuer hinter der Schießbude sitzt, machen Iron Maiden klar, dass sie gekommen sind, um zu bleiben. Die neue Übermacht des Heavy Metal ist endgültig etabliert, spielt 139 Konzerte auf einer dicken Welttournee – und legt nur 16 Monate später mit Powerslave nach. Goldene Ära, ganz klar.

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Zeitsprung: Am 14.4.1980 veröffentlichen Iron Maiden ihr legendäres Debüt.

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