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Ein Ruhepol: Paul von Hindenburg im Jahr 1925.
Ein Ruhepol: Paul von Hindenburg im Jahr 1925. © NDR/Bundesarchiv

Ein Arte-Film räumt mit dem Mythos Hindenburg auf - und vor allem mit der sich teilweise bis heute haltenden Vorstellung vom Greis, der schon altersmüde und geistig abwesend die Absichten der Nazis nicht durchschaute und von Hitler überrumpelt wurde.

Von Sebastian Höhn

Schon zu Lebzeiten war er ein Mythos. „Der Retter“ steht auf einem Wahlplakat von 1925. Darüber der kantige Kopf des alten Generalfeldmarschalls aus dem Ersten Weltkrieg. Viel mehr brauchte es nicht, um den von Kriegslegenden umwobenen Paul von Hindenburg in der turbulenten Weimarer Republik zum Reichspräsidenten zu machen. Dass er vieles war, nur kein Retter, ist heute klar. Denn vor 80?Jahren, am 30. Januar 1933, ernannte Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler.

Anlässlich dieses Jahrestags widmet sich eine Arte-Dokumentation dem Leben und politischen Wirken des Preußen. Der Film räumt auf mit der sich teilweise bis heute haltenden Vorstellung vom Greis, der schon altersmüde und geistig abwesend die Absichten der Nazis nicht durchschaute und von Hitler überrumpelt wurde. Ein Konservativer, monarchistisch zwar und kein Freund der jungen Demokratie, aber zugleich, als überparteilicher Stabilitätsgarant, Widerpart des braunen Mobs. „Hindenburg wusste, was er tat, und hat Hitler ganz gezielt und aus tiefster politischer Überzeugung zum Reichskanzler gemacht“, sagt Regisseur Christoph Weinert.

Preußisch-militärisch geprägt

Der 90-minütige Film arbeitet den Menschen Hindenburg heraus, seit frühester Jugend streng preußisch-militärisch geprägt, für breite Bevölkerungsschichten in der Weimarer Republik eine Vaterfigur. Das spiegelt sich wider in den Erinnerungen Hubertus von Hindenburgs, des Enkels des Reichspräsidenten. In dem Film beschreibt er ihn als liebevollen Großvater, dem das Familienleben sehr wichtig war. Auch in der Gegenwart des als rastlos geltenden „Reise-Kaisers“ Wilhelm II. wirkt der stattliche Hindenburg in Filmaufnahmen geradezu wie ein Ruhepol und wie die eigentliche Autorität.

Mit Hilfe von Historikern wie Hindenburg-Biograf Wolfram Pyta kommt Weinert zu dem Urteil, dass der General bis Stunden vor seinem Tod am 2. August 1934 „bei klarem Verstand“ war. Nur einen Monat zuvor hatte Hindenburg die von Hitler veranlassten Mordaktionen im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches ausdrücklich verteidigt. „Das ist richtig so. Ohne Blutvergießen geht es nicht“, sagte er. An Hitler schickte er ein Glückwunschtelegramm.

Hindenburg erwärmt sich für Hitler

Das politische Testament Hindenburgs, aus dem Christoph Weinert zitiert, zeigt deutlich, dass sich der 86-Jährige für den „böhmischen Gefreiten“ Hitler und seine politische Bewegung mittlerweile erwärmt hatte. Es endet mit dem Satz „Ich scheide von meinem deutschen Volk in der festen Hoffnung, daß das, (…) was in langsamer Reife zu dem 30. Januar 1933 führte, zu voller Erfüllung und Vollendung der geschichtlichen Sendung unseres Volkes reifen wird.“

Noch heute gibt es in mehr als 80?deutschen Städten und Gemeinden Straßen und Plätze, die nach „Hitlers Steigbügelhalter“ benannt sind. In Berlin ist er sogar Ehrenbürger der Stadt. So wie in Potsdam. Dort wird in diesen Tagen über eine Aberkennung des Titels diskutiert.

Hindenburg, 20.15 Uhr, Arte.

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