„Heute stirbt hier Kainer“ (ARD): Leichen auf dem Bauernhof
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„Heute stirbt hier Kainer“ in der ARD: Leichen auf dem Bauernhof

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Endstation in der Provinz: Ulrich Kainer (Martin Wuttke) hat nur eine Waffe und die finale Kugel im Gepäck. HR
Endstation in der Provinz: Ulrich Kainer (Martin Wuttke) hat nur eine Waffe und die finale Kugel im Gepäck. © HR

Der schießwütige HR-Hessen-Western „Heute stirbt hier Kainer“ in der ARD hinterlässt ein ungutes Gefühl. Die TV-Kritik.

Alkoholismus, Korruption, Krankheit, Konkurs, Langeweile – egal wie und warum, die Männer in dieser Geschichte gehen ihrem Ende entgegen. Während die Drehorte in der Wetterau und im Odenwald lebendig in spätsommerlichem Grün und Gelb erstrahlen, stürzt sich ein Haufen kaputter Männer wahlweise in Mord oder Suizid.

Bis an die Zähne bewaffnete Neonazis in der hessischen Provinz. Unfähige bis korrupte Polizisten mit einem Kofferraum voller Waffen. Der HR-Film „Heute stirbt hier Kainer“ im Programm der ARD könnte als bitterböse Bestandsaufnahme gemeint sein in einem Bundesland, in dem rechter Terror und Polizeiskandale immer wieder schockieren. Ebenjene Missstände machen den Fernsehfilm aber zu einem schwer erträglichen Erlebnis, weil er als locker-flockiger Hessen-Western daherkommt und doch knallhart Kopfschüsse verteilt.

Mit „Heute stirbt hier Kainer“ in der ARD feiert Maria-Anna Westholzer ihr Langfilm-Debüt

Die Verantwortlichen um die Regisseurin und Langfilm-Debütantin Maria-Anna Westholzer, die gemeinsam mit Michael Proehl auch das Drehbuch schrieb, erzählen laut Pressemitteilung „auf spannende und skurrile Weise von den letzten Tagen eines Mannes, der die Einsamkeit zum Sterben sucht, sich aber zuvor dem Aberwitz des Lebens stellen muss“.

„Heute stirbt hier Kainer“

Erstaustrahlung: Mittwoch, 21.04.2021, 20.15 Uhr in der ARD. Vorschau in der Mediathek.

Drehbuchautor Proehl machte sich zuvor unter anderem mit Arbeiten für den Tatort einen Namen. In Erinnerung blieb vor allem die mit dem Grimme-Preis prämierte Folge „Im Schmerz geboren“ aus Wiesbaden von 2014, für die er die Vorlage lieferte. Diese hetzte ebenfalls mit Western-Elementen dem von Ulrich Tukur gespielten Ermittler eine Horde schießwütiger Gangster auf den Hals. Damals faszinierte Publikum und Presse zur Abwechslung eine andere Quote: der für Tatort-Verhältnisse rekordverdächtige „Bodycount“, die Anzahl von Leichen im TV-Kugelhagel, der nach 90 Minuten je nach Zählung zwischen 47 und 51 lag.

Im ARD-Spielfilm „Heute stirbt hier Kainer“ spielt Martin Wuttke Antiheld Ulrich Kainer

Im neuen Film steht ein Antiheld im Zentrum: Ulrich Kainer, gespielt von Martin Wuttke, war mal Auftragskiller und erhält am Anfang des Films nach einem MRT-Scan sein Todesurteil. Aus Frankfurt verschlägt es ihn für die letzten Tage in ein hessisches Kaff mit dem Schenkelklopfer-Namen Oberöhde. Die Waffe mit der finalen Kugel ist sein einziges Gepäck.

Doch dort spitzt sich ein Konflikt zwischen dem temperamentvollen Wirt eines italienischen Restaurants und dem lokalen Geldgeier zu – im Ort ist nur für einen Platz. Der mysteriöse Fremde Kainer wird in Clint-Eastwood-Tradition kurzerhand zum willkommenen Brandbeschleuniger.

Mit Stoppelbart und Glatze sowie seiner einsilbigen Art, die in guten Momenten an Figuren aus der US-Serie „Breaking Bad“ erinnert, taugt Wuttkes Kainer als bedrohliche Projektionsfläche. Obwohl er doch nur die Ruhe im Pensionszimmer auf dem Bauernhof der alleinerziehenden Bäuerin Marie (Britta Hammelstein) sucht, erkennen bald alle einen aus Sizilien bestellten Mafia-Killer in ihm.

„Heute stirbt hier Kainer“ (ARD): Blutbad hinterlässt ein ungutes Gefühl

Während die Sonne also unerbittlich sinkt und die vom Knistern der Zigaretten begleiteten Blickwechsel immer grimmiger werden, versammelt der Film Szene um Szene eine neue Horde gewaltbereiter Knallköpfe für den Showdown auf dem Bauernhof.

Doch was in den Blutbad-Filmen von Quentin Tarantino, die augenscheinlich als Vorbild dienen, schon die Grenzen des Geschmacks auslotet, hinterlässt hier ein ungutes Gefühl. Konnten manche 2014 noch fasziniert Leichen zählen, bekommt man 2021 die Bilder und Nachrichten der vergangenen Monate und Jahre nicht aus dem Kopf. Die Ästhetisierung und die Beiläufigkeit der Gewalt wirkt daher nicht skurril oder aberwitzig, sondern – wenn auch unfreiwillig – wie ein erschreckendes Zerrbild der Realität. (Jakob Maurer)

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