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Heute stirbt hier Kainer
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Heute stirbt hier Kainer

Inhalt / Kritik

Heute stirbt hier Kainer
„Heute stirbt hier Kainer“ // Deutschland-Start: 21. April 2021 (Das Erste)

Viel Zeit bleibt Ulrich Kainer (Martin Wuttke) nicht mehr, der Besuch beim Arzt hat dem zurückgezogenen lebenden Stadtmenschen nicht viel Hoffnung gemacht. Und so entschließt er sich, noch ein paar schöne ruhige Tage auf dem Land zu verbringen.  Doch dabei hat er die Rechnung ohne die lokale Bevölkerung gemacht. So wurde gerade der Kneipenbesitzer Cesare (Michele Cuciuffo) von Rainer Bratsche (Alexander Hörbe) betrogen und schwört nun Rache. Da trifft es sich gut, dass Kainer schnell im Verdacht steht, Profikiller zu sein. Während der und die Hofbesitzerin Marie (Britta Hammelstein) sich langsam näherkommen, taucht der korrupte Kommissar Decker (Justus von Dohnányi) auf, um für Ordnung zu sorgen …

Rarität: deutscher Western

Bei deutschen TV-Filmen dürften die meisten erst einmal an Krimis denken, der Dauerbrenner schlechthin in unserem Fernsehen. Dann und wann gibt es mal eine Komödie oder irgendein Herzschmerzdrama. Typische Gefälligkeitsproduktionen eben. Ganz selten darf man sich aber auch über Werke freuen, welche dem Diktat hiesiger Redaktionskonventionen entkommen und etwas Eigenes auf die Beine stellen. Gefangen zeigte kürzlich etwa einen Polizisten, der nach einem Todesfall in eine bizarre Sinnkrise stürzt. Heute stirbt hier Kainer wiederum ist in einem Genre angesiedelt, das man so gar nicht mit Deutschland in Verbindung bringt: der Western.

Wobei der Film natürlich nicht im historischen Wilden Westen. Stattdessen nimmt uns Regisseurin und Co-Autorin Maria-Anna Westholzer mit in die hessische Provinz. Einen Ort, an den man sich eher zufällig verwirrt, weil man sich verfahren hat. Ein Ort auch, der so wenig Perspektive bietet, dass Kainer mit seinem Todeswunsch irgendwie perfekt reinpasst. Anderen geht es in Heute stirbt hier Kainer nicht wirklich besser. Die einen saufen sich zu Tode, andere stürzen sich in Gewalt und Hass, darunter eine Gruppe völlig inkompetenter Nazis. Denn auch das gehört zu dem Leben hier dazu: Eigentlich klappt so gut wie gar nichts. Nicht mal das Sterben.

Ein Dorf voll komischer Leute

Dafür klappt das mit der Unterhaltung ziemlich gut. Der Grund: Westholz begegnet den an und für sich sehr ernsten Themen mit Humor. Dieser besteht jedoch weniger in irgendwelchen Gags oder Situationskomik. Der Film ist auch keine Parodie auf das Genre. Vielmehr sind es Figuren, alle irgendwie mit einer Macke gezeichnet, die für regelmäßiges Schmunzeln gut sind. Vor allem die Männer, die in Heute stirbt hier Kainer die Mehrzahl stellen, sind alle reichlich skurril und überzeichnet. Sie leiden mal an Größenwahnsinn, sind masochistisch veranlagt oder als Karikaturen angelegt. Selbst wenn sie gerade mit einer Waffe herumfuchteln – was auf dem Land offensichtlich recht oft geschieht –, sind sie so lächerlich, dass man sich kaum von ihnen bedroht fühlt.

Das ist prima von den Beteiligten gespielt. Martin Wuttke (Glück ist was für Weicheier) überzeugt als lebensmüder Mann mit fragwürdiger Vergangenheit, der eigentlich nur seine Ruhe haben will. Dem gegenüber steht Justus von Dohnány (Desaster), der sich geradezu in der Widerwärtigkeit seiner Figur suhlt: ein Polizist, der sich über alle Regeln erhaben fühlt. Allein aus diesem Gegensatz hätte man einen ganzen Film machen können. Doch Westholzer stellt noch eine Reihe weiterer Konflikte daneben. Da sind die Kontrahenten Cesare und Bratsche. Die Nazis, die nur darauf warten, anderen eins aufs Maul geben zu dürfen. Ein unglücklich verliebter Dorfpolizist, der sich in seiner Männlichkeit verletzt fühlt. Ein neunmalkluger Junge springt – natürlich mit einer Waffe – durch die Gegend. Selbst irgendwelche Alten in der Kneipe haben im Zweifelsfall ein Schießeisen parat, so als wären wir in einem Western-Saloon von anno dazumal gelandet.

Ein Showdown zum Schießen

Dass ein solches Pulverfass bei einem Dorf, das nur aus Streichhölzern zu bestehen scheint, irgendwann auch explodiert, versteht sich von selbst. Ein bisschen knallt es zwischendurch schon mal. Zum Ende darf Heute stirbt hier Kainer die verschiedenen Parteien auf fatale Weise zusammenkommen lassen, wie bei einem klassischen Western-Showdown. Nur dass hier alles komplett durcheinandergeht. Was eben so passiert, wenn Chaoten das Sagen haben. Für die Actionszenen selbst braucht man dabei nicht unbedingt einzuschalten. Der lakonische Humor, wenn lebensmüde Killer, verbrecherische Polizisten und lauter Idioten auf einem Haufen sind, der ist es aber allemal wert gesehen zu werden. Und sei es nur, um einen Beweis vor Augen zu haben, dass öffentlich-rechtliches Fernsehen auch ganz anders kann, wenn es will.

Credits

OT: „Heute stirbt hier Kainer“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Maria-Anna Westholzer
Drehbuch: Maria-Anna Westholzer, Michael Proehl
Musik: Matti Rouse
Kamera: Armin Dierolf
Besetzung: Martin Wuttke, Britta Hammelstein, Justus von Dohnányi, Alexander Hörbe, Michele Cuciuffo, Jule Böwe, Martin Feifel

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In „Heute stirbt hier Kainer“ will ein sterbenskranker Mann eigentlich nur ein paar ruhige letzte Tage auf dem Land verbringen und wird dabei in eine bizarre Fehde hineingezogen. Der deutsche Provinzwestern macht dabei vor allem des lakonischen Humors und der vielen skurrilen Figuren wegen Spaß, die sich alle gegenseitig abknallen wollen, das oft aber nicht wirklich hinbekommen.
7
von 10