Kultur als Priorität erkennen
Wer den Lebenslauf von Prof. Dr. phil. Dr. habil. Matthias Theodor Vogt studieren möchte, muss sich viel Zeit nehmen – er umfasst immerhin 80 Seiten. Wer sich aber mit seinem „Konzept zur Entwicklung der kulturellen Infrastruktur“ (KEKIS) für die Lechstadt eingehend beschäftigen möchte, der muss sich wirklich sehr viel Zeit nehmen – stolze 400 Seiten lang ist die Expertise. Am Mittwoch im Stadtrat jedoch war dem Professor aus Görlitz von Bürgermeister Norbert Kreuzer (CSU) vorab ein enges Zeitfenster gesetzt worden, schließlich stand der Besuch von Ministerpräsident Horst Seehofer im Rahmen des OB-Wahlkampfes bevor.
Ungeachtet dessen sorgte die erste KEKIS-Lesung im Plenum durchaus für Aufsehen. Und das lag keineswegs daran, dass der Gründungsdirektor des „Institutes für kulturelle Infrastruktur Sachen“ immerfort auf den wahren Höhepunkt des Abends hinwies und um Verständnis für die Kürze seiner Ausführungen bat: „Sie wissen ja, der Landesvater…“. Indes, wer wollte es einem Referenten verdenken, der unter anderem drei Jahre lang Chefdramaturg der Bayreuther Festspiele war, federführend am Konzept für das Sächsische Kulturraumgesetz beteiligt war und in seiner Heimatstadt den Studiengang „Kultur und Management“ aus der Taufe hob. Vielmehr sorgte Prof. Vogt mit seinen Vorstellungen einer „Stadt der kulturellen Wertschätzung“ für Aufsehen – „in der Hoffnung, dass Kultur als Priorität für Landsberg erkannt wird“. Am weitreichendsten ist dabei Szenario A. Es beinhaltet eine breite Palette tiefgreifender räumlicher Veränderungen im Kultur- und Bildungsbereich. Mit Blick auf die kürzlich im Stadtrat präsentierte Schülerprognose geht Vogt davon aus, dass es in naher Zukunft nurmehr eine Mittelschule geben wird, nämlich die Fritz-Beck-Mittelschule. Auf dem Schlossberg könnten dann die beiden Grundschulen am Spitalplatz und an der Weilheimer Straße zusammengeführt werden. In die nun freien Räume der Spitalplatzschule will der Kulturexperte die Volkshochschule unterbringen. Das gebenüber direkt am Hang gelegene ehemalige Lehrerhaus sollte für „Künstler aus aller Herren Länder und aller Sparten“ zur Verfügung stehen – Atelier inbe- griffen. Und gleich nebenan der Schrägaufzug hoch zum Leitensberg. Die Nutzung des ehemaligen Ursulinenklosters, in dem heute die VHS in relativ kleinen Räumen ihr Dasein fristet, überzeugt Vogt überhaupt nicht. „Darüber sollte man nachdenken.“ Nach dem Umzug der Erwachsenenbildungseinrichtung an den Spitalplatz stünden der Sing- und Musik weitere Räume für die Verwaltung zur Verfügung, um dann endlich einen mittleren und großen Probensaal zu bekommen. Als Hauptnutzung für das Ursulinen- kloster sieht Vogt das Museum vor – der nächste große Umzug. Als „Prunkstück der Stadt“ bezeichnet der Professor das einstige Jesuiten-Gymnasium über der Altstadt – „Ende des 19. Jahrhunderts leider verschandelt durch eine Aufstockung“. Ist das Neue Stadtmu- seum erst mal in die Hubert-von-Herkomer-Straße umgezogen, gelte es den Großen Kon- gregationssaal zu reaktivieren. Dieser wäre danach ganz gewiss weit über die Grenzen des Freistaates hinaus bekannt. Als künftige Nutzungsmöglichkeit für das prachtvolle Gebäude in der Von-Helfenstein-Gasse sieht Vogt den Tagungsbereich. „Da ist Landsberg nicht gut ausgestattet.“ Die weitere Vorschläge im Vogt’schen Generalplan: Das Jugendzentrum zieht von der Spöttinger Straße in den Salz-stadel. Dort gibt es Kapazitäten, weil das Stadtarchiv schnellstmöglich an anderer Stelle unterzubringen sei. „Das ist die größe Katastrophe in der jetzigen Kulturnutzung“, sagte Vogt mit Blick auf die Hochwassergefahr in der Lechstraße. Dieser Umzug sei eine „prioritäre Aufgabe“, was auch für den Bau eines Vier- oder Fünf-Sterne-Ho- tels gelte. Und: Das Herkomer-Museum neben dem Mutterturm biete sich als Kombination von Café mit dem besten Kuchen und Ausstellung an. Gastronomische Nutzung auch für die sanierungsbedürftige Turnhalle in der Lechstraße: Von Stadthalle war keine Rede, dafür von einem Wirtshaus in Privathand. Als „Idealvorstellungen“ bezeichnet Bürgermeister Kreuzer die Ausführungen Prof. Vogts. Sie zeigten auf, dass die Kultur in Landsberg unbedingt fortentwickelt werden müsse. Für die Umsetzung der Vorhaben sei „mindestens eine zweistellige Jahreszahl“ anzusetzen. Ob sich die Stadt das leisten könne, sei eine ganz andere Frage. Bevor KEKIS in die nächste Runde geht, dürfen sich die Ratsmitglieder mit den 400 Seiten beschäftigen.