Oktoberfest 2014 : „Dirndltauglich ist ein Kompliment“ - WELT
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„Dirndltauglich ist ein Kompliment“

Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ist bereit für die Wiesn Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ist bereit für die Wiesn
Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ist bereit für die Wiesn
Quelle: Alex Trebus
Ohne Dirndl kommt man beim Oktoberfest nicht mehr aus. Mit der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner sprachen wir über Trachtenmode, das Frauenbild in Bayern und gut verpackte Dekolletés.

Sie ist für das Oktoberfest der Landesvertretung nach Berlin gekommen. Die bayerische Wirtschaftsministerin und oberbayerische CSU-Chefin Ilse Aigner gilt neben Markus Söder als aussichtsreichste Kandidatin, einmal nach Horst Seehofer bayerische Ministerpräsidentin zu werden. Für ein Foto im Dirndl am „Café am Neuen See“ und anschließendem Gespräch über Traditionen und Tracht im Hotel „Das Stue“ nahm sie sich vor der Feier Zeit.

ICON: Frau Aigner, können Sie sich noch an Ihr allererstes Dirndl erinnern?

Ilse Aigner: Wie damals in den Familien üblich, war es ein von den älteren Schwestern durchgereichtes Dirndl, ich glaube es war grün.

Sie sind traditionell mit Dirndl aufgewachsen?

Damals war es nicht so wie heute selbstverständlich, in Tracht zur Firmung oder zum Schulabschluss zu gehen. Der Trend hat in den letzten Jahren eher wieder zugenommen.

Wie haben Sie persönlich das Comeback des Dirndls erlebt?

Ich habe in meinen Zeiten als Abgeordnete an den Abschlussklassen sehen können, wie sich jedes Jahr das Bild verändert hat. Vielleicht ist es einfach eine Rückbesinnung auf die Heimat, weil die Globalisierung zugenommen hat. Das betrifft übrigens auch viele, die bei uns ihre neue Heimat gefunden haben und das schick finden.

Das Dirndl ..

Darf ich Sie kurz unterbrechen, der formalen Korrektheit wegen. Ein „Dirndl“ ist ein junges Mädchen, was Sie meinen, nennt sich eigentlich Dirndlgewand.

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Oh, Entschuldigung. Sie selbst tragen sehr traditionelle Dirndlgewänder. Unter dem Oberbegriff versteht man aber heute vieles. Ein modischer Ausflug reizt Sie nicht?

Die schlichte Schickheit ist mir persönlich lieber, aber das muss jeder für sich selbst herausfinden, ich mache niemandem Vorschriften. Ich komme aus der traditionellen Ecke und finde sie persönlich schöner. Was unter dem Begriff Landhausdirndl angeboten wird, ist nicht so mein Geschmack.

Bei so einem Fashion-Dirndl von Karl Lagerfeld oder Escada und ihren mit Kristallsteinchen besetzten durchsichtigen Schürzen graust es doch jeden richtigen Bayern, oder?

Es ist nicht mein Stil und ich finde es schöner, wenn manches gut verpackt ist, statt frei zu liegen. Verpackte Geschenke sind immer schöner als offene.

Sie haben den Landhausstil erwähnt, das sind diese Sackleinen-Dirndl, die mehr nach Mittelalterspektakel und Wanderhure ausschauen. Der Look scheint richtig out zu sein?

In der Tat. Aber man muss grundlegend zwischen all den durchsichtigen Glitzerdirndln und den traditionellen, teilweise bis 200 Jahre alten Gebirgstrachten der Trachtenerhaltungsvereine unterscheiden, deren Schirmherrin ich bin und die teilweise sehr aufwendig und sehr teuer sind. Für aktive Trachtler ist manches, was unter Tracht deklariert wird, schwierig, sehr schwierig.

Tragen Sie das Kirchengewand?

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Nein, aber ich habe mir einmal einen Schalk ausgeliehen, als Reverenz zum Berggautrachtenfest in meiner Heimat. Das hat auch etwas mit Respekt vor den Leistungen der Vereine zu tun, die sehr viel Jugendarbeit leisten.

In der Tracht manifestieren sich wie selten heute noch die Geschlechtergrenzen. Wie passt das in die heutige Zeit der Egalisierung?

Das weiß ich jetzt nicht. Wenn ich heute auf eine Gala gehe, habe ich auch noch keine Frau im Smoking gesehen oder einen Mann im Abendkleid. Ich glaube, dass das etwas mit Festlichkeit zu tun hat. Tracht ist halt unglaublich kleidsam, egal welche Statur eine Frau hat, sie schaut darin gut aus.

Die Tracht vermittelt also kein antiquiertes Frauenbild?

Ich verstehe die Argumentation nicht, wenn eine Frau einen schönen Rock oder ein Kostüm anhat, ist das halt ansehnlich. Man muss ja nicht immer den Hosenanzug rausholen.

In Bayern gibt es sehr deftige Bräuche. Ich habe einmal versucht, einer Freundin aus Hamburg den Bixnmacherbrauch (Bixn = despektierlich für Mädchen) zu erklären, bei dem bei der Geburt einer Tochter die Straße mit leeren Konservendosen gesäumt wird. Sie war entsetzt.

So ist es nicht. Es wird halt generell, wenn ein Kind auf die Welt kommt, einmal so und einmal so gratuliert. Bei Mädchen werden die Büchsen aufgehängt. Man muss das mit einem gewissen Augenzwinkern sehen und nicht so bierernst. Da sind wir viel entspannter, als manche meinen. Früher war das anders, weil es nicht der Stammhalter war.

In Genderfragen wird heute auf Political Correctness geachtet. Braucht man da in Bayern mehr Toleranz?

Ich glaube, das ist für die Bayerinnen kein Problem, vielleicht eher von außerhalb. Wir haben mit der Bundeskanzlerin in Deutschland eine der mächtigsten Frauen der Welt. Ein gesundes Selbstbewusstsein sollte man als Frau haben, wir sollten nicht bessere Männer sein, sondern gute Frauen.

Das Dirndl verleitet zu Zoten. Herrn Brüderle ist das nicht gut bekommen. Wenn Sie in der Presse als „dirndltauglich“ beschrieben werden, ist das dann sexistisch, oder fühlen Sie sich geschmeichelt?

Es war übrigens die gleiche Journalistin, die mich als dirndltauglich beschrieben hat, die auch über Herrn Brüderle berichtete. Ich erlaube mir zu der Angelegenheit kein Urteil, weil ich nicht dabei war. Wenn jemand schreibt, dass ich neben dem, was ich im Kopf habe, auch noch ansehnlich bin, dann sehe ich das nicht als abwertend.

Für wie überlebensfähig halten Sie den bayerischen Dialekt in einer globalisierten Welt?

Interessanterweise kommt der auch wieder. Meine Nichten und Neffen schicken mir ihre SMS in bayerischem Dialekt. In meiner Jugend war das nicht üblich.

Manches bayerische Kind lernt erst in der Schule Hochdeutsch, bei Migrantenkindern ist das ein Problem. Das kann man jetzt nicht wirklich vergleichen. Es gibt zwar grammatikalische Herausforderungen, wie das Als und das Wie, aber die Grundlage ist ja die deutsche Sprache.

Vom Oktoberfest gehen jedes Jahr Bilder von betrunkenen und sich übergebenden Menschen um die Welt. Ist das noch eine gute Außenwerbung für Bayern?

Ich weiß nicht, ob das Leute von hier sind oder ob die das Bier einfach nicht kennen. Die Erfahrung, dass in dem Bier auch Alkohol steckt, muss wohl jeder selbst einmal machen. Schön ist es jedenfalls nicht.

Können Sie noch ungestört aufs Oktoberfest gehen?

Ich war erst letzte Woche mit meinem Patenkind auf dem Herbstfest in Rosenheim, wo wir einen Mordsspaß gehabt haben. Natürlich kommen die Leute und sprechen mich an, aber das ist ja nett.

Wie viele Mass Bier vertragen Sie?

Eine Mass reicht mir für einen Abend dicke.

Sie knoten Ihre Schürze links.

Das zeigt meinen Familienstand, ich bin ledig, das steht sogar in meinem Pass.

Als ledige Frau bindet man die Schürze links, als verheiratete rechts und als Jungfrau in der Mitte. Schließen sich da nach dem Verständnis vom erzkatholischen Bayern nicht zwei Optionen aus?

Ich glaube, das muss ich jetzt nicht kommentieren.

Wenn man sich nach Ihnen umhört, fällt meist im zweiten Satz, wie attraktiv Sie sind. Im dritten kommt dann meist, dass man nicht versteht, warum Sie Single sind. Sie halten Ihr Privatleben sehr privat, geht das in Ihrem Job überhaupt?

Einfach ist es nicht, aber das private Umfeld ist für mich ein Rückzugsraum, und den möchte ich mir auch für die Zukunft bewahren.

Es wird aber ein Zeitpunkt kommen, an dem sich die Wähler fragen werden, wie der erste bayerische „First Gentleman“ aussehen wird.

Die Frage mit der Nachfolge stellt sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht, also eilt da gar nix.

Glauben Sie, die Bayern sind reif für eine weibliche Ministerpräsidentin?

Ich kann es nur noch mal wiederholen, die Frage stellt sich nicht, wir haben einen Ministerpräsidenten. Ich kann die Frage auch nicht mehr hören, wir haben eine weibliche Bundeskanzlerin, und da fragt keiner mehr. Die Bayern sind fortschrittlicher, als manche meinen.

Die Schotten stimmen nächste Woche über die Abspaltung von Großbritannien ab. Könnte Bayern einmal ähnliche Gelüste entwickeln?

Das halte ich für ausgeschlossen. Bayern wächst beständig, weil sich die Leute bewusst dafür entschieden haben, hierherzuziehen. Wir wissen sehr wohl, dass wir in der Mitte von Europa unsere Exportmärkte brauchen und ein guter und wichtiger Teil Deutschlands sind.

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